Der Ausgangspunkt für den ersten Kinofilm des homosexuellen Autors und Regisseurs Ringo Rösener (in Zusammenarbeit mit Markus Stein, der für die Co-Regie und den Schnitt verantwortlich zeichnet) ist ein ebenso persönliches wie filmhistorisches Problem. Der 1983 geborene Rösener stellte einen Mangel an homosexuellen Identifikationsfiguren im DDR-Film fest und generell fehlte ihm das Verständnis für den Alltag von Schwulen in der DDR. Drum schwang sich der Filmemacher auf sein Rad und fuhr nicht nur in den Spuren filmischer Vorbilder durch Berlin, sondern suchte auch schwule Männer auf, die den Sozialismus überlebten. Die Ergebnisse seiner Recherche sind mal amüsant, mal erschreckend, jedoch insgesamt nicht sehr aufschlussreich. Denn trotz eines starken Einstiegs und einprägsamer Schlussbilder wird Rösener seinem eigenen aufklärerischen Anspruch nur selten gerecht.
Die sechs Männer, die Ringo Rösener vor die Kamera locken kann, äußern sich anfangs nur widerwillig über ihre Vergangenheit als Homosexuelle in einem sozialpolitischen System, in dem jeder Ausdruck von abwegiger Individualität verpönt war. Wo totaler Konformismus zur Tagesordnung gehörte, fand das schwule Leben nur in sozialen Randzonen und im Nachtleben statt. Obwohl gleichgeschlechtliche Liebe in der DDR nicht unter Strafe stand und auch die von den Nazis vorgenommene Verschärfung des Paragraphen 175 anders als in der Bundesrepublik rückgängig gemacht wurde, durfte man nicht gerade gesellschaftliche Toleranz erwarten. Davon berichten unter anderen der scheue Künstler Jürgen Wittdorf, der damals heimlich in seine Aktmodelle verliebt war, der extravagante Friseur Frank Schäfer, der intelligente Aktivist Eduard Stapel, der auch mal mit den Spionen der Stasi ins Bett ging, der heute 78-jährige Latein- und Sportlehrer Christian, dessen Vater für die sofortige Hinrichtung von Schwulen plädierte, und John Zinner, der sich in einem Dorf im Thüringer Wald zu seiner Homosexualität bekannte und die schlimmen Folgen nun als lächelnde Glasprinzessin kommentiert.
Rösener präsentiert „Unter Männern – Schwul in der DDR" als erste Dokumentation, in der nach der mal versteckten, mal offenen Existenz schwulen Lebens in der DDR gefragt wird und immerhin erhalten wir dazu einen groben historischen Überblick. Das konservative soziale Klima sorgte dafür, dass homosexuelle Neigungen in den 1940ern und 50ern vollständig unterbunden wurden. In den beiden folgenden Jahrzehnten wurden sie dann an einigen wenigen Orten wie Kneipen oder öffentlichen Toiletten in den 1960ern und 70ern kurz und intensiv ausgelebt, ehe in den 1980ern eine schwule Bürgerrechtsbewegung entstand. Dieser Rahmen ist ohne die individuelle Konkretisierung jedoch wenig aussagekräftig und hier haben die Filmemacher Probleme, denn die stimmige Zusammenführung der so unterschiedlich interessanten Lebensbeichten gelingt nicht so recht. Während ein Paradiesvogel wie der Friseur Frank Schäfer mit seinen amüsanten Anekdoten und Fragen („Stell dir vor, du wachst auf und bist nicht schwul. Zum Glück passiert das nicht!") einen eigenen Film verdient hätte, lassen sich andere Interviewpartner kaum aus der Reserve locken.
Fazit: Ringo Rösener und Markus Stein beleuchten in ihrer engagierten, aber unausgegorenen Doku „Unter Männern – Schwul in der DDR" ein wichtiges, bislang nur stiefmütterlich behandeltes Kapitel ostdeutscher Geschichte. Dabei bleiben sie insgesamt aber zu sehr an der Oberfläche und nutzen weder das Informations- noch das Unterhaltungspotenzial des Stoffes aus.