Wenn James Bond Mist baut, dann hat er direkt fünf Dutzend wütende Russen im Nacken, die die Wand hinter dem Doppelnull-Agenten mit ihren Maschinengewehren in einen Schweizer Käse verwandeln. Wenn hingegen ein Konzernspion Mist baut, dann klopft ihm anschließend das Kartellamt oder eine andere dieser zahnlosen staatlichen Behörden sachte auf die Finger. Wer einen spannenden Hollywood-Film machen will, sich dabei gegen die äußeren Thrills von Bond & Co. entscheidet und stattdessen auf die zweite Variante setzt, der stellt sich naturgemäß einer besonders schwierigen Herausforderung. So muss man Regisseur Robert Luketic („Kiss & Kill“) einen gewissen Mut zum Risiko attestieren, wenn er sich ausgerechnet den gleichnamigen Technologiespionage-Roman von Joseph Finder („High Crimes“) als Vorlage für seinen stargespickten Thriller „Paranoia – Riskantes Spiel“ aussucht. Am Ende ist das eher wenig Spannung versprechende Thema allerdings nur eines von vielen Problemen: „Paranoia“ mag ein Film über Smartphones sein, aber selbst ist er leider keinen Deut smarter als ein Siemens S1, mit dem man Anfang der 1990er noch alle sechs Stunden zur Steckdose rennen musste (und so lange hielt der Akku auch nur, wenn man nicht zwischenzeitlich auf die absurde Idee kam, das Handy tatsächlich zum Telefonieren zu benutzen).
Nach der Uni wollte Adam Cassidy (Liam Hemsworth) eigentlich die Welt erobern, stattdessen krebst er nun auf der untersten Hierarchieebene eines Technologiekonzerns herum, während sich seine Bosse dank seiner Ideen jedes Jahr riesige Bonusschecks in die Tasche stecken. Seine große Chance sieht der visionäre Jungspund gekommen, als er eine seiner Eingebungen direkt dem genialen Konzerngründer Nicolas Wyatt (Gary Oldman) vorstellen darf. Doch der exzentrische Smartphone-Pionier hört nicht einmal richtig hin und als Adam ihn zur Rede stellt, findet der aufmüpfige junge Mann sich schon Minuten später auf der Straße wieder. Ohne die geringste Ahnung, wie er ohne Job für die Versorgung seines kranken Vaters Frank (Richard Dreyfuss) aufkommen soll, lädt Adam seine Kollegen zu einer Nacht in einem der exklusivsten Clubs der Stadt ein, wobei er die 16.000-Dollar-Rechnung mit seiner noch nicht gesperrten Firmenkreditkarte begleicht. Damit hat ihn sein Ex-Boss genau da, wo er ihn haben wollte und erpresst ihn: Adam soll bei Wyatts ehemaligem Partner und größtem Konkurrenten Jock Goddard (Harrison Ford) anheuern, um so alles über das Betriebssystem von dessen neuer Smartphone-Generation herauszufinden – andernfalls müsse er wegen der Kreditkartensache in den Knast…
Der Held des Films muss sich in einem Unternehmen so weit nach oben arbeiten, dass er irgendwann ein neues Handy-Betriebssystem stehlen kann: Wird er seine Vorgesetzten also mit der anstehenden PowerPoint-Präsentation überzeugen oder versagt er bei der nächsten Folie? Bei solchen Spannungsmomenten hält sich das Nägelkauen beim Publikum in engen Grenzen. Aber selbst wenn die Voraussetzungen nicht die besten sind, stirbt die Hoffnung bekanntlich zuletzt, immerhin ist es Regisseur Robert Luketic mit „21“ auch schon gelungen, aus einer zunächst einmal nicht unbedingt spannenden Story (damals ging es um kartenzählende Nerds) einen guten Thriller zu zaubern. Aber um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Kunststück gelingt ihm mit „Paranoia“ leider kein zweites Mal. Zwar sieht auch dieser Film wieder geleckt-stylisch aus, aber der Plot kommt nicht nur nicht auf Trab, er ist auch dermaßen simpel gestrickt, dass man sich geradezu herausgefordert fühlt, die ganze Zeit über auf seinem Smartphone herumzuspielen und nur alle paar Minuten mal kurz zur Leinwand heraufzuschauen.
Die Hollywood-Titanen Harrison Ford (die größte Stärke des Films) und Gary Oldman (der sich einen völlig absurden Akzent zugelegt hat) verkörpern zwei der angeblich brillantesten Tech-Genies des Planeten – also denkt sich der Zuschauer, dass nach der schleichenden ersten Stunde im letzten Drittel bestimmt Wendung auf Wendung folgen wird und hier jeder mit jedem Katz und Maus spielt. Aber Pustekuchen: Die verfeindeten Steve-Jobs-Verschnitte lassen sich von Adam an der Nase herumführen, als hielten sie ein Tablet für ein Hilfsmittel, um Speisen darauf zu servieren. Jeder blind SMS tippende Teenager im Publikum wird die beiden auslachen – und damit bricht dann auch der letzte Rest der von Anfang an sowieso kaum vorhandenen Bedrohungskulisse in sich zusammen. Als Thriller ist „Paranoia“ ein Totalausfall – und wenn dann in einem angestrengt ernsthaften Voice-Over-Kommentar von „Die Tribute von Panem“-Star Liam Hemsworth (als Shampoo-Model unschlagbar, als Schauspieler okay) auch noch bedeutungsschwangere Anspielungen zur Finanzkrise und zum Aussterben des amerikanischen Traums untergebracht werden, wird es sogar richtiggehend peinlich.
Fazit: „Paranoia“ ist stylisch inszeniert und vollgestopft mit Stars, aber angesichts der oberflächlichen Konzernspionagehandlung kommt kaum Spannung auf.