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    Keine gute Tat
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Keine gute Tat
    Von Carsten Baumgardt

    „Keine gute Tat“ - das ist ganz gewiss die größte Untertreibung bei der Filmbetitelung im gesamten Jahr 2014. Denn von einer guten Tat ist der Massenmörder-Protagonist in Sam Millers gradlinigem Thriller so weit entfernt wie Jeffrey Dahmer von einer Senior-Mitgliedschaft im Knabenchor. Doch der kuriose Titel ist letztlich sogar einer der interessanteren Aspekte eines ansonsten überaus berechenbaren Werks: „Keine gute Tat“ ist filmische Stangenware und steckt voller Klischees. Die beiden guten Hauptdarsteller Idris Elba („Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“) und Taraji P. Henson („Der seltsame Fall des Benjamin Button“) bemühen sich zwar nach Kräften, die Schwächen des Drehbuchs und der bieder-uninspirierten Inszenierung zu überspielen, haben aber angesichts einer fast nicht vorhandenen Figurenzeichnung und der 08/15-Dramaturgie kaum eine Chance.

    Der verurteilte Totschläger Colin Evans (Idris Elba) gibt nach fünf Jahren im Gefängnis in Knoxville, Tennessee, vor, geläutert zu sein und stellt einen Antrag auf Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung. Als der abgelehnt wird, zeigt Colin auf der Rückfahrt in den Knast sein wahres Gesicht, tötet die zwei Wachleute des Gefangenentransports und flieht. Seine erste Anlaufstation in der „Freiheit“ ist seine Freundin Alexis (Kate del Castillo). Er findet heraus, dass sie sich einen neuen Liebhaber gesucht hat und bringt seine Jetzt-Ex kurzerhand um. Anschließend macht sich der Mörder auf den Weg nach Atlanta, Georgia, um Jeffrey Granger (Henry Simmons) und Familie einen Besuch abzustatten, der Anwalt hat ihn bei seiner Verhandlung vertreten. Als der Gewalttäter an der Tür klingelt, sind allerdings nur Jeffreys Frau Terri (Taraji P. Henson) sowie die beiden Kinder Ryan (Mirage Moonschein) und Baby Sam daheim. Terri lässt den charmanten, hilfesuchenden Colin während eines schweren Unwetters ins Haus, aber als ihre beste Freundin Meg (Leslie Bibb) dort auftaucht, fällt seine Maske…

    Der große Schwachpunkt von „Keine gute Tat“ ist schnell ausgemacht: das einfallslose Drehbuch von Aimee Lagos („96 Minuten“). Da kann sich Sam Miller („Luther“) noch so mühen, aus dem müden Stoff Spannung zu kitzeln, am Ende stolpert er immer wieder über die vorhersehbaren und abgenutzten Handlungsmuster und über die holzschnittartig gezeichneten Figuren. Zum Glück hat der Regisseur aber immerhin zwei exzellente Hauptdarsteller, die dafür sorgen, dass es in „Keine gute Tat“ wenigstens ein paar unterhaltsame Einzelszenen gibt. Millers „Luther“-Kollaborateur Idris Elba und Co-Protagonistin Taraji P. Henson liefern sich ein solides Psychoduell und spielen vor allem in den ruhigeren Momenten ihre darstellerischen Qualitäten aus. Hier ist das weibliche Opfer (in einer der wenigen Abweichungen von überkommenen B-Movie-Mustern) zudem keineswegs wehrlos, denn als ehemalige Staatsanwältin im Mutterschutz weiß Terri sich zu verteidigen. Taraji P. Henson zeigt sich dem charismatischen „The Wire“-Star Elba gewachsen, während die hübsche Leslie Bibb („Iron Man“) im Prinzip nur für einen pikanten Dreierdialog mit den beiden Hauptfiguren gebraucht wird.

    Für einen psychologischen Unterbau ist in „Keine gute Tat“ allerdings kein Platz. Wodurch Colin Evans zu einem krankhaften Narzisst mit fatalem Hang zu Mord und Totschlag geworden ist (eine Diagnose, die er sich übrigens mit dem oben bereits erwähnten Massenmörder Jeffrey Dahmer teilt), wird erzählerisch nicht ergründet und nirgendwo festgemacht. Colin ist halt einfach ein Psychopath – diese „Begründung“ muss reichen. Zwei Gefängnisbeamte und die (Ex-)Freundin mal eben kaltzumachen, ist für ihn offenbar nichts Besonderes, schon wenn ihm jemand zu viel plappert, gibt es mit der Schaufel einen vor den Kopf. Mit dieser radikalen Reduzierung auf ein anfälliges Nervenkostüm und eine extreme Mordlust wird die Figur zur Leerstelle. Colin kann sich zeitweise hinter einer charmanten Fassade verstecken, aber es dauert nicht sehr lange, dann bricht wieder der „Hulk“ in ihm durch. Diese seltsamen Transformationen inszeniert Sam Miller dann auch noch ausgesprochen plakativ mit musikalischen Fanfaren und Zeitlupen.

    Nachdem einmal die Grundkonstellation etabliert ist, spielt sich fast alles in Terris Haus inmitten einer dauerverregneten Sturmnacht ab, doch der Regie fehlt die Finesse und so gewinnt Miller auch dieser Konzentration auf einen einzigen Schauplatz keine besonders wirkungsvollen Momente ab. Das mag auch daran liegen, dass die Gewaltdarstellung moderat ausfällt, damit der Film eine US-Freigabe PG-13 erhält, die Jugendlichen den (unbegleiteten) Kinobesuch ermöglicht. Heißt: Miller blendet weg, bevor es zu blutig und brutal wird. Das verharmlost die Taten des Psychopathem Collins in gewisser Weise, weil sie durch diese Zurückhaltung kaum in ihrer ganzen tragischen Tragweite spürbar werden. Die tödliche Konsequenz seines Handelns bleibt eine bloße Idee und die Gewalt wirkt ähnlich abstrakt wie in vielen Videospielen.

    Fazit: Sam Millers mäßiger Home-Invasion-Thriller „Keine gute Tat“ überzeugt durch das engagiert-intensive Schauspiel der beiden Hauptdarsteller Idris Elba und Taraji P. Henson, krankt aber an einer zu berechenbaren, klischeebeladenen Geschichte, die auch nicht sonderlich raffiniert in Szene gesetzt wird.

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