Seit dem Überraschungserfolg von Marcus H. Rosenmüllers „Wer früher stirbt, ist länger tot" mit rund 1,8 Millionen Zuschauern gehört die neue bayerische Heimatkomödie zum festen Bestandteil des deutschen Kinoprogramms. An die Zahlen von Rosenmüllers erfrischend schwarzhumorigem Spaß konnte von den vielen Epigonen bislang nur Markus Goller mit „Eine ganz heiße Nummer" annähernd anknüpfen. Mit Christian Lerch will es ihm nun einer gleichtun, der entscheidenden Anteil an der ursprünglichen Erfolgsgeschichte hatte. Der Co-Autor von „Wer früher stirbt, ist länger tot" baut bei seinem Regiedebüt „Was weg is, is weg" auf die erprobten Zutaten. Angefangen bei dem selbstverständlichen Einsatz der bayerischen Mundart über den leicht makabren Humor und die bisweilen ziemlich lakonischen Figuren bis hin zu einem ähnlich griffigen Titel. Allerdings kommt er nicht ganz an den Charme der Lausbubengeschichte von Kollege Rosenmüller heran: Zu formelhaft wirkt der Zutatenmix und Lerch fehlt ein Sympathieträger wie es der kleine Sebastian in „Wer früher stirbt, ist länger tot" ist. Punkten kann Lerch bei seiner sehr freien Adaption des Romans „Bellboy - oder ich schulde Paul einen Sommer" von Jess Jochimsen dagegen mit seiner liebevollen Achtziger-Jahre-Kulisse, die viel Zeitkolorit versprüht.
Im Jahr 1968 mussten die Brüder Paul (Mathias Kellner), Lukas (Florian Brückner) und Hansi (Maximilian Brückner) Baumgarten als kleine Jungs mitansehen, wie ihr Onkel Sepp (Johann Schuler) bei der Präsentation einer selbst erfundenen neuen Maschine zur Energiegewinnung einen Stromschlag erlitt und daraufhin ins Koma fiel. Zwanzig Jahre später pflegt ihre Mutter (Johanna Bittenbinder) sehr zum Leidwesen des Gatten (Heinz Josef Braun) den immer noch komatösen Onkel, während sich die drei Brüder in ganz unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Hansi ist ein windiger und etwas prolliger Versicherungsvertreter, Lukas dagegen ein Weltverbesserer, der wacker gegen die Atomkraft kämpft und die nächsten Monate auf einem Greenpeace-Boot verbringen will. Paul wiederum verrichtet einfachste Arbeiten in der Kneipe von Metzger Much (Jürgen Tonkel) und dessen Frau Gini (Nina Proll), die allerdings vor dem finanziellen Ruin stehen. Ein Problem, das man laut Hansi mit einem kleinen „Arbeitsunfall" lösen könnte. Verlöre Much einen Teil seines Armes würde die fällige Versicherungssumme alle Probleme des Paares lösen. Als dieser Unfall wirklich passiert, wird eine unwahrscheinliche Kette von Ereignissen in Gang gesetzt...
Christian Lerch setzt bei seinem Regiedebüt vor allem auf eine Folge absurder Einzelszenen. Da wird dem abgetrennten Arm nachgejagt und der erreicht schließlich über Umwege den Hof der Baumgartens, wo ihn die Mutter wie selbstverständlich in die Kühltruhe packt. Der Vater schaut derweil Telekolleg Russisch, man muss ja auf eine mögliche Invasion vorbereitet sein. Und zwischendrin zieht das Ehepaar mit einer selbsterfundenen Lottomaschine die auf dem Tippzettel anzukreuzenden Zahlen. Der übergewichtige Paul rennt derweil in Birkenstock-Sandalen davon und schafft es trotz seiner geringen Geschwindigkeit immer wieder Much, Gini und Hansi abzuschütteln, während das Verfolger-Trio auf Arm-Jagd von einem Schlamassel ins andere gerät und schließlich sogar mit dem Auto im Bach landet. Lerch häuft so viele absurde Ideen an, dass einige von ihnen fast schon zwangsläufig aufgehen, teilweise entsteht aber auch der Eindruck, dass man hier einfach besonders schwarzhumorig sein will.
Am stärksten ist „Was weg is, is weg" meist dann, wenn Lerch die Achtziger lebendig werden lässt. Ob die in Bayern damals besonders starke Anti-Atomkraftbewegung oder die damaligen Fortschritte der Technik, alles wird hier einbezogen – oft mit einem Augenzwinkern. Den Vogel darf allerdings Maximilian Brückner („Rubbeldiekatz") abschießen. Der sonst eher auf Darling-Rollen abonnierte Bayer tritt diesen Part an seinen Bruder Florian („Beste Zeit") ab und kann dafür als arroganter Proll so richtig die Sau rauslassen. Mit Vokuhila-Supertolle, Goldketten und einem übergroßen Koffer-Mobiltelefon, das er als seine neueste Errungenschaft dauernd mit sich herumschleppt, gibt er vergnügt und gnadenlos übertreibend die Rampensau. Demgegenüber müssen seine Leinwandpartner ein wenig zurückstecken und so fällt gerade das Debüt von Mathias Kellner, einem der besten Singer-Songwriter Deutschlands, eher enttäuschend aus, denn seine wenig flexible Rolle des tumben Schwergewichts bietet ihm kaum eine Möglichkeit zur Profilierung. Und wenn Stimmwunder Kellner in einer viel zu kurzen Szene dann ein Lied anstimmt, ist dies scheinbar nur im Film, weil man einen Sänger in der Besetzung auch wenigstens einmal singen lassen will. Nichtsdestotrotz bereichert Kellner „Was weg is, ist weg" – alleine schon mit seinem großartigen Abspannsong, der genau den richtigen Ausklang nach dem emotionalen Ende liefert.
Fazit: Der Bayern-Boom im Kino geht weiter. „Was weg is, is weg" wird die vor allem in den südlichen Regionen Deutschlands beheimateten Anhänger des Genres gewiss nicht enttäuschen. Mit der Achtziger-Jahre-Kulisse, die Regisseur Christian Lerch vergnügt überzeichnet, hat der Film sogar das gewisse Etwas einer frischen Idee. Im Übrigen kopiert der Regiedebütant aber doch etwas zu klar die erfolgreichen Genre-Vorbilder.