Die Filme der britischen Produktionsgesellschaft Hammer prägten das europäische Genrekino in den 1960er Jahren entscheidend und brachten mit Christopher Lee die bis heute wohl größte Ikone unter den Dracula-Darstellern der Filmgeschichte auf die Leinwand. Das Studio tat es 2008 vielen seiner klassischen Figuren gleich und stieg aus dem Grabe auf. Doch damit nicht genug: „Die Frau in Schwarz“, der erste Gespensterfilm aus dem Hause Hammer, spielte 2012 weltweit über 127 Millionen Dollar ein und avancierte im Entstehungsland mit einem Kinoumsatz von 21,5 Millionen Pfund zum erfolgreichsten einheimischen Horrorfilm aller Zeiten. Und das zu Recht, war die Adaption von Susan Hills Novelle mit Daniel Radcliffe in der Hauptrolle doch eine faszinierende und zugleich hoch effektive Stilübung im Verbergen und Enthüllen, im Eintauchen in die tiefen Schatten eines alten Herrenhauses auf einer abgelegenen Insel, in langsamer Eskalation und in Suspense. Tom Harpers Fortsetzung „Die Frau in Schwarz 2: Engel des Todes“ dagegen präsentiert sich erzählerisch zwar deutlich ambitionierter, erschöpft sich dafür aber im uninspirierten Aneinanderreihen von Horrorstandards.
Eine Gruppe von acht Schulkindern aus London wird vor den heranfliegenden Nazis im Zweiten Weltkrieg evakuiert, mit ihrer Direktorin und der jungen Lehrerin Eve Parkins (Phoebe Fox) verschlägt es sie ins verfluchte Eel Marsh House vor der Küste Englands. Die Damen sind zunächst erschüttert von dem Zustand, in dem sich die Schlafzimmer und der notdürftig hergerichtete Klassenraum befinden, doch dieser Schrecken wird bald durch einen anderen, weit weniger fassbaren Horror abgelöst. Denn da ist etwas auf dem Anwesen und der sumpfigen Insel darum, das die Kinder auf seltsame Weise lockt - vor allem den traumatisierten Edward (Oaklee Pendergast), dessen Mutter von einer Nazibombe getötet wurde. Und diese unerklärliche schaurige Präsenz weiß auch von einem dunklen Geheimnis aus Eves Vergangenheit…
Versehrte sind hier irgendwie alle, auch der schmucke junge Air-Force-Pilot Harry Burnstow (Jeremy Irvine), der im nahe gelegenen Küstenkaff Quartier bezieht. Doch die Versuche, den diesseitigen und den jenseitigen Schrecken ineinander übergehen zu lassen, verpuffen weitgehend wirkungslos: Der Zweite Weltkrieg bleibt in Jon Crokers Drehbuchadaption durchaus im Wortsinne eine Attrappe, ein wabernd beschworener Hintergrund, dessen Erfahrung sich zwar in die Psyche der Figuren hineingefressen hat, so richtig mag dieses Trauma aber nicht mehr aus dieser hervorkommen. Und so verlässt Tom Harper sich auf etablierte, aber seltsam wirkungslose eingesetzte Standardmechanismen des Horrorgenres: Türen fliegen auf, bösartige Fratzen huschen in Windeseile an den Beobachter heran und verirrte Krähen krachen gegen das Fenster. Die Inszenierung bleibt, zumal im Vergleich zum Vorgänger, dabei reichlich statisch.
Immer wieder soll der Schock durch plötzliche Schnitte erzeugt werden, ein sorgfältiger Spannungsaufbau etwa über die Bewegung der Kamera findet kaum statt: Das Verborgene springt entweder ins Bild oder es erweist sich als harmloser Irrtum, stets begleitet von einem Wumm oder einem schrillen Quietschen auf der Tonspur – ein simpler Effekt, der hier offenkundig immer dann eingesetzt wird, wenn es zu komplex oder aufwändig erscheint, die Bedrohung oder das Entsetzen aus dem Sichtbaren zu generieren. Ganz anderes ließ da noch eine Szene zu Beginn erhoffen, als die Gruppe auf ihrer Anreise am schon dunklen Abend an einem verfallenen Farmhaus vorbeikommt und dort, in aller Stille, ein Lamm entdeckt, das sich im Stacheldraht verwickelt hat. Als symbolische Prophezeiung des Kommenden mag das plump erscheinen, als atmosphärische Setzung imponiert es im Nachhinein umso stärker, je lauter der plump manifestierte Schrecken dem Publikum entgegen brüllt.
Fazit: Schwache Schockeffekte nach Schema F statt langsam anschwellende Bedrohungen: Der Versuch historischen und fiktionalen Horror zu verschmelzen scheitert an einer zahn- und einfallslosen Inszenierung.