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    Puppe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Puppe
    Von Ulf Lepelmeier

    Einst arbeitete Drehbuchautorin Marie Amsler auf einem abgelegenen Hof in den Pyrenäen, wo sie sich zusammen mit anderen Sozialarbeitern um die Resozialisierung von Jugendlichen bemühte. Ihre dortigen Erfahrungen mit schweren Traumata verarbeitete sie im Drehbuch zu „Puppe", das der deutsche Regisseur Sebastian Kutzli in seinem Spielfilmdebüt verfilmt hat. Es geht um ein Hilfsprojekt namens „Alpenblume", seine Spannung zieht das schroffe Jugenddrama mit Thrillerqualitäten dabei jedoch nicht aus der Situation vor Ort in den Schweizer Bergen, sondern vielmehr aus der sich langsam offenbarenden Vergangenheit der verschlossenen Protagonistin.

    Irgendwo in den Schweizer Alpen liegt das Erziehungscamp „Esperanza", dessen Mitarbeiter sich um die Wiedereingliederung von verstörten Mädchen in die Gesellschaft bemühen. Therapeutin Geena (Corinna Harfouch) hat es geschafft, die junge Anna (Anke Retzlaff) für ihr Projekt zu gewinnen und ist mit der störrischen Jugendlichen auf dem Weg ins Camp. Inmitten der unberührten Berglandschaft soll Anna, die als Straßenmädchen Furchtbares durchmachen musste, neuen Mut schöpfen und wieder Vertrauen zu Menschen fassen. Zusammen mit Lehrerin Julie (Anne Haug) betreut Geena neben der widerspenstigen Anna noch zwei weitere Mädchen. Doch dem Neuankömmling fällt es schwer, sich in das Leben auf dem idyllisch gelegenen Bauernhof einzuordnen, auch auf die therapeutischen Bemühungen Greenas will sich Anna nicht einlassen. Schon bald schmiedet sie mit der bulligen und manipulativen Magenta (Sara Fazilat) den Plan, über die Berge nach Frankreich abzuhauen...

    Im Kino wollen die Zuschauer vor allem bezaubernde Landschaften sehen und die Möglichkeit genießen, den Blick in die Ferne schweifen lassen zu können. So sieht es nach eigener Aussage zumindest Regisseur Sebastian Kutzli, dessen Interesse an Marie Amslers Drehbuch vor allem durch die Möglichkeit geweckt wurde, ein zerklüftetes Bergsetting in Szene zu setzen. Dementsprechend interessiert ihn das potentiell spannende Thema Resozialisierung auch weniger als die Thriller-Elemente des Stoffes. Die kommen gerade in den in düsteren, dreckigen Farben gehaltenen Vergangenheitsfetzen zum Tragen, in denen Schritt für Schritt Annas furchtbare Vergangenheit auf den Duisburger Straßen offengelegt wird: Drogensucht, Prostitution, Verrat und Mord setzen sich dabei zu einer wahrlich erschreckenden Vorgeschichte zusammen, alptraumhafte Erlebnisse, deren abschließende psychische Verarbeitung so gut wie unmöglich erscheint. Im wirkungsvoll scharfen Kontrast zu diesen Bildern stehen die Aufnahmen der in warmen Tönen gefilmten Berg-Idylle, die etwas geradezu Unwirkliches besitzt.

    Neben Sebastian Kutzlis beeindruckendem Stilwillen überzeugt vor allem Corinna Harfouch („Was bleibt", „Im Winter ein Jahr") als gleichermaßen strenge wie idealistische Geena. Sie verleiht der toughen Therapeutin, die mit ihren Mädchen leidet und darum ringt, ihnen eine letzte Chance auf eine Zukunft in Eigenverantwortung zu ermöglichen, die nötige Tiefe. Geena möchte den jungen Frauen in ihrer Obhut beibringen, sich in eine Gemeinschaft einzugliedern und ihnen einen Weg aufzeigen, wie sie ihr von Angst und Hass geprägtes Leben in geordnete Bahnen verlagern können. Die Arbeit mit den physisch und vor allem psychisch geschundenen Jugendlichen ist dabei äußerst schwierig und herausfordernd, von Verachtung geprägte Wortgefechte sowie plötzliche Aggressionsschübe sind an der Tagesordnung. Auch Jungschauspielerin Anna Retzlaff („Die Ausbildung") zeigt als schroffe Jugendliche, die von ihrer verdrängten Vergangenheit allmählich erdrückt zu werden droht, eine gute Leistung. Dass der Wandel ihrer Figur letztlich wenig nuanciert und ein wenig abrupt wirkt, liegt vor allem am Regisseur, der seinen Schauspielern wenig Raum zur Entfaltung lässt.

    Fazit: „Puppe" ist ein zwischen Resozialisierungsdrama und Thriller angelegter Film, dessen Fokus auf der Darstellung der schmerzlichen Erinnerungen der geschundenen Protagonistin liegt, während die Beziehung zwischen der Sozialarbeiterin und ihrer Schutzbefohlenen sowie der eigentliche Hergang der Therapie vernachlässigt wird.

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