In dem japanischen Kultregisseur Takashi Miike (The Great Yokai War) treffen eine Vielzahl von Extremen aufeinander. Nicht nur hat er in gerade einmal fünfzehn Jahren die stolze Anzahl von 68 Regiecredits angesammelt, auch gibt es darunter kaum einen Film, der nicht in irgendeiner Weise sein Publikum geschockt, oder zumindest sonst irgendwie provoziert hätte. So lassen sich neben blutig-brutalen Gewaltexzessen („Ichi The Killer“) auch künstlich-surreale Kinoreisen („Gozu“, „Izo“) oder gar an den verschiedensten Körperflüssigkeiten reiche, bitterböse Gesellschaftssatiren („Visitor Q“) in seiner Filmographie finden. Miike selbst hält dabei aber seinen subtilen Horrorschocker Audition, in dem die Protagonistin ihre männlichen Opfern mit langen Nadeln piesackt und ihnen die Gliedmaßen mit Klavierseiten abtrennt (inklusive eines Geräusches, das man nie wieder vergessen wird!), für seinen bisher „härtesten“ Film. Und an diese beinahe kunstvoll stilisierten Folterszenarien aus Audition schließt Miike nun mit seinem „Masters Of Horror“-Beitrag nahtlos an. Dabei funktioniert „Imprint“ aber nicht nur als mit Folterszenen angereichertes Schauermärchen, sondern entwirft gleichzeitig auch ein aufregend-düsteres Bild des historischen Japans abseits aller Hollywood-Romantisierung.
Der amerikanische Journalist Christopher (Billy Drago) reist auf der Suche nach seiner großen Liebe Komomo (Michie Itô), die er vor Jahren in diesem Land zurücklassen musste, durch das Japan des 19. Jahrhunderts. Aber auch auf der unheimlichen Insel, die nur von Taugenichtsen und Nutten bevölkert zu sein scheint, ist zunächst keine Spur von ihr zu entdecken. Doch dann erzählt ihm eine Prostituierte (Youki Kudoh) die Geschichte einer Geisha, die noch vor kurzem im gleichen Etablissement gearbeitet hat, bevor sie sich erhängte. Von neidischen Kolleginnen und einer herrschsüchtigen Chefin gequält, sah sie irgendwann einfach keinen anderen Ausweg mehr, als sich selbst das Leben zu nehmen. Doch Christopher kommen Zweifel an der Geschichte, und wirklich kommen nach und nach immer mehr Einzelheiten an die Oberfläche, die auch die undurchsichtige Erzählerin in einem finsteren Licht erscheinen lassen…
„Being A Daughter Of Joy Is A Living Hell“ - zumindest die erste Hälfte von „Imprint“ könnte man auch als Miikes persönlichen Feldzug gegen solche verklärenden, romantisierten Japanbilder, wie sie zuletzt Rob Marshall mit seiner Period-Schmonzette Die Geisha abgeliefert hat, verstehen. Genau wie Marshall arbeitet Miike hier zwar auch mit schön anzusehenden, hochstilisierten Bildern, Kulissen und Kostümen, beschönigt aber das Gezeigte nicht, sondern entwirft im Gegenteil eines der denkbar düstersten Szenarien überhaupt. Hier wird die Prostitution der Geishas nicht einseitig als bewundernswerte Kunstform gezeigt, in „Imprint“ sind sie nicht mehr als verzweifelte Nutten, die ihren Freiern die Arme durch die Holzgitter ihres Ausstellungsraumes entgegenstrecken, um diesen ihre Willigkeit zu beweisen. Auch der Konkurrenzkampf der Geishas untereinander nimmt bei Miike ganz andere Dimensionen an: Wo der Zickenkrieg in Die Geisha noch als harmlose „Desperate Housewives“-Episode durchgehen könnte, enden die Eifersüchteleien hier in ausgefeilten und erbarmungslos-perfiden Foltersessions.
Auch wenn die heftigsten Abschnitte der Foltersequenzen in der deutschen DVD-Fassung herausgeschnitten sind, ist „Imprint“ dennoch nichts für unbedarfte Gemüter. Dabei sind es dann aber gar nicht mal unbedingt die übrig gebliebenen Folterschnipsel, auch wenn diese an unmenschlicher Demütigung kaum noch zu überbieten sind, sondern die Beiläufigkeit und das Desinteresse, mit dem in einem Nebenhandlungsstrang abgetriebene Föten in einem Fluss entsorgt werden, die den Zuschauer wie ein Schlag in die Magengrube erreichen. Hier setzt sich Miike einmal mehr über jeden guten Geschmack und jedes erträgliche Maß hinweg, kräftigt einmal mehr seinen vorauseilenden Ruf als Kino-Provokateur allererster Klasse. Da verschafft selbst das ins Absurde überhöhte Ende, das stark an Frank Henenlotters Trash-Klassiker „Bascet Case“ erinnert, dem Zuschauer nur minimale Erleichterung. Über die abgehobene Monsterkonstruktion, mit der Miike die zuvor aufgebaute, ernsthafte Atmosphäre gekonnt aufbricht, wird sich hier kaum noch jemand amüsieren können.
Dass „Imprint“ dennoch nicht an Miikes allerbesten Filme heranreicht, liegt so einzig und allein an den Darstellern. Die japanischen Schauspielerinnen kommen zumindest in der Originalfassung über ein solch stark gebrochenes Englisch nicht hinaus, dass es eigentlich nicht mehr als einfach nur unerträglich nervig ist. Und Billy Drago, der mit seinem länglichen Gesicht und dem schwarzen Zylinder stark an den Totengräber aus den „Lucky Luke“-Comics erinnert, entwirft mit seiner theatralischen Spielweise zwar eine interessante Figur – leider passt diese Darstellung nur überhaupt nicht in diesen Film, wirkt im Kontext eher unfreiwillig komisch und raubt seinen Szenen einen erheblichen Anteil ihrer Atmosphäre. Trotzdem bleibt dieser konsequente Appetitverderber, weil er mit seinen Provokationen genau ins Schwarze trifft, eine absolut sehenswerte Episode der „Masters Of Horror“-Serie.