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    Hannah Arendt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Hannah Arendt
    Von Tim Slagman

    Die Macher von biografischen Filmen stehen mehr denn je vor gleich mehreren gewaltigen Herausforderungen: Will wirklich noch jemand ungebrochene Heldenfiguren sehen? Sollte für biografische Spielfilme in einer Zeit, in der Dokumentarfilmer ihre Werke immer stärker mit fiktionalen Elementen versetzen, im Umkehrschluss besonders auf Authentizität Wert gelegt werden – oder gerade nicht? Regisseurin Margarethe von Trotta („Die bleierne Zeit"), die schon zahlreiche Frauenschicksale verfilmte, wählt für ihren neuen Film über eine Episode im Leben der jüdischen Philosophin Hannah Arendt über weite Strecken einen guten Mittelweg. Sie zeichnet ihre Protagonistin meist zwar mit sichtbarer Sympathie, aber eben nicht mit unreflektierter Verehrung.

    Die Philosophin Hannah Arendt (Barbara Sukowa) hatte Nazi-Deutschland 1933 verlassen und war längst in zweiter Ehe mit Heinrich Blücher (Axel Milberg) verheiratet sowie amerikanische Staatsbürgerin geworden, als sie dem Magazin „New Yorker" 1961 anbot, den Prozess gegen den Holocaust-Organisator Adolf Eichmann in Jerusalem mit einer Artikelserie zu begleiten. Ihre Reportagen, die 1963 mit dem legendären Titel „Ein Bericht von der Banalität des Bösen" auch in Buchform veröffentlicht wurden, lösten einen Proteststurm aus. Arendts Schilderung Eichmanns als – nur – gedankenloser Bürokrat und ihre heftige Kritik am Verhalten der sogenannten „Judenräte" führten zum Bruch mit Kollegen vom New Yorker Brooklyn College und beendeten langjährige Freundschaften, wie etwa jener zum nach Israel emigrierten Weggefährten Kurt Blumenfeld (Michael Degen).

    Sehr überlegt und sorgfältig ist Margarethe von Trotta an ihr Porträt herangegangen, die Vorbereitungen haben fast ein Jahrzehnt gedauert: Um die private Seite der Denkerin - oder besser deren Übereinstimmungen mit und die Unterschiede zu der öffentlichen Person - ausloten zu können, hat die Filmemacherin unter anderem ausgiebige Gespräche mit Arendts Assistentin Lotte Köhler geführt. Die wird im Film von Julia Jentsch („Sophie Scholl") als zarte und dennoch bestimmte junge Frau gespielt, unter deren zurückhaltender Oberfläche die Sorge um die zunehmend unter Beschuss geratene Arendt durchscheint. Zudem macht Jentsch mit ihrer starken Darstellung auch deutlich, wie viel Einfluss die 2011 verstorbene enge Vertraute wohl tatsächlich auf die bisweilen etwas starrköpfig wirkende Philosophin gehabt haben mag.

    Barbara Sukowa („Lola", „Homo Faber"), die für die Regisseurin auch schon „Rosa Luxemburg" und Hildegard von Bingen („Vision") verkörperte, setzt von Trottas differenziert angelegte Schilderung in ihrer Darstellung kongenial um. Stets in Brauntöne gekleidet erscheint sie der Mode der Zeit entsprechend eher zugeknöpft. Im Kontrast dazu steht ihr offenes herzliches Lachen gegenüber Freunden und ihrem geliebten Mann, das von einer lebensfrohen, sinnlichen Persönlichkeit zeugt. Härte und Konsequenz, die Arendt gerne als Arroganz ausgelegt wurden, bringt Sukowa ebenso überzeugend zum Ausdruck wie die Erschöpfung und die Selbstzweifel in den stürmischen Zeiten nach der Veröffentlichung des Eichmann-Essays. Die Regisseurin und ihre Hauptdarstellerin zeichnen ein einfühlsames Porträt Hannah Arendts, sie zeigen uns die Frau hinter dem Image, aber vernachlässigen auch deren Wirken als Denkerin nicht. Nur selten greift von Trotta auf genretypische Zuspitzungen zurück, etwa wenn die Kamera bei Arendts großer Verteidigungsrede vor Studenten und Professoren kaum merklich das entschlossen-kämpferische Gesicht Sukowas näher heranholt, aus dem nun jeder Zweifel verschwunden ist: Hier wird die Philosophin zur heldenhaften Überzeugungstäterin stilisiert.

    Auch das ambivalente Verhältnis zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger (Klaus Pohl), bei dem sie in den 20er Jahren Vorlesungen hörte und dem sie später wegen seiner Verstrickung ins NS-Regime kritisch gegenüberstand, mag hier in vereinfachender Deutlichkeit skizziert worden sein - solche gelegentlichen Rückgriffe auf oft gesehene Biopic-Muster tun der Wirkung von Trottas sonst gerade in seiner Sachlichkeit berührenden Films aber kaum Abbruch. Die Regisseurin zeigt mit einem selbstreflexiven inszenatorischen Kniff vielmehr explizit, dass auch ihre Arbeit nicht mehr als eine (Re-)Konstruktion sein kann, die nicht frei von subjektiver Interpretation ist: So setzt sie zwar Schauspieler für die Darstellung des Eichmann-Prozesses ein, verzichtet dabei aber auf die Besetzung der Rolle des Angeklagten und zeigt die eigentliche Verhandlung in jenen historischen Originalaufnahmen, die schon in Eyal Sivans Dokumentation „Ein Spezialist" zu sehen waren. Auf diese Weise macht von Trotta die Inszenierung des Films (wie auch des Prozesses) zum Thema und ist damit wiederum ganz nah am kritischen Geist ihrer Protagonistin.

    Fazit: Starke Darsteller und eine gut durchdachte und weitgehend überzeugende Inszenierung tragen Margarethe von Trottas Porträt einer so klugen wie fest im Leben stehenden Persönlichkeit.

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