Gleich zwei Filme erschienen Ende 2012 in den USA, die die Jagd auf Osama bin Laden zum Thema haben. Während Kathryn Bigelows groß produzierter State-of-the-Art-Thriller „Zero Dark Thirty" als aussichtsreicher Kandidat ins Rennen um die Oscars geht, kam „Code Name Geronimo" nur ins Fernsehen. Und während Bigelows Film nachwirkt, weil die Regisseurin vielfältige Fragen aufwirft, bleibt bei John Stockwells austauschbarem, weder intellektuell noch formal interessantem Schnellschuss, der in Deutschland als DVD-Premiere erscheint, kaum etwas hängen.
Nachdem lange Gerüchte um seinen angeblich schon Jahre zurückliegenden Tod kursierten, verdichten sich zu Beginn des Jahres 2011 plötzlich die Hinweise, dass der mutmaßliche 9/11-Drahtzieher Osama bin Laden noch lebt und sich im pakistanischen Abbottabad versteckt hält. In den Machtzentralen des amerikanischen Militärapparates entbrennen kontroverse Diskussionen: Während die Analystin Vivian (Kathleen Robertson) darauf beharrt, den Terrorfürsten mit einem Angriff zu Land auszuschalten, um seinen Tod mit Fotos und Videos dokumentieren zu können, schlägt ihr Kollege Christian (Eddie Kaye Thomas) einen Drohnenbeschuss aus der Luft vor. Während beide versuchen, ihren Vorgesetzten Guidry (William Fichtner) von der Richtigkeit ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen, bereiten sich eine Einheit der Navy Seals auf einen baldigen Einsatz vor. Noch wissen sie nicht, dass ihr Ziel der Staatsfeind Nummer 1 sein wird...
Kathryn Bigelow und ihr Drebuchautor Mark Boal planten schon lange vor der Ermordung von Osama bin Laden einen Film über die Jagd nach dem Terrorführer. Als das Projekt mit dem Tod von bin Laden eine neue Richtung bekam, konnten sie schnell reagieren und für „Zero Dark Thirty" auf ihre umfangreichen Recherchen zurückgreifen. Regisseur John Stockwell („Cat Run", „Dark Tide", "Into the Blue") und sein Autor Kendall Lampkin hatten diese Vorarbeit nicht und so ist es kein Wunder, dass ihr Projekt wie ein Schnellschuss anmutet, der zudem voller faktischer Fehler ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Produzent Harvey Weinstein nach dem Erwerb der Rechte beschloss, den Film nicht ins Kino zu bringen, sondern fürs Fernsehen neu zu schneiden und im Vorfeld des US-Präsidentschaftswahlkampfs auszustrahlen. Das Ergebnis: „Code Name Geronimo" ist nun ein mittelmäßiges, formal wie inhaltlich plumpes Stück TV-Infotainment. Visuell uninteressant, mittelmäßige Darsteller, die komplizierten Sachverhalte banalisierende Dialoge und dazu billiges Polit-Theater, so dass „Code Name Geronimo" schnell zu einer platten Geschichtsstunde verkommt.
Dabei mangelt es nicht nur an einer Haltung zum Thema, sondern Regisseur Stockwell und der später die Kontrolle übernehmende Weinstein pendeln munter und ohne Konzept zwischen den Genres. Im einen Moment kommt „Code Name Geronimo" als Politkrimi über die Bürokratie des Militärapparates daher. Da wird in Hinterzimmern diskutiert, wo aber schlussendlich doch nur Allgemeinplätze ausgetauscht werden. Im nächsten Moment ist es ein Action-Streifen ohne Action. So muss man die halbe Zeit einem Navy-Seal-Einsatzkommando (besetzt aus demotivierten Schauspielern wie Freddie Rodriguez, Anson Mount oder Rapper Xzibit) dabei zuhören, wie sie einander Macho-Sprüche oder schmierig auf die Tränendrüse drückende „9/11"-Plattitüden zuraunen. Es gibt weder eine Vision oder die erzählerische Kompetenz um die Geschichte, deren Ausgang bekannt ist, so wiederzugeben, dass der Zuschauer sich nicht auf das „was", sondern auf das „wie" konzentriert. Mit dem Finale, in dem der Einsatz in Abbottabad als 08/15-Geballer auf dem Niveau von TV-Trash wie „Alarm für Cobra 11" inszeniert wird, setzen sie sogar noch einen drauf.
Fazit: „Code Name Geronimo" verfügt weder über intellektuelle noch stilistische Vision und banalisiert ein streitbares Stück Geschichte zur TV-Dutzendware, die man getrost auslassen kann.