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    Allein die Wüste
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Allein die Wüste
    Von Sophie Charlotte Rieger

    Das Erlebnis der Stille und die Empfindung tiefster Einsamkeit sind nur für die allerwenigsten Menschen, die sich in große Wüsten herauswagen, längerfristig erträglich. Dietrich Schubert dagegen sucht und genießt diese Erfahrungen. Im Rahmen früherer Dreharbeiten hat der Filmemacher und Doku-Spezialist bereits verschiedene Wüsten durchkreuzt und sich mit der lebensfeindlichen Umgebung angefreundet. So kam ihm die Idee für „Allein die Wüste": Ohne menschliche Begleitung ließ sich der Filmemacher mehrere Wochen in der sandigen Ödnis Marokkos nieder. Sein filmisches Zeugnis dieser Erfahrung ist keine abenteuerliche Dokumentation, sondern das filmische Tagebuch eines persönlichen Experiments. Wer ein Faible für gänzlich andersartiges, introvertiert-meditatives Kino hat, wird in „Allein die Wüste" fündig. Andere werden den Film eher als anstrengende Übung in Langatmigkeit empfinden.

    90 Literflaschen Trinkwasser, 80 Liter Brauchwasser, Verpflegung für zwei Monate und ein Zelt. Viel mehr hat Dietrich Schubert für sein Wüstenexperiment im September 2010 nicht eingepackt. Ohne konkrete Erwartungen setzt er sich der Einsamkeit aus, die sein neues Lebensumfeld mit sich bringt. Er lernt die Stille und Ereignislosigkeit genießen, nimmt Kontakt zu seinen tierischen Nachbarn auf und besinnt sich auf die elementaren Dinge des Lebens: Wie sichere ich mein Zelt vor Sandstürmen und Regen? Wie kühle ich mein Trinkwasser? Auch Fragen über den Tod finden Eingang in seine Reflektionen. Fünf Wochen nach seiner Ankunft überkommt Schubert das Heimweh. Ist dies das Ende seines außergewöhnlichen Experiments?

    Der inzwischen über 70-jährige Dietrich Schubert ist Protagonist, Regisseur, Kameramann und Produzent. Sein Set ist die Wüste, hier fängt er sein Umfeld in Bildern ein und erzählt von seinen Gedanken und Gefühlen. Mit sauber geschriebenen und eingesprochenen Doku-Kommentaren hat sein Voice-Over freilich nichts gemein. Manchmal spricht er direkt in die Kamera, manchmal ertönt seine ruhige Stimme aus dem Off – Schuberts Film ist ein Tagebuch über eine existenzielle Wüstenerfahrung, das live vor unseren Augen zu entstehen scheint. Dementsprechend ungeschönt und bisweilen unbeholfen wirkt der Text. Vereinzelt vermittelt er Informationen über die spärliche Flora und Fauna, doch steht die biologische Erforschung der Wüste als Lebensraum nicht im Mittelpunkt des Films. Ebenso wenig gibt es hier ausschweifende und ausgefeilte philosophische Monologe zu hören.

    Auch visuell bleibt Schubert seinem Bewusstseinsstrom-Prinzip treu. So wirkt der in jeder Hinsicht spontan inszenierte Film zuweilen wie ein Urlaubsvideo – auch aufgrund des Verzichts auf eine Erzählstruktur jenseits der Tagebuch-Chronologie. Ohne jegliche direkte oder nachträgliche Dramatisierung wird so auch stilistisch die Ruhe und Ereignislosigkeit des Wüstenlebens widergespiegelt. Nur einzelne Aufnahmen des eindrucksvollen natürlichen Umfelds erinnern daran, dass hier kein x-beliebiger Urlauber, sondern ein professioneller Filmemacher am Werk ist. Und die nicht unbedeutende Tatsache, dass sich da jemand zu einem so herausfordernden Selbstversuch aufgemacht hat. Mit Urlaub im gängigen Sinne hat Schuberts Eremiten-Essay nämlich nichts zu tun.

    Fazit: Dietrich Schuberts Special-Interest-Film „Allein die Wüste" ist das Dokument eines interessanten Experiments, mit seinem Tagebuchkonzept und ohne jeglichen dramaturgischen Ansatz bleibt das Werk aber außerordentlich schwer zugänglich.

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