George Clooney blieb ganz Gentleman, als es bei den Testvorführungen zu „Good Night, and Good Luck" hieß, Joseph McCarthy sei zu exaltiert gespielt. Amüsant daran: Für sein sechsfach Oscar-nominiertes Politdrama von 2005 hatte Clooney die Rolle garnicht erst besetzt, sondern gleich auf Archivmaterial zurückgegriffen. Inspiriert von dieser Anekdote begab sich der deutsche TV-Historiker Lutz Hachmeister auf die Spur des berüchtigten Kommunistenjägers. Es sei, so Hachmeister, ohnehin an der Zeit für einen ersten abendfüllenden McCarthy-Film. Immerhin sei der McCarthyismus – also die Stilisierung politischer Gegner zu Feinden der Gesellschaft – mit den jüngsten Erfolgen der Tea-Party-Bewegung aktueller denn je. Tatsächlich hat der Kampfbegriff „Sozialismus" in den USA einmal mehr Hochkonjunktur; schwerer wiegt nach 9/11 nur die absurde Unterstellung, Präsident Obama sei insgeheim Moslem. Ja, die Geschichte politischer Panikmache ausgehend von McCarthy wäre ein hochspannendes Dokumentarfilmthema gewesen. Mit „The Real American - Joe McCarthy" hat Hachmeister jedoch kaum mehr als ein zähes Porträt inszeniert.
Eine Auseinandersetzung mit der langen Wirkungsgeschichte des McCarthyismus bleibt aus, stattdessen wird staubtrockener Historiker-Diskurs betrieben. So räumt Hachmeister etwa mit der auch in „Good Night, and Good Luck" vertretenen Vorstellung auf, McCarthy wäre 1954 durch den TV-Journalisten Edward R. Murrow zu Fall gebracht worden. Vielmehr sei der aggressive Polemiker längst von Präsident Eisenhower zum politischen Abschuss freigegeben gewesen, als er Murrow in ihrer legendären TV-Konfrontation unterlag. Dazu dürfen prominente Interview-Partner entsprechende Allgemeinplätze verkünden. Ex-FBI-Agent und McCarthy-Gefolgsmann James Juliana lässt sich über die „Verschwörung" von 1954 aus, die reaktionäre Autorin Ann Coulter versucht wieder einmal, die Weste ihres Idols weiß zu waschen und Henry Kissinger referiert weihevoll über das Schicksal von Populisten: „Sie leben durch Populismus, sie sterben durch Populismus." Touché.
Wie der 1908 geborene McCarthy tatsächlich starb, wird freilich auch aufgearbeitet: Der Mann war ein hemmungsloser Säufer, sein Tod überraschte 1957 niemanden. Nebenbei wird darüber spekuliert, dass der Senator eigentlich garnichts gegen Kommunisten gehabt habe und er 1950 bloß ein Thema für seinen Wiederwahlkampf in Wisconsin brauchte. Bemerkenswert randständig bleibt die Beziehung zwischen dem schwulenfeindlichen Senator und seinem homosexuellen Handlanger Roy Cohn. Und das, obgleich Cohn in bieder inszenierten Spielszenen betont effeminiert gezeigt wird. So wechseln sich Interviews, Archivaufnahmen und Spielszenen ab, bis McCarthys politische Karriere richtig gestellt und zu Ende erzählt ist. Hachmeister hat sein Ziel erreicht: einen abendfüllenden Film über „The Real American". Der Aktualitätsbezug des Films aber bleibt bloße Behauptung und sein Mehrwert jenseits akademischer Debatten vage.
Fazit: „The Real American – Joe McCarthy" ist eine akribisch recherchierte Polit-Biographie für ein US-historisch interessiertes Publikum, die den spannendsten Aspekt – das politische Erbe McCarthys bis in die Gegenwart – kaum streift.