Niemand hätte im Jahre 1974 voraussehen können, dass Tobe Hoopers kleines Low-Budget-Horrorwerk „The Texas Chainsaw Massacre“ Filmgeschichte schreiben würde. Dem in Deutschland ursprünglich unter dem Titel „Blutgericht in Texas“ veröffentlichten Schocker um eine Gruppe junger Erwachsener, die in die Fänge einer Redneck-Kannibalenfamilie gerät, eilt heute ein Ruf wie Donnerhall voraus. Der Film gilt als extrem brutal und verstörend. „The Texas Chainsaw Massacre“ ist schließlich auch das zentrale Gründungswerk des Terrorfilms, einem Horror-Sub-Genre, in dem das Grauen nicht mehr übernatürlichen Ursprungs, sondern nur zu real ist. 2014 kommt der Horror-Klassiker nun nach ungekürzten Heimkinoveröffentlichungen auch erstmals uncut in die deutschen Lichtspielhäuser. Jüngere Zuschauer, die den über Jahrzehnte hierzulande verbotenen Film nun vielleicht erstmals auf diesem Weg zu sehen bekommen, dürften dabei verwundert den Kopf ob der früheren Zensur schütteln. Denn Regisseur Hooper lässt das Grauen zum größten Teil im Kopf des Publikums stattfinden. Trotzdem entfaltet „The Texas Chainsaw Massacre“ weit mehr Wucht als die meisten heutigen Horrorfilme, die in Sachen Gewaltdarstellung wesentlich zeigefreudiger sind.
Zu Beginn bleibt der Bildschirm vollkommen schwarz, während die Stimme eines Nachrichtensprechers zu hören ist. Der Sprecher berichtet von unheimlichen Grabplünderungen. Zwischendurch hört man immer wieder das laute Blitzen einer Kamera. Das daraus resultierende grelle Licht zeigt in der Dunkelheit verwesende Leichenteile. Als nächstes wird eine auf einen Grabstein drapierte Leiche sichtbar. Es folgen psychedelisch wirkende Bilder von Sonneneruptionen. Schnitt. Die fünf jungen Freunde Kirk (William Vail), Pam (Teri McMinn), Jerry (Allen Danziger), Franklin (Paul A. Partain) und Sally (Marilyn Burns) fahren in einem Kleinbus durch die texanische Provinz. Sie sind auf der Suche nach dem Haus der Großeltern von Sally und Franklin. Unterwegs nehmen sie einen äußerst seltsamen Anhalter (Edwin Neal) mit. Dieser wirkt geistig verwirrt und sieht mit seinem flammend-roten Muttermal im Gesicht furchterregend aus. Plötzlich holt der Anhalter ein Messer heraus und schneidet sich in die eigene Handinnenfläche. Als er anschließend auch Franklin bedroht, wird er aus dem Bus geworfen. Die Freunde fahren zu einer Tankstelle, der jedoch angeblich gerade das Benzin ausgegangen ist. Während sie die Umgebung erkunden, entdecken Kirk und Pam ein Haus. Das Unheil nimmt seinen Lauf...
Dass „The Texas Chainsaw Massacre“ bis heute nichts von seiner zutiefst verstörenden Wirkung verloren hat, ist insbesondere der völlig eigenen bedrohlich-beklemmenden Atmosphäre geschuldet. Bereits der unheimliche Vorspann weist darauf hin, dass Hoopers Klassiker vorrangig über seine beklemmende-surreale Stimmung funktioniert, während konkrete Ekeldetails zumeist nur angedeutet werden. Es ist erstaunlich, wie wenig Blut dann auch tatsächlich zu sehen ist, während das subjektive Gefühl des Zuschauers etwas ganz anderes suggeriert. Unheimlich ist insbesondere das Personeninventar, aus dem sich die Familie der Kannibalen zusammensetzt. Legendär ist der Schlächter Leatherface (Gunnar Hansen), der die Protagonisten mit seiner titelgebenden Motorsäge in der Dunkelheit durch das Unterholz jagt. Ein Schlag ins Gesicht traditioneller Sehgewohnheiten ist es, wenn mit seinem Auftritt das Tempo mit einem Schlag von quasi Null auf Hundert angezogen wird: Leatherface erscheint aus dem Nichts, holt mit einen großen Hammer zum tödlichen Schlag aus und verschwindet anschließend ebenso unverhofft wieder von der Bildfläche. Dem Zuschauer stockt immer wieder der Atem, z. B. wenn der irre Killer ein Opfer wie ein Schlachttier auf einem Fleischerhaken aufspießt. Doch auch in dieser Szene ist streng genommen kaum etwas zu sehen: Man sieht weder den Haken, wie er in den Rücken gerammt wird, noch fließt anschließend sichtbares Blut. Die Ekelszenen spielen sich in der Vorstellung jedes Zuschauers ab.
Es ist das Unbegreifliche, die Absurdität, mit der Leatherface, stoisch wie eine künstliche Kampfmaschine zur Tat schreitet, was so zutiefst verstörend wirkt. Es ist auch das Bizarre, das sich in Leatherfaces namengebenden wechselnden Ledermasken zeigt. Dadurch, dass das Gesicht hinter der Maske niemals zu sehen ist, wird Leatherface zu einer Verkörperung des reinen Bösen. Diese Idee griff schließlich auch John Carpenter für die Figur des maskierten Killers in seinem 1978 erschienenen Slasher-Klassiker „Halloween“ auf. Die verstörend-abgründige Stimmung von „The Texas Chainsaw Massacre“ wird zudem stark durch das beängstigende percussionlastige Sounddesign unterstützt. Hinzu kommen die surrealen Sets: Mit Details wie den Knochenskulpturen auf dem Grundstück der Hinterwäldler unterstreichen Regisseur Hooper und sein Team, dass dies ein Ort fernab der uns vertrauten Zivilisation ist. Das ländliche Texas entpuppt sich hier als ein archaisches Reich, das von einer degenerierten Gesellschaft bevölkert ist, die von unkontrollierten primitiven Impulsen getrieben wird.
Der Eindruck brutaler Rohheit wird durch die sichtbare Beschränkung der finanziellen Mittel beim Dreh nur weiter verstärkt. „The Texas Chainsaw Massacre“ wurde auf 16-Millimeter-Film gedreht und für die große Kinoleinwand auf 35-Millimeter aufgeblasen. Die Darsteller sind überwiegend Laien mit sichtlich begrenzten Schauspielfähigkeiten, was interessanterweise den Eindruck starker Authentizität selbst inmitten des größten Wahnsinns, wie einer in ihrer verstörenden Absurdität nur schwer steigerbaren Essensszene, unterstreicht. In besagter Szene schaukeln sich der schwärzeste Humor und das blankes Entsetzen gegenseitig zu einer völlig irrsinnigen Mischung aus hämischem Gelächter und aus panischem Geschrei hoch. Spätestens an dieser Stelle zeigt sich - das bereits in der sehr bewusst gestalteten Eröffnungsszene des Films angedeutete - Liebäugeln des Regisseurs mit dem Kunst- und dem Experimentalfilm. Tope Hooper kreiert in „The Texas Chainsaw Massacre“ eine ganz eigene Welt des grenzenlos entfesselten Wahnsinns, die es mit ihrer ureigenen Atmosphäre selbst mit den wesentlich sorgfältiger elaborierten Werken eines David Lynch („Lost Highway“) aufnehmen kann.
Fazit: „The Texas Chainsaw Massacre“ ist ein großer Klassiker des Terrorfilms, der mit seiner rohen Kraft und mit seiner absurd-surrealen Atmosphäre heute noch ebenso verstörend wirkt, wie zu seiner Entstehungszeit.