Achtung Apokalypse: Jugendbuchautor Rick Yancey landete 2013 mit „Die fünfte Welle“ einen gut rezensierten Bestseller, dem ein Jahr später mit „Das unendliche Meer“ die erste Fortsetzung folgte, ehe die Weltuntergangstrilogie noch 2016 mit dem dritten Band „The Last Star“ abgeschlossen werden soll. Im Zentrum der Bücher steht die 16-jährige Cassie, die sich inmitten einer Alieninvasion ihrer Haut erwehren muss, und es überrascht angesichts der gegenwärtigen Schwemme von Teenager-Franchises nicht, dass die dramatischen Erlebnisse der Schülerin nun auch ins Kino kommen. Ob nach dem Reihenauftakt allerdings auch Teil 2 und 3 das Licht der Leinwand erblicken werden, bleibt abzuwarten, denn der unter der Regie von J Blakeson entstandene Film „Die 5. Welle“ entpuppt sich als wenig überzeugende Mischung: Was als Science-Fiction-Abenteuer mit viel Potential beginnt, mutiert in der zweiten Hälfte zu einer halbgaren Liebesgeschichte. Anders als im Buch will die Romanze hier nicht in den erzählerischen Rahmen einer Alieninvasion passen und außerdem kommt es vor allem gegen Ende des Films zu einigen haarsträubenden Zufällen, die nicht nur der inneren Logik, sondern auch der Spannung des Erzählten abträglich sind.
Aliens haben die Erde attackiert und die Weltbevölkerung in vier verheerenden Zerstörungswellen auf ein Minimum reduziert. Alles begann mit einem elektromagnetischen Impuls, dann rafften Fluten, Erdbeben und die Vogelgrippe die Menschheit fast komplett dahin. Die Highschool-Schülerin Cassie Sullivan (Chloë Grace Moretz) versucht mit ihrem Vater Oliver (Ron Livingston) und ihrem kleinen Bruder Sam (Zackary Arthur) in einer Schutzzone der US Army unter dem Kommando von Colonel Vosch (Liev Schreiber) in Ohio unterzukommen. Doch sie geraten in eine Falle, Oliver wird wie alle anderen Erwachsenen getötet, während die Kinder zu einer geheimen Einrichtung abtransportiert werden. Nur durch glückliche Umstände entkommt Cassie der Deportation und schlägt sich allein durch, bis sie auf den undurchsichtigen Evan Walker (Alex Roe) trifft. In der Army-Zentrale werden unterdessen Kinder zu Soldaten ausgebildet, die gegen die Außerirdischen, genannt „Die Anderen“, kämpfen sollen. Die Aufgabe wird dadurch erschwert, dass die Aliens äußerlich nicht von den Menschen zu unterscheiden sind ...
Teenager pilgern zumindest in Nordamerika öfter ins Kino als jede andere Altersgruppe und so grasen Hollywood-Produzenten natürlich auch den Markt erfolgreicher Literatur für Jugendliche und junge Erwachsene systematisch ab – erst recht nach den gigantischen Erfolgen der beiden Teenie-Franchises „Twilight“ und „Die Tribute von Panem“. Die Hoffnung auf einen ähnlichen kommerziellen Volltreffer steht hinter „Die 5. Welle“ genauso wie hinter „Maze Runner“, „Die Bestimmung“, „Ender’s Game“ und vielen anderen. Wenn man den Prognosen der Box-Office-Spezialisten Glauben schenkt, wird J Blakeson („Die Entführung der Alice Creed“) mit seiner ersten großen Hollywood-Produktion ohnehin kaum ähnliche Einspielergebnisse erreichen, aber auch erzählerisch bleibt sein Film hinter großen Teilen der Konkurrenz zurück. So wie sie hier ausgeführt ist, erweist sich insbesondere die Liebesgeschichte als Ballast, denn durch die Akzentverschiebung auf die Romanze in der zweiten Filmhälfte bleibt letztlich auch die Alien-Verschwörung unterbelichtet. Und so dürfte sich die Neugier der Nicht-Leser auf eine Fortsetzung auch dann in Grenzen halten, wenn sie erfahren, dass der lauteste Paukenschlag in Rick Yanceys Büchern erst im zweiten Band folgt.
