Horror-Spezialist James Wan hat sich in Hollywood auf rabiat-provokante Weise einen Namen gemacht – das von ihm gestartete „Saw“-Franchise beförderte die Spielart des „Torture Porn“ in die Lichtspielhäuser. Der fies-brutale Folter-Horror erwies sich als wahre Goldgrube für das Studio: Viele Menschen (vor der Leinwand) haben einfach eine Riesengaudi dabei, andere Menschen (auf der Leinwand) leiden zu sehen. Nach einem durchwachsenen Intermezzo mit „Dead Silence“ und „Death Sentence“ meldete sich Wan 2011 zurück in der Erfolgsspur – und vollzog mit dem Geister-Horror „Insidious“ eine radikale Stiländerung gegenüber „Saw“. Nun setzte er auf wohlige Gänsehaut statt auf blutig-perfide Ekel-Action - und dabei bleibt er auch 2013. Nachdem er uns auf diesem Wege mit „Conjuring - Die Heimsuchung“ DEN Gruselfilm des Jahres bescherte, lässt er nun „Insidious: Chapter 2“ folgen. Mit der Fortsetzung führt Wan genau das weiter, was er in Teil 1 begann und so frisst sich auch der neue Grusel-Schocker unerbittlich in die Gehirne der Zuschauer. „Insidious: Chapter 2“ ist dabei ähnlich unheimlich wie „The Conjuring“, dafür aber dramaturgisch längst nicht so ausgefeilt und teilweise sogar richtiggehend banal.
Am Ende von Teil eins befreite Josh Lambert (Patrick Wilson) seinen Sohn Dalton (Ty Simpkins) aus einer von Geistern und Dämonen bevölkerten Zwischenwelt. Bei dieser Rettungsaktion blieb das Medium Elise (Lin Shaye) auf der Strecke. Zu Beginn des zweiten Teils wird nun Elises Leiche entdeckt und der Verdacht der Polizei fällt auf Josh, der seit seinem Ausflug in die unheilvolle Zwischenwelt von einem bösen Geist besessen zu sein scheint. Die unheimlichen Geschehnisse im Haus der Lamberts treiben Joshs Frau Renai (Rose Byrne) an den Rand des Wahnsinns, während seine Mutter Lorraine (Barbara Hershey) sich mit den beiden Geisterexperten Specs (Leigh Whannell) und Tucker (Angus Sampsons) selbst auf Spurensuche begibt. Eile ist geboten, denn Josh fällt es immer schwerer, sich gegen die Kräfte aus der Geisterwelt zur Wehr zu setzen.
James Wan hat laut eigener Aussage vorläufig die Nase voll vom Horror. Doch bevor er dem Genre, das ihn groß gemacht hat, den Rücken kehrt und mit „Fast & Furious 7“ in ganz andere Box-Office-Sphären vorstößt, legt er mit „Insidious: Chapter 2“ noch einmal Altbewährtes vor, was sich angesichts des günstigen Kosten-Nutzen-Faktors (Budget hier: fünf Millionen Dollar) als wahres Geschenk an das Studio erweist. Inhaltlich ist das zweite Kapitel der Horrormär nicht weiter bemerkenswert, aber James Wan zeigt auch bei dieser kleinen Fingerübung, dass er es brillant versteht, in klassischer Manier und ohne große neumodische Schnörkel eine unheimliche Atmosphäre zu etablieren. Er jagt dem aufgeschlossenen Horror-Freund nahezu permanent einen Schauer über den Rücken, denn er weiß ganz genau, wie man effektiv auf der Klaviatur des Grauens spielt: Knatschende Türen und Fenster, sich wie von selbst bewegende Objekte, nicht lokalisierbare Geräusche und allerlei anderer Grusel-Mummenschanz finden sich in Wans Regie-Repertoire.
Auf die auch im Horrorgenre inzwischen durchaus übliche Zugabe von Ironie verzichtet James Wan weitgehend, die gewünschte Gruselwirkung ist bei einem im Kern ernsten Film einfach leichter zu erzielen. Da hätte er allerdings durchaus noch konsequenter sein dürfen, denn Co-Autor Leigh Whannell kalauert sich auch diesmal als geisterjagender Sidekick Specs durch eine alberne Nebenhandlung, was wie schon im ersten Teil ebenso ärgerlich wie überflüssig ist. Die wenigen zündenden Lacher sind es nicht wert, die gruselige Grundatmosphäre und den Spannungsaufbau zu stören. Am stärksten ist „Insidious: Chapter 2“ nämlich, wenn Wan sich auf seine Hauptfigur Josh, den Dreh- und Angelpunkt des Films, konzentriert. Hier ist der Grusel-Reißer auch am abgründigsten: Ist Josh schon der dunklen Seite verfallen oder hat jemand ganz anderes von ihm Besitz genommen? Und wer ist Josh überhaupt? Die Erschütterung der Wahrnehmungs- und Wirklichkeitsebenen verstärkt der Regisseur mit munteren Wechseln zwischen dem „normalen“ Leben der Lamberts und der Zwischenwelt, dabei springt er auch in der Zeit immer wieder vor und zurück: Da taucht dann plötzlich der Gegenwarts-Josh im Hintergrund einer alten Videoaufnahme aus dem Jahr 1986 mit dem Jungspund-Josh auf – ein wahrlich gruseliger Effekt!
Die Geister, die Josh einst rief, um seinen Sohn Dalton zu retten, werden immer aggressiver und präsenter, je näher der große Showdown zwischen den Welten rückt – den großen Spannungsbogen hat James Wan vorbildlich raus. So gut „Insidious Chapter 2“ aber auch auf der Gruselebene funktioniert, so wenig Substanz bietet der Film inhaltlich. Die Übergänge zwischen den Welten sind zuweilen unfreiwillig komisch, die ganze Geschichte ist bei näherer Betrachtung ziemlicher Nonsens. Wer sich daran allerdings nicht stört, dem wird „Insidious Chapter 2“ gehöriges Grusel-Vergnügen bereiten, dafür sorgt auch die Besetzung: Patrick Wilson („Watchmen“) gehört zwar nicht zur ersten Garde Hollywoods, aber sein solides Talent ist hier genau richtig investiert – der Eindruck einer gewissen Behäbigkeit macht seine Figur letztlich noch unberechenbarer. Rose Byrne („Brautalarm“) wiederum spielt den Prototypen der hysterischen Sirene wie aus dem Bilderbuch. Sie nervt, weil sie nerven muss, und das macht sie gut. Die besten Charisma-Momente hat Steve Coulter („Arthur Newman“) als Super-Senior-Geisterjäger Carl, der erst spät die Szene betritt und die Würfel rotieren lässt, um mit der übernatürlichen Welt in Kontakt zu treten. Coulter ist cool - und bringt Schwung ins Figurenkabinett.
Fazit: Mit dem Horrorfilm „Insidious Chapter 2“ liefert James Wans bei seiner vorläufigen Abschiedsvorstellung im Horrorgenre solide Old-School-Grusel-Kost mit viel schauerlicher Atmosphäre und wenig inhaltlicher Raffinesse.