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    BFG - Big Friendly Giant
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    BFG - Big Friendly Giant
    Von Christoph Petersen

    Im Mädchenschlafsaal des Kinderheims aus „BFG – Big Friendly Giant“ ist ein E.T.-Stofftier als Easter Egg versteckt, aber das ist nicht der einzige Grund, warum sich mit Steven Spielbergs Verfilmung der Roald-Dahl-Vorlage ein Kreis zu schließen scheint: Es gibt nicht nur offensichtliche Parallelen beim Plot (ein Kind freundet sich mit einem fremdartigen Wesen an), das Buch „The BFG“ (in Deutschland: „Sophiechen und der Riese“) ist 1982 auch im selben Jahr wie „E.T. – Der Außerirdische“ erschienen und die Drehbücher zu beiden Filmen stammen von der 2015 verstorbenen Melissa Mathison. Es fühlte sich also einfach richtig an, dass der dreifache Oscar-Preisträger als Regisseur für „BFG“ angekündigt wurde - gerade jetzt 2016, wo Roald Dahl im September 100 Jahre alt geworden wäre. Und Spielberg enttäuscht die bei diesen Voraussetzungen immensen Erwartungen nicht: Sein märchenhaftes Kinder-Abenteuer „BFG“ ist ein visuelles Meisterstück, gewürzt mit inszenatorischen Kabinettstückchen, etlichen kreativen Einfällen, atemberaubenden CGI-Effekten, ganz schön gruseligen Riesen und verdammt lustigen Pupsgags.

    Die Waise Sophie (Ruby Barnhill) leidet an Schlaflosigkeit und ist deshalb die einzige in ihrem Kinderheim, die weiß, dass die Geisterstunde nicht etwa um 1 oder gar schon um 12, sondern erst um 3 Uhr morgens beginnt. Als sie bei einem ihrer nächtlichen Streifzüge beobachtet, wie draußen auf der Straße eine mehr als sieben Meter hohe Gestalt eine umgefallene Mülltonne wieder aufstellt, wird Sophie von dieser direkt in das Reich der Riesen verschleppt. Dort stellt die Entführte schnell fest, dass der Big Friendly Giant (also „großer freundlicher Riese“) seinem Namen zum Glück alle Ehre macht, sogar auf Traumjagd nimmt er sie einmal mit. Tatsächlich Sorgen machen muss sich Sophie allerdings um all die anderen Riesen, die draußen unter der Grasnarbe schlafen – die sind nämlich nicht nur noch viel größer als der BFG, sondern fressen auch für ihr Leben gern Menschen. Aber Sophie und der BFG haben einen Plan - und der beginnt im Buckingham Palace, genauer gesagt auf dem Fenstersims der Königin von England (Penelope Wilton) …

    Die Motion-Capture-Riesen, die CGI-Effekte, allgemein die Kameraarbeit von Janusz Kaminski (Oscars für „Schindlers Liste“ und „Der Soldat James Ryan“) – „BFG“ ist visuell schlichtweg atemberaubend. Aber noch beeindruckender als die pure technische Brillanz ist die scheinbar unerschöpfliche Kreativität, mit der Spielberg sein riesenhaftes Abenteuer in Szene setzt: Das geht schon los mit dem ersten Auftritt des BFG, wenn der Riese mit Hilfe allerlei geschickter Schattenspielereien unbemerkt durchs nächtliche London schleicht – da verschwinden plötzlich ganze Seitenstraßen oder auf der anderen Seite der Allee steht mit einmal ein Baum mehr. Apropos Schatten: In einer der berührendsten Szenen des Films pusten Sophie und der BFG einem kleinen Jungen einen Traum durchs Fenster – und während der schlafende Junge im Vordergrund zu lächeln beginnt, sehen wir als Schattenspiel auf der Zimmerwand, wie der US-Präsident den verblüfften Vater anruft und ihm erzählt, dass er unbedingt und ganz dringend mit seinem Sohn sprechen müsse, denn nur der könne die Situation jetzt noch retten.

    2013 waren wir durchaus zufrieden mit dem, was Bryan Singer visuell aus der Riesenwelt in seinem „Jack And The Giants“ herausgeholt hat, aber Spielberg spielt – jedenfalls was die inszenatorische Finesse angeht - einmal mehr in seiner ganz eigenen Liga: Wie er innerhalb einzelner Kamerafahrten immer wieder zwischen den Größenmaßen der Menschen und der Riesen hin und her wechselt, ist nicht weniger als ganz, ganz große Kinokunst. Das ist mal ein bewusst auffälliger Effekt, etwa wenn die Brille von Sophie in Nahaufnahme gezeigt wird, während der klein weit im Hintergrund stehende BFG sie aufhebt – und plötzlich seine gigantischen Finger von oben ins Bild ragen. Noch öfter sind diese Perspektivverschiebungen aber auch ganz subtil und natürlich in den Filmfluss eingewoben. Spätestens bei der Traumjagd und dem folgenden Traumbrauen wird mancher Spielberg-Verächter wieder laut „Kitsch!!!“ schreien – aber auch hier ist der Einfallsreichtum verblüffend: Braucht der Traum noch ein wenig mehr „Armee“, dann gibt man einfach noch etwas aus der grünen Flasche dazu, aus der dann Mini-Soldaten-Träume mit Fallschirmen in den Traummixer gleiten.

    Mitunter droht die zentrale Freundschaft und damit der eigentliche Kern des Außenseiter-Märchens ein wenig hinter dem visuellen Rausch zurückzustehen – aber letztendlich wird das durch die schiere Präsenz der beiden überragenden Hauptdarsteller verhindert: Der zwölfjährigen Ruby Barnhill steht definitiv eine große Karriere als Kinderstar ins Haus – abseits der klassischen Hollywood-Vorstellungen von „süß“ agiert sie mit keckem Selbstbewusstsein und großer emotionaler Intelligenz. Hätte Spielberg „BFG“ wie einst geplant bereits vor 15 Jahren verfilmt, hätte Robin Williams (mit dem der Regisseur damals schon „Hook“ gedreht hatte) die Titelrolle spielen sollen. Aber so sehr wir den 2014 verstorbenen Komiker auch schätzen, mit Mark Rylance ist der Film nicht nur ein ganz anderer, sondern sehr wahrscheinlich auch ein besserer geworden: Der frischgebackene Oscarpreisträger (für Spielbergs „Bridge Of Spies“) verleiht dem BFG mit seiner gewohnt subtilen Performance (die Technik ist zum Glück so weit, dass man beim Motion Capturing nicht mehr zwangsläufig hemmungsloses Overacting betreiben muss) eine tiefe Tragik und kraftvolle Ernsthaftigkeit. Trotzdem ist er in den explosiven Pupsszenen und mit seiner Interpretation der Dahl’schen Fantasiesprache Gobblefunk (Daumendrücken für die deutsche Fassung!) immer wieder auch urkomisch.

    Fazit: Ein vor allem visuell bahnbrechendes Kinomärchen.

    Wir haben „BFG - Big Friendly Giant“ im Rahmen der 69. Filmfestspiele von Cannes gesehen, wo der Film außer Konkurrenz gezeigt wurde.

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