In der ersten knappen Stunde von „Die 5. Welle“ ist die zerstörte Welt noch in Ordnung: Zwar wirken die CGI-Effekte der gigantischen Flut, die die USA überrollt, allenfalls mittelprächtig, aber atmosphärisch gefällt der Film durchaus – bis Alex Roe („Sniper: Legacy“) als mysteriöser Evan Walker sein T-Shirt auszieht und in einem See baden geht. Er soll mit seinem muskulösen Oberkörper die jugendlichen Hormone von Chloë Grace Moretz‘ Cassie in Wallung bringen - und natürlich auch die Fantasien der Teenager-Mädchen in den Kinos anregen. Aus einem apokalyptischen Jugend-Abenteuer wird hier mit einem Mal eine schwülstige Teenie-Romanze. Nun ist natürlich nichts gegen etwas Schmachten und Schwärmen einzuwenden, selbst die auf- und sicher nicht zufällige Ähnlichkeit des Newcomers Roe mit einem gewissen Robert Pattinson ist im Prinzip nur eine Randnotiz. Aber wenn der innerlich zerrissene Evan gleich mehrfach zu Monologen über das Leben, die Liebe und das Menschsein ansetzt, dann wirkt das in seiner feierlichen Ernsthaftigkeit nicht nur aufgesetzt, sondern geradezu komisch – fast wähnt man sich in einer „Twilight“-Parodie. Der arme Alex Roe ist an diesem Eindruck übrigens weitgehend unschuldig, es ist vielmehr den Drehbuchautoren Susannah Grant („Erin Brockovich“) und Akiva Goldsman („The Da Vinci Code“) anzulasten, dass sie die Wendung ins Gefühlige nicht besser vorbereitet haben.
Abel Ferrara hat in seiner „Die Dämonischen“-Variante „Body Snatchers“ gezeigt, wie sich Teenagerängste und Alien-Invasions-Story erzählerisch überzeugend unter einen Hut bringen lassen. Das gelingt den Filmemachern hier nicht, was auch daran liegt, dass es sich bei „Die 5. Welle“ um den Auftakt einer Trilogie handelt. Doch das ist keine Erklärung für die Willkür, die in einigen Szenen des letzten Filmdrittels zum Vorschein kommt: Da treffen Figuren zusammen wie aus dem Nichts und Handlungsfäden werden überaus grob verknüpft. Es sind am Ende die Schauspieler, die den Film einigermaßen zusammenhalten: Die vielseitige Hauptdarstellerin Chloë Grace Moretz, deren Spektrum vom Kunstfilm („Die Wolken von Sils Maria“) bis zur kultigen Comic-Verfilmung („Kick-Ass“) reicht, macht auch aus der Rolle des ganz gewöhnlichen Teenagers in einer absoluten Ausnahmesituation das Beste – ihre Cassie ist eine ideale Identifikationsfigur für das junge Publikum. Die anderen Jungdarsteller – neben Roe sind vor allem Nick Robinson („Jurassic World“) als Footballer Ben Parish (alias Zombie) sowie Maika Monroe („It Follows“) als schräge Scharfschützin Ringer zu nennen – machen ihre Sache ebenfalls ordentlich, während die gestandenen Hollywood-Recken Maria Bello („Prisoners“) als Sergeant Reznik und Liev Schreiber („Spotlight“, „Ray Donovan“) in ihren 08/15-Bösewichtrollen unterfordert wirken, wobei letzterer immerhin noch von einer dezenten Aura des Mysteriösen umgeben wird.
Fazit: Etwas „Maze Runner“, eine Prise „Body Snatchers“, dazu ein Touch „Twilight“: Die Zutaten für J Blakesons Science-Fiction-Abenteuer-Romanze „Die 5. Welle“ sind durchaus vielversprechend, aber die Mischung misslingt.