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    Mein Bester & ich
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Mein Bester & ich

    Schon wieder „Ziemlich beste Freunde“

    Von Carsten Baumgardt

    Es wäre falsch, sich darüber zu mokieren, dass Amerikaner es ablehnen, ausländische Filme in Originalsprache anzusehen. Die deutschen Kinobesucher sind in dieser Hinsicht nämlich nicht besser. In den Großstädten wird ein bisschen elitär original geschaut, aber der Anteil an den gesamten Kinovorstellungen ist kaum nennenswert. US-Studios sind dann ganz pragmatisch und lassen den Stoff einfach noch einmal neu drehen, wenn sie ein Geschäft wittern – möglichst amerikanisiert, damit der einheimische Zuschauer auch einen Zugang finden kann. Die französische Tragikomödie „Ziemlich beste Freunde“ spielte 2011 weltweit sensationelle 426 Millionen Dollar ein – davon sogar zehn Millionen in Nordamerika, wo der Film in maximal 200 Kinos im französischen Original lief (ein toller Erfolg). Trotzdem bringt „Divergent“-Regisseur Neil Burger mit „Mein Bester & ich“ jetzt die englischsprachige Variante von „Ziemlich beste Freunde“ ins Kino. Die markanten Änderungen gegenüber dem Original sind gering, man hat die Struktur der Geschichte nahezu eins zu eins übernommen. Aber der Vorgänger lebte natürlich nicht in erster Linie von seinem Plot, sondern von dem unbändigen Charme, den die beiden Hauptdarsteller Omar Sy und Francois Cluzet zusammen entfalteten. Und genau das gelingt Bryan Cranston und Kevin Hart in der US-Version nur bedingt.

    Der superreiche New Yorker Großunternehmer Philip Lacasse (Bryan Cranston) ist seit einem verheerenden Paragliding-Unfall, bei dem seine Frau getötet wurde, vom Hals an abwärts gelähmt. Deshalb benötigt er einen Pfleger, der ihn rund um die Uhr betreut. Doch Phillip ist ein eher missmutiger, depressiver Zeitgenosse geworden, der bei der Auswahl seiner Angestellten sehr anspruchsvoll ist. Der Kleinkriminelle Dell Scott (Kevin Hart) ist gerade auf Bewährung draußen und muss für die Behörde nachweisen, sich um Jobs zu bemühen. Eine Verwechslung führt ihn in das Penthouse von Phillip, der zusammen mit seiner persönlichen Assistentin und rechten Hand Yvonne (Nicole Kidman) gerade mal wieder einen neuen Pfleger sucht. Obwohl Dell null Interesse an der Stelle hat, macht ihm der neugierig gewordene Phillip ein Angebot. Nachdem Dell gecheckt hat, wie gut bezahlt der Job ist, willigt er gegen die Bedenken von Yvonne ein und bringt den Alltag in Phillips Mikrokosmos kräftig durcheinander. Nach und nach werden Dell und Phillip so etwas wie ziemlich beste Freunde...

    Erst knapp anderthalb Jahre nach seiner Weltpremiere im September 2017 beim Filmfestival in Toronto kommt „Mein Bester & ich“ (über den deutschen Verleihtitel würden wir am liebsten den ganz großen Mantel des Schweigens hüllen) nun in die Kinos. Im Giftschrank lag das Werk aber nicht. Die Verzögerung hat hingegen vor allem wirtschaftsrechtliche Gründe, weil das Projekt zunächst bei der 2018 in Konkurs gegangenen Weinstein Company lag und sich mit STX Entertainment erst einmal jemand finden musste, der die Rechte an „Mein Bester & ich“ aus der Konkursmasse übernehmen konnte und wollte.

    Künstlerisch geht Regisseur Neil Burger („The Illusionist“, „Ohne Limit“) keine Risiken ein, der Schauplatz wird zwar von Paris nach New York (gedoubelt vom Drehort Philadelphia) verlegt, aber ansonsten hält sich der Filmemacher an die Grundzüge der im Kern wahren Geschichte des ehemaligen Geschäftsführers des Champagnerherstellers Pommery, Philippe Pozzo di Borgo. Selbst ein Ausschnitt aus der Autoverfolgungsjagd, die chronologisch erst sechs Monate nach der ersten Begegnung der Protagonisten stattfindet, ist hier wie im Original als Prolog vorgeschaltet. Nur im dritten Akt hat Burger eine dramaturgische Änderung vorgenommen, die erzählerisch weder positiv noch negativ ins Gewicht fällt, aber zumindest nachvollziehbar ist.

    Am wichtigsten für das Stehen oder Fallen des Remakes ist aber sowieso das Casting: Mit Bryan Cranston („Breaking Bad“) und Kevin Hart („Ride Along“) hat Neil Burger eine solide Wahl getroffen. Selbst wenn die beiden Stars nur ihren Stiefel runterspielen, bleibt genügend hängen, um „Mein Bester & ich“ zumindest zeitweise unterhaltsam zu gestalten. Kevin Hart macht aus seinem im Grunde gutherzigen Taugenichts eine typische Kevin-Hart-Figur. Am Anfang ist das Nervpotenzial von Dell spürbar vorhanden, das ändert sich aber langsam in der Interaktion mit Phillip. Dabei setzt Burger auch mal auf handfeste Situationskomik, wenn er Dells Abscheu bei der Kathederprozedur geradezu zelebriert oder sich die beiden auf Partys bekiffen. Das Erfolgsrezept von „Ziemlich beste Freunde“ war jedoch die sensationelle Chemie zwischen den ungleichen Hauptfiguren, die den ganzen Film getragen hat – quasi „Pretty Woman“ als Bromance (natürlich gibt es in „Mein Bester & ich“ eine Konzertkenner-führt-Kulturbanause-in-die-Oper-ein-Szene).

    Diesen vielbeschworenen Charme hat „Mein Bester & ich“ in Grundzügen auch, nur eben längst nicht so ausgeprägt. Einige der Wendungen wirken zudem ein wenig behauptet, ohne mit entsprechenden Szenen vorbereitet zu sein. Der Nachgeschmack eines lauwarm aufgewärmten Stoffs bleibt hängen. Bei der Amerikanisierung muss es eben meistens noch ein bisschen mehr sein: Im Remake wird Dell wie auch sein französisches Pendant Driss zum Künstler. Dass sein Gemälde hier für 50.000 Dollar statt für 11.000 Euro verkauft wird, ist unerheblich. Aber Regisseur und Co-Autor Burger setzt noch einen drauf und lässt Phillip bei seinem an „Die Glücksritter“ erinnernden Sozialexperiment das Bild an seinen snobistischen Nachbarn und ahnungslosen Dell-Gegner Carter Locke (Tate Donovan) verhökern – und nimmt der Szene so das letzte Fünkchen Finesse. Wenn sich Bryan Cranston und Kevin Hart Sprüche um die Ohren hauen, hat „Mein Bester & ich“ dagegen Biss: „Bist du wirklich so reich wie Jay-Z?“, fragt Dell. „Reicher“, antwortet Phillip schelmisch, wobei wir wieder beim trockenen „Pretty Woman“-Charme sind.

    Fazit: „Mein Bester & ich“ ist nicht schlecht, aber in jeder Hinsicht schwächer als das französische „Ziemlich beste Freunde“-Original.

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