Lange konnten sich die Fans darauf verlassen, dass einmal im Jahr ein neues Spiel aus der Action-Adventure-Videogamereihe „Assassin’s Creed“ erscheint, aber nachdem zuletzt immer stärker beklagt wurde, dass den neuen Teilen die Innovationen fehlten, nahm Spielentwickler Ubisoft 2016 eine Auszeit und statt eines neuen Computerspiels kommt nun ein „Assassin’s Creed“-Film in die Kinos. Schon während der Vorbereitung schloss sich „X-Men“-Star Michael Fassbender als Hauptdarsteller und Co-Produzent dem Projekt an und holte neben seiner Kollegin Marion Cotillard („Allied – Vertraute Fremde“) auch Regisseur Justin Kurzel an Bord, mit dem die beiden Darsteller inzwischen auch schon die bildgewaltige Shakespeare-Adaption „Macbeth“ stemmten. Die visuellen Stärken hat der furios inszenierte Sci-Fi-Actioner „Assassin’s Creed“ mit der Literaturverfilmung gemein, aber die überaus kryptisch dargebotene Handlung lässt ein wirkliches Eintauchen in die Weiten des „Assassin’s Creed“-Universums kaum zu – die Geschichten der zahlreichen, zumindest im Ansatz spannenden Figuren werden nur oberflächlich und im Eiltempo abgehandelt.
Der Mörder Callum Lynch (Michael Fassbender) wartet im Todestrakt in Texas auf seine Hinrichtung. Doch in letzter Minute wird der Häftling im Auftrag der Firma Abstergo Industries in die Einrichtung der Wissenschaftlerin Sophia Rikkin (Marion Cotillard) in Madrid gebracht, in der Patienten mit hoher Gewaltbereitschaft geheilt werden sollen. Bald darauf aber bringt Callum in Erfahrung, dass hinter der Organisation des visionären Generaldirektors Alan Rikkin (Jeremy Irons) die moderne Inkarnation des Templerordens steckt. Ihre Mission ist es, den sagenumwobenen Apfel aus dem Garten Eden ausfindig zu machen und mit ihm den Willen der gesamten Menschheit zu kontrollieren – und Callum soll dabei helfen. Mittels einer von Sophia entwickelten Maschine namens Animus durchlebt er die Erinnerungen seines Vorfahren Aguilar de Nerha, einem Mitglied der Assassinen zur Zeit der Spanischen Inquisition. Nur der kampferprobte Mörder weiß, wo sich das biblische Objekt der Begierde befindet. Während er als Aguilar die Vergangenheit durchlebt und so die Templer immer näher zum Apfel führt, eignet sich Callum mehr und mehr Fähigkeiten seines Vorfahren an, die ihm in der Gegenwart im Kampf gegen die Nachfahren der Templer nützlich werden...
Die „Assassin's Creed“-Reihe ist berühmt und bei einigen Gamern auch berüchtigt für ihre Fülle an Handlungssträngen und Figuren. Für Michael Fassbender bot gerade dieser Umstand den Filmemachern eine große Chance: „Es gibt so viele coole Dinge in dem Spiel, dass wir den Luxus hatten, uns die Rosinen rauszupicken.“ Zu diesen Rosinen gehören unbestreitbar die gewaltigen Bilder und die einfallsreiche Action: Kameramann Adam Arkapaw („Macbeth“) begeistert mit opulenten Panoramaschwenks über lebhafte Städte und eindrucksvolle Landschaften sowie mit dynamischen Kamerafahrten durch Massen kämpfender Tempelrittern oder durch die schmalen Gassen, in denen die Assassinen um Aguilar von Wand zu Wand und von Dach zu Dach springen. Und der Höhepunkt der inszenatorischen Virtuosität ist der bereits aus den Spielen (und dem Trailer) bekannte, schwindelerregende Todessprung des Helden in die Tiefe, bei dem so manchem Besucher der Pressevorführung hörbar der Atem stockte.
Atemberaubend ist allerdings auch das hohe Erzähltempo, das Kurzel bei der Einführung in die komplexe Welt der Assassinen an den Tag legt. Wenn Callum Lynch im Todestrakt auf seine Hinrichtung wartet, sich kurz darauf in einer sonderbaren wissenschaftlichen Einrichtung voller kampferprobter „Patienten“ wiederfindet und schon im nächsten Augenblick via Animus zumindest zerebral durch Raum und Zeit reist, drohen alle Zuschauer, die nicht zu den geneigten „Assassin's Creed“-Zockern zählen, schnell die Orientierung zu verlieren. Und selbst wenn man dem faktischen Ablauf der Ereignisse folgen kann, bleibt der Film erzählerisch eine Enttäuschung, denn statt sich auch bei den Handlungssträngen und Figuren auf wenige herausragende Elemente zu konzentrieren, stopfen die Macher „Assasin’s Creed“ regelrecht voll mit Charakteren und Subplots. So bleibt für die Entwicklung der einzelnen Figuren, Beziehungen und Konflikte schlicht keine Zeit – und da hat dann auch die illustre Besetzung keine Chance.
Selbst Michael Fassbender als wortkarger Titelheld bleibt blass. Nicht einmal sein Aguilar de Nerha bekommt (im Gegensatz zu Callum) eine nennenswerte Hintergrundgeschichte, mal abgesehen von nur angedeuteten Gefühlen für die Assassine Maria (Ariane Labed). Auch die Oscarpreisträger Marion Cotillard, Jeremy Irons („Batman V Superman: Dawn Of Justice“) sowie Charakterdarsteller Brendan Gleeson („Am Sonntag bist du tot“) können angesichts ihrer nur skizzenhaft gezeichneten Figuren keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das größte Problem aber ist, dass Justin Kurzel die besten Aspekte seines Fantasy-Abenteuers viel zu kurz kommen lässt – und das sind eben die wahrlich mitreißenden Actionszenen, in denen Aguilar und seine tödlichen Mitstreiter sich spektakuläre Verfolgungsjagden und Kämpfe mit den niederträchtigen Templern liefern. Gerade einmal drei große Action-Einlagen bekommt man in den Animus-Sequenzen geboten, dazwischen werden Callum und den Zuschauern nur häppchenweise Offenbarungen aus der Geschichte der Assassinen und der Templer verabreicht. Dabei entsteht ein zunehmend frustrierendes und undurchschaubares Puzzle, dessen Teile viel zu spät zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Ironischerweise sind es genau solche erzählerischen Schwächen, die viele „Assassin‘s Creed“-Spieler bei den letzten Teilen der immer komplexeren und unüberschaubareren Reihe beklagten.
Fazit: Die eindrucksvollen Bilder, furiosen Action-Sequenzen sowie das Star-Ensemble um Michael Fassbender können nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Assassin’s Creed“ hoffnungslos überhastet und verwirrend erzählt ist.