Der Verzicht auf körperliche Liebe ist für Gottesdiener, zumal wenn sie sich in die Abgeschiedenheit eines Klosters zurückgezogen haben, oftmals ein schweres Kreuz, das sie unter Mühen tragen. Nicht selten verführt der Mangel an sexuellen Projektionsflächen dann erst recht dazu, dass sich diese Menschen an den ihnen verbotenen Früchten versuchen – selbst am Ende der Welt und unter widrigsten Bedingungen findet die Leidenschaft einen Weg in Herzen und Lenden. In Spiros Stathoulopoulos' hypnotischem Glaubensdrama „Metèora" sind die Umstände in vielerlei Hinsicht extremer Natur. So schwer es den Liebenden hier spirituell wie geografisch fällt, ihren Trieben nachzugehen, so schwer wird es auch so mancher Zuschauer finden, einen Zugang zu Stathoulopoulos' hochgradig artifiziellem Film zu finden. Tatsächlich aber lohnt die beschwerliche Erfahrung hier wie dort.
In den abgeschiedenen und von urbaner Zivilisation unbehelligten Gebirgen Thessaliens liegen die legendären Metèora-Klöster. Während der Mönch Theodorus (Theo Alexander) in einem Kloster auf einem Berg, der nur durch eine steile Treppe erreichbar ist, seinen von Ritualen bestimmten Alltag fristet, liegt auf einem gegenüberliegenden Berg das Domizil der Metèora-Nonnen. Dieses Heim ist jedoch nur durch ein Netz erreichbar, an dem die Nonnen, wenn sie ihr Kloster verlassen, per Flaschenzug herabgelassen werden. Dort lebt eine namenlose Nonne (Tamila Koulieva), in die sich Theodorus bei einer flüchtigen Begegnung unsterblich verliebt. Zuerst fällt ihr Kontakt eher verschämt und verschüchtert aus, doch mehr und mehr gestehen sich beide ihre Gefühle ein. Bei einem Picknick unternimmt Theodorus einen ersten Annäherungsversuch...
Was leicht zu einem geschwätzigen Film über das Für und Wider des Zölibats hätte werden können, gerät in den Händen des Jungregisseurs Stathoulopoulos zu einer wortkargen Meditation über das Ringen zwischen Glaube, Liebe und Eros in den Herzen und Köpfen seiner Protagonisten. Das ist schwerer Stoff, langweilig aber ist er keineswegs. Mit bedächtig-pointierten Schnitten variiert der Regisseur geschickt das ruhige Grundtempo, so dass „Metèora" bei aller Entschleunigung doch nicht auf der Stelle tritt. Erhaben schwebt der Film 80 Minuten dahin und wir können in unprätentiösen Aufnahmen vom alltäglichen Tagwerk seiner Helden und von der rauen doch malerischen Schönheit des thessalischen Hinterlandes schwelgen.
Überraschend kommen auch animierte Szenen zum Einsatz, die auf kauzige Art und Weise – der Zeichenstil sieht aus wie eine Mischung aus „Persepolis", Monty-Python-Cartoons und mittelalterlichen, christlichen Freskenmalereien – das Seelenleben der Liebenden illustrieren. Wo andere Filmemacher sich vom moralischen Zeigefinger hätten leiten lassen, verdammt Stathoulopoulos weder seine Liebenden für ihre Wollust, noch das Zölibat für die mit ihm einhergehende Selbstverleugnung. Stattdessen thematisiert der Filmemacher den rational nicht lösbaren Konflikt und findet einen ebenso spirituellen wie körperlichen Lösungsansatz, der nie schwülstig oder gar verlogen wirkt. Und das ebenso konkrete wie geheimnisvolle Ende will ohnehin mehr erfühlt als verstanden werden.
„Metèora" ist Arthouse-Kino der elegischsten Art – ein Kinopublikum auf der Suche nach bombastischen Schauwerten, treibender Handlung und deutlich ausformulierten Dialogen wird hier eher keine Freude haben. Stathoulopoulos' Debüt wirkt wie eine Mischung aus Michelangelo Frammartinos elliptischem Filmgedicht „Vier Leben" und Lech Majewskis experimentellem Kunstwerk „Die Mühle und das Kreuz". Zwischen diesen beiden Vorzeigeexemplaren europäischer Kinopoesie fügt sich „Metèora" harmonisch ein.
Fazit: Mit „Metèora" ist Spiros Stathoulopoulos ein einnehmendes Stück Filmkunst gelungen, das seinem Publikum Konzentration, Geduld und Offenheit abverlangt. Wer sich darauf einlässt, wird mit wahrer Kinomagie belohnt.