Lange Jahre galten Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri als das Traumpaar des französischen Kinos. Besonders mit den von Jaoui auch inszenierten Komödien „Lust auf Anderes“ und „Schau mich an!“ konnte das Duo große Erfolge verbuchen. Nach sechs zusammen verfassten Drehbüchern und zahlreichen gemeinsamen Filmauftritten war Agnès Jaouis dritter Regiearbeit „Erzähl mir was vom Regen“ allerdings anzumerken, dass der Kreativitätsmotor etwas ins Stocken geraten war. Mittlerweile geht das einstige Paar privat getrennte Wege, mit dem von Märchenmotiven durchzogenen „Unter dem Regenbogen“ setzen sie ihr gemeinsames Schaffen trotzdem fort. Die private Trennung hat ihnen dabei beruflich nicht geschadet: Mit ihrer sehenswerten Tragikomödie setzen sie am ewige Glückseligkeit versprechenden traditionellen Märchenende an und erzählen inmitten eines Patchwork-Familienkosmos auf ironische Art vom Beziehungsalltag.
Die naive Schönheit Laura (Agathe Bonitzer) trifft auf einer Party auf ihren Traumprinzen Sandro (Arthur Dupont). Die Tochter aus wohlhabendem Hause und der zurückhaltende Komponist können fortan nicht mehr voneinander lassen und stürzen sich in eine Beziehung, die schon bald vom intriganten Musikkritiker Maxime Wolf (Benjamin Biolay) auf eine harte Probe gestellt wird. Lauras Tante Marianne (Agnès Jaoui) hat sich hingegen gerade erst von ihrem Mann getrennt und verfolgt besorgt, wie sich ihre jugendliche Tochter zur Bibelfanatikerin entwickelt. Zugleich nimmt die erfolglose Schauspielerin, die gerade eine Märchenaufführung mit Kindergartenkindern einstudiert, wieder Fahrstunden. Ihr Fahrlehrer Pierre (Jean-Pierre Bacri) muss dabei nicht nur ihr Gejammer aushalten, sondern auch noch zu Hause die Kinder seiner jungen Freundin ertragen. Zudem wurde ihm vor Jahrzehnten sein Todesdatum vorhergesagt und je näher der angebliche Schicksalstag rückt, desto mehr glaubt er an die Prophezeiung.
„Unter dem Regenbogen“ zeichnet sich besonders durch die verspielte Einbindung von zahlreichen Märchenmotiven aus: Das Zusammentreffen von Laura und Sandro ist etwa an „Cinderella“ angelehnt, Lauras auf ewige Schönheit bedachte Mutter lässt Assoziationen zu „Schneewittchen“ aufkommen und auch Versatzstücke aus „Rotkäppchen“, „Dornröschen“ oder „Das hässliche Entlein“ lassen sich im bunten Märchenreigen ausmachen. Trotz dieser Motive bleiben die diversen, von Liebesfreud und -leid erzählenden Geschichten stets im hier und jetzt verankert. Die Verbindung von Märchen und Realität deutet Regisseurin Agnès Jaoui dabei mit kaum wahrnehmbaren Überblendungen von aquarellähnlichen Standbildern in bewegte Filmbilder an, die oft die Szenenwechsel einleuten.
Als Rat gebende Tante, hoffnungslose Fahrschülerin und bemühte Organisatorin eines Märchentheaterstücks steht Regisseurin Agnès routiniert im Zentrum des Films. Wie eine gute Fee wirkt ihre Marianne, bei der alle Fäden des nicht ganz leicht zu durchschauenden Figurenreigens zusammenfinden. Agathe Bonitzer („Das schöne Mädchen“) und Arthur Dupont („Die Köchin und der Präsident“) geben als verwöhnt-wankelmütige Prinzessin und sympathischer Jungkomponist ein süßes Paar ab, das sich allzu leicht von dem charmant-bösartigen Verführer Maxime Wolf manipulieren lässt, in dessen Rolle Benjamin Biolay („Die Meute“) aufzutrumpfen weiß. Jean-Pierre Bacri („Typisch Familie!“, „Cherchez Hortense“) schaut als sich immer mehr in seine Todesprophezeiung hineinsteigernder Fahrlehrer Pierre vor allem herrlich zerknittert drein.
Die lose an märchenhafte Motive angelehnte Liebesbeziehung des jungen Paares ist als Ausgangsidee zwar äußerst charmant, wirkt angesichts der in der modernen Welt verhafteten Figuren bisweilen aber etwas übertrieben und künstlich. Die Rededuelle und Liebesnöte der neurotischen Elterngeneration sind dagegen deutlich natürlicher und pointierter geraten. Hier befindet sich das eingespielte Drehbuchgespann Jaoui/Bacri in bekannten Gewässern und kann mit seinem typischen humorvollen und zugespitzten Diskussionsstil überzeugen. Da verwundert es wenig, dass gerade die geschwätzigen Fahrstunden, bei denen das Duo selbst die Gesprächspartner verkörpert, besonders gelungen sind.
Fazit: In „Unter dem Regenbogen“ verlegen Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri ihre typischen Themen- und Figurenkonstellationen samt der auf den Punkt genauen Dialoge in den Märchenwald, was der schon etwas eingefahrenen Tragikomödienformel des Gespanns einen neuen fantasievollen Anstrich verpasst.