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    Wrong
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Wrong
    Von Robert Cherkowski

    Es ist immer wieder eine Freude, unbekannte Regisseure mit einem überraschenden Kultfilm auftrumpfen zu sehen und sich ihren Namen voller Vorfreude auf das weitere Schaffen im Hinterkopf zu behalten. Quentin Dupieux ist einer von ihnen – was in seinem Fall besonders merkwürdig ist, da es sich bei ihm um einen eigentlich fachfremden Quereinsteiger aus der Musik handelt. Bekannter dürfte Dupieux unter seinem Pseudonym „Mr. Oizo" sein, unter dem er seit den 90ern mal witzig prollige, mal liebenswert verkopfte House-Musik auf seine Zuhörerschaft losließ. An seinem zunehmend guten Ruf als Lieferant ausgefallener Indie-Film-Kleinode arbeitet er inzwischen jedoch nicht minder intensiv. War sein Debüt „Steak" noch ein schräger Geheimtipp für die Freunde des Obskuren, zog er mit „Rubber", der Geschichte eines amoklaufenden Reifens, die Blicke der cinephilen Welt auf sich. So vergnügt und visuell verspielt Dupieux hier die Regeln des Erzählkinos gegen den Strich bürstete, ließ das schrille Werk große Erwartungen für weitere filmische Gehversuche des Elektro-Meastros aufkommen. Erwartungen, die er mit „Wrong" auch großteils erfüllt. Auch wenn sein experimenteller Trip ins Reich des banalen Wahnsinns dabei nicht den selben Drive entwickelt wie „Rubber" darf man sich doch erneut auf versponnene Ideen und eine erlesene Optik freuen. „Wrong" erinnert daran, dass wie aufregend, anders und einzigartig Kino immer noch sein kann.

    Der biedere US-Jedermann Dolph (Jack Plotnick) ist schwer überfordert mit den Tücken des Alltags. Selbst kleinste Verrichtungen arten immer wieder zu wahren Odysseen ins Reich des Absurden aus. Während er eine Telefon-Romanze mit Emma (Alexis Dziena) vom Pizza-Lieferservice unterhält und eigentlich nur mit dem Gärtner Victor (Éric Judor) halbwegs normal reden kann, hat sein Leben an anderer Stelle längst Feuer gefangen. Jeden Tag geht er zu einer Arbeit, die er vor Monaten schon verloren hat und tut so, als würde er noch immer seinen Dienst verrichten. Als eines unschönen Morgens sein Hund verschwindet, gerät seine Welt endgültig aus den Fugen. Ohne Anhaltspunkte versucht er das Verschwinden seines geliebten vierbeinigen Freundes aufzuklären und verheddert sich in einer haltlosen Welt – bis er auf den Guru Chang (William Fichtner) stößt, der zwar offen zugibt, etwas mit der Hundeentführung zu tun zu haben, den Kläffer jedoch selbst verloren hat. Bald kann nur noch ein Hunde-Detektiv (Steve Little) aushelfen, der jedoch selbst des Wahnsinns fette Beute zu sein scheint. Die Suche nach dem Hund wird zur ultimativen Suche nach dem Sinn von Dolphs verkrachter Existenz...

    „Wrong" ist einer jener Filme deren Vorbilder offensichtlich sind, die sich jedoch auch beim Etappenlauf von einer Hommage zur nächsten originell und frisch anfühlen. Sicher, man fühlt sich hier sowohl an die vordergründig komischen Gedankenspiele eines Charlie Kaufman („Being John Malkovich") erinnert. Dupieux hat jedoch anders als sein Drehbuch-schreibendes Pendant Kaufman keine Lust, die Tragik in der Odyssee seines Helden zu finden. Stattdessen wird „Wrong" von einer so verstörenden wie luftigen Heiterkeit bestimmt. Immer wieder wirkt Dupieux' Drittwerk wie ein volltrunkener Flirt aus Kafkas „Prozess" und Joel und Ethan Coens „A Serious Man", bleibt dabei aber tonal der reinen Komödie verschrieben. Dabei verschließt sich der Regisseur, der als Elektro-Musiker viel mit Rhythmus am Hut hat, konsequent einem klassischen Comedy-Timing. Stattdessen lässt er Momente und Pointen im Sand verlaufen und badet in unangenehmer Stille. Am nächsten steht „Wrong", nicht zuletzt aufgrund des Selbstbewusstseins hinter den schrägen künstlerischen Entscheidungen, wohl den Legenden des filmischen Surