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    Zombie - Dawn Of The Dead
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Zombie - Dawn Of The Dead
    Von Ulrich Behrens

    „Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde.“ (Peter)... Lange Zeit war George A. Romeros zweiter Teil seiner Zombie-Trilogie in Deutschland nicht zugänglich. Romero selbst hatte sich, wie er selber in einem Interview auf der DVD erzählt, verbissen um eine ungekürzte Fassung in den USA bemüht, bis endlich ein Verleiher bereit war, den Film ungeschnitten in den Kinos zu zeigen. In den USA durfte für „Zombie - Dawn Of The Dead“ keine Werbung in den Medien gemacht werden. Auch in Deutschland stand der Film lange auf dem Index, bis der Film endlich 2002 durch die FSK in einer Langfassung von 141 Minuten freigegeben wurde (FSK 16). Zehn Jahre nach „Die Nacht der lebenden Toten“ drehte Romero diesen zweiten Teil der Horror-Trilogie, es folgte „Day Of The Dead“ 1985, der in Deutschland auf einer um sechs Minuten geschnittenen DVD-Fassung erhältlich ist (FSK 16). Allerdings ist auch die jetzige auf DVD erhältliche Langfassung um einige („blutrünstige“) Szenen gekürzt, insgesamt etwa 15 Minuten gegenüber der früheren deutschen Filmfassung!

    Etwas Gespenstisches ereignet sich in den USA. Helle Aufregung, Angst und Verzweiflung hat die Menschen ergriffen. Überall, in den Großstädten im Osten und Norden wie im mittleren Westen, bahnen sich Zombies ihren Weg. Tote sind wiederauferstanden, und kein Mensch weiß warum. Auch in den Medien herrscht helle Aufregung. Wissenschaftler und Vertreter der Regierung verkünden ihre Theorien über die vermeintlichen Ursachen des Phänomens – eine Virustheorie ist schnell zur Hand – und stoßen auf Unverständnis bei Bevölkerung und Journalisten. Die Untoten, Leichen, die wieder auferstehen und Menschen anfallen, um sie (teilweise) zu essen, vermehren sich rasant. Jeder Mensch, der von ihnen gebissen wird, wird selbst zum Untoten. In kürzester Zeit sind ganze Großstädte wie Philadelphia menschenleer. Der Reporter Stephen Andrews (David Emge), der einen Pilotenführerschein besitzt (er berichtete bislang über Verkehrsaufkommen vom Hubschrauber aus) überredet seine Freundin, die TV-Angestellte Francine (Gaylen Ross), mit ihm zu fliehen. Zusammen mit zwei Angehörigen der Spezialeinheit SWAT („Special Weapons And Tactics“) in Philadelphia, Roger (Scott H. Reiniger), einem Bekannten Stephens, und Peter (Ken Foree) besteigen sie einen Hubschrauber, um aus der Stadt zu kommen. Peter und Roger hatten an einem Einsatz der SWAT gegen Untote teilgenommen, bei dem sie mit ansehen mussten, was die Zombies anrichten.

    Die Flucht mit dem Hubschrauber beginnt. Doch immer wieder müssen die vier zwischenlanden, um nach Benzin zu suchen. Schließlich gelangen sie an einen der riesigen Supermärkte, irgendwo auf dem Land, landen auf dem Dach und dringen in den Markt ein. Die oberen Stockwerke sind von den Untoten noch nicht bevölkert. Trotz der Skepsis von Francine entschließen sie sich, zumindest eine Zeitlang hier zu bleiben. Den Männern gelingt es, in die Räume zu gelangen, in denen es Lebensmittel, Werkzeug, Waffen und andere für sie nützliche Gebrauchsgegenstände gibt. Allerdings müssen sie, um die Waren abzutransportieren, durch die Abteilungen des Supermarkts gelangen, in denen Dutzende von Untoten herumlaufen.

    Aus dem Radio erfahren die vier, wie immer weitere Teile des Landes von den Untoten bevölkert werden. Experten verkünden, man müsse in großangelegten Polizei- und Militäraktionen das Land von der Plage befreien. Doch offenbar existieren inzwischen nur noch wenige Landstriche, in denen es überhaupt noch Menschen gibt. Obwohl es den drei Männern gelingt, einen weiten Bereich des Supermarktes durch Wände aus Glas und Holz sowie Lkw abzusperren, wird die Lage für alle brenzlig, als eine Horde von mehr als 20 Motorradfahrern in den Markt eindringt, die Absperrungen durchbricht und mit Plünderungen beginnt ...

    Als ich „Dawn Of The Dead“ das erste Mal gesehen hatte, empfand ich den Film weniger als Horrorfilm im üblichen Sinne, das heißt nicht als einen Film, in dem die Zombies die Hauptrolle spielten und vom Regisseur ins Zentrum des Interesses gerückt worden wären. Die Zombies wirken als sozusagen rein äußerliche Bedrohung, ähnlich einer Naturkatastrophe, oder noch besser: als Herausforderung für die Lebenden. Ihre Struktur ist relativ einfach: Auch wenn niemand weiß, wie es möglich ist, dass Tote wieder gefährlich „leben“, so sind die Untoten weder intelligent, noch in ihrem Dasein kompliziert zu erklären. Sie brauchen Menschenfleisch, um überleben zu können, nicht um ihren Hunger zu stillen, sondern aus einem existenziellen Trieb heraus. Punkt 2: Jeder, der von ihnen angefressen wird, wird selbst ein Untoter. Zudem bewegen sie sich relativ langsam, wanken durch die Gegend und richten sich nach dem Geruch von Menschen. Durch gezielte Schüsse in ihr Gehirn oder Abtrennung des Kopfes können sie „getötet“ werden. Die Hauptgefahr der Zombies besteht „lediglich“ darin, dass eine Gegenwehr immer schwieriger wird, weil sie in immer größeren Massen auftreten.

    Doch im Film stehen andere Dinge im Zentrum. Romero entfaltet eine Szenerie, in der die Reaktionen, die Gedanken, das Verhalten der verbleibenden Menschen in den Mittelpunkt gerückt wird. Auf den ersten Blick erstaunlich ist hierbei, dass Regierung oder staatliche Einrichtungen wie Militär, Polizei usw. so gut wie gar keine Rolle im Film spielen. Selbst die beiden SWAT-Mitglieder Peter und Roger handeln nach der Flucht mit dem Hubschrauber weniger als Soldaten oder Polizisten, sondern vor allem als Menschen (wie Stephen und Francine auch), die versuchen, gemeinsam einen Weg aus der ständig steigenden Gefahr zu finden. Die Konstellation zwischen den vier Hauptpersonen bestimmt den Ausgang dieses Überlebenskampfes. Peter, an dessen Loyalität Francine und Stephen vor dem Abflug mit dem Hubschrauber noch zweifelten, möglicherweise auch wegen seiner Hautfarbe, erweist sich als coolster Kopf in dem Quartett. Ken Foree spielt diesen Peter Washington überzeugend gut, ebenso wie Gaylen Ross eine junge Frau darstellt, die trotz ihrer Verzweiflung über die fast aussichtslose Situation (und obwohl sie schwanger ist) die Fassung nicht verliert und von den Männern klipp und klar verlangt, gleichberechtigt alle Entscheidungen mitzutragen.

    Demgegenüber handelt ihr Freund Stephen zwar anfangs ebenfalls vernünftig, verliert aber später angesichts einer bedrohlichen Situation den Kopf. Etwas ähnliches gilt für Roger, der ab einem bestimmten Zeitpunkt die Gefahr durch die Zombies unterschätzt und übermütig reagiert. Für beide hat dies Folgen, ebenso für Peter und Francine. Über diese Personenkonstellation hinaus zeigt Romero ein erschütterndes Bild der amerikanischen Gesellschaft bzw. von dem, was davon übrig geblieben ist – so gut wie nichts. Verwaiste, verwüstete Städte, menschenleere Landstriche, vor allem aber die Reste eines Konsumtempels, in dem nur noch die Waren, Schaufensterpuppen und Rolltreppen von einer menschlichen Vergangenheit zeugen. Die vier Personen sind nicht nur völlig auf sich allein gestellt; sie leben zudem von einem Tag auf den anderen, ja von einer Stunde auf die andere, ohne auch nur im geringsten vorausplanen zu können, was am nächsten Tag oder in der kommenden Nacht geschehen wird.

    Man kann dies Zivilisationskritik nennen. Ich würde da etwas genauer von den „Urzuständen“ eines (vom Zombie-Phänomen) erzwungenen Versuchs des Aufbaus einer neuen „Zivilisation“ sprechen. Am Schluss bleiben zwei Personen übrig, die mit dem Hubschrauber das Einkaufszentrum wieder verlassen: Frau und Mann. Was sie erwartet, bleibt völlig offen. Die Existenz der Untoten zwingt zunächst alle vier, zum Schluss die verbleibenden zwei Menschen, man könnte sagen: ausschließlich gegenwärtig zu leben. Der permanente Druck durch die Gefahr der inzwischen Millionen von Zombies erzwingt ein Leben, in dem weder Fünf-Jahres-Pläne, noch eine vorausschauende Politik, noch irgendwelche anderen Zukunftsprognosen möglich sind. Romero reduziert damit – abgesehen von der erzählten Geschichte selbst – die modernen Gesellschaften filmisch zu „einfachen“ Gesellschaften. Er hält ihnen ihren (selbst)zerstörerischen, strukturell verankerten Effekt respektive Defekt vor – ebenso wie ihre verhängnisvolle Ausrichtung auf ideologisch verbrämte Zukunftsplanungen, die die Gegenwart relativieren und die Vergangenheit vergessen zu machen suchen.

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