Als die Mutter aller Schlachten wird in Russland der Kampf um Stalingrad bezeichnet, in der im Winter 1942/43 rund 700.000 deutsche und russische Soldaten starben. Noch während des Krieges zu Propagandazwecken missbraucht, entstanden später zahlreiche filmische Aufarbeitungen, zum Beispiel von Joseph Vilsmaier („Stalingrad“) und Jean-Jacques Annaud („Duell - Enemy at the Gates“). Nun nimmt sich der russische Erfolgsregisseur Fyodor Bondarchuk („Die neunte Kompanie“) dem Geschehen an, verpulverte die für russische Verhältnisse immense Summe von 30 Millionen Euro und inszeniert ein brillant ausgestattetes, teilweise bildgewaltiges, aber ideologisch fragwürdiges Kriegsepos, das mit einfältig gezeichneten Stereotypen von einem heroischen russischen Opfergang erzählt. In Russland fand er so sein Publikum: Bondarchuks „Stalingrad 3D“, der erste nicht-amerikanische Film der komplett im 3D-Imax-Format gedreht wurde, ist der bis dato erfolgreichste russische Film.
Japan, der heutige Tag. Nach einem Erdbeben sind auch einige Deutsche verschüttet. Russische Hilfstruppen unterstützen die Bergungsarbeiten. Um eine der Deutschen zu beruhigen, erzählt der Russe Gromov (Pyotr Fyodorov) von seinen fünf Vätern: Während des Krieges lebte seine zukünftige Mutter Katya (Maria Smolnikova) in den Ruinen der zerbombten Stadt Stalingrad - als einzige Überlebende ihrer Familie. Nach einem missglückten Angriff auf deutsche Stellungen müssen sich fünf russische Soldaten unterschiedlichsten Charakters in Katyas Haus verschanzen. Während die Russen das strategisch wichtige Haus verteidigen, wird der deutsche Offizier Kahn (Thomas Kretschmann) mit der Zurückeroberung beauftragt. Doch Kahn – Abkömmling einer noblen preußischen Familie – ist längst vom Grauen des Krieges angewidert und hat in der schönen, blonden Russin Masha (Yana Studilina) ein Ebenbild seiner verstorbenen Ehefrau gefunden. Unerbittliche Kämpfe folgen…
Was der vor allem für seinen Science-Fiction Zweiteiler „Dark Planet - Prisoners Of Power“ bekannte Fyodor Bondarchuk an Schauwerten auffährt, ist wahrlich eindrucksvoll: Weitläufige Straßenschluchten, komplett mit Schutt und Asche bedeckt, überwältigende, geradezu epische 3D-Bilder der Zerstörung. Jede Kamerafahrt über die Ruinen der umkämpften Stadt vermittelt einen Eindruck von den schweren Kämpfen, die im Winter 1942/43 die Stadt an der Wolga erschütterten. Dass Bondarchuk diese Bilder, wie im zeitgenössischen russischen Mainstream-Kino weit verbreitet, mit einem extremen Farbfilter überzieht, der jede Aufnahme zwar gestochen scharf und farbdurchsättigt erscheinen lässt, aber auch extrem künstlich, führt dann jedoch zum ersten Problem seines Kriegsepos.
Man kann einem russischen Regisseur natürlich schwerlich vorwerfen, einen patriotischen Film gedreht zu haben, der den Heroismus der eigenen Truppen in den Vordergrund stellt, Hollywood macht es schließlich nicht anders. Doch in „Stalingrad 3D“ werden auf höchst einfältige Weise Klischees bedient, wird so tendenziös erzählt, dass sogar historische Wahrheiten kurzerhand auf den Kopf gestellt werden. Während es auf russischer Seite keine einzige Figur gibt, die sich nicht ausnahmslos heroisch verhält, bereit ist, sein Leben für den Sieg des Vaterlandes zu opfern (was ganz unabhängig von anderen Faktoren eine fragwürdige Ideologie ist), werden auf deutscher Seite zwei Extreme präsentiert: Zum einen der preußische Offizier Kahn, der den Krieg längst ablehnt und nur noch widerwillig seine Befehle befolgt. Doch dieser Mann ist inzwischen so verroht, dass er sein russisches Protege Masha aus Wut über eine verlorene Schlacht kurzerhand vergewaltigt – Was Masha merkwürdigerweise versteht und dazu führt, dass sie sich in ihn verliebt…
Kahn gegenübergestellt ist der kahlköpfige Oberst Khenze (laut Originalabspann gespielt von einem Khayner Lauterbakh, in Deutschland besser bekannt als Heiner Lauterbach), der ganz dem Film-Klischee des sadistischen Nazis entspricht. Mag sein, dass anhand dieser beiden Figuren eine differenzierte Sicht auf die deutschen Truppen angedeutet werden soll, im Endeffekt bleiben sie aber nur Chiffren. Zumal es Bondrachuk ohnehin nicht um das große Ganze geht. Die reichlich absurd anmutende Rahmenhandlung ermöglicht zwar den Einsatz eines Erzählers, der gelegentlich auf den größeren Kontext der Schlacht um Stalingrad eingeht, doch im Kern geht es allein um die heroische Verteidigung eines Hauses. Von diesem wird behauptet, dass es kriegsentscheidend wichtig sei, da es den deutschen Truppen den Weg zur Wolga versperrt und somit bis zum Tod verteidigt werden muss. So wird in „Stalingrad“ die Selbstaufopferung einer Gruppe Soldaten zum nicht zu hinterfragenden Opfergang stilisiert. Dass dieser Heroismus in einer Nation auf große Resonanz stößt, die seit dem Ende des Kalten Krieges auf der Suche nach einstiger Bedeutung ist, überrascht nicht. Von der schonungslosen Darstellung der Grauen des Krieges, wie sie etwa seinem russischen Landsmann Elem Klimov in seinem Meisterwerk „Komm und sieh“ gelang, ist Fyodor Bondarchuk mit seinem heroischen, unkritischen Kriegsepos „Stalingrad“ jedoch weit entfernt.
Fazit: Fyodor Bondarchuks „Stalingrad“ ist bildgewaltiges, bombastisches Kriegskino, das die Schlacht um Stalingrad zum heroischen Opfergang russischer Soldaten stilisiert. Als Actionkino zwar überzeugend, ideologisch aber mehr als fragwürdig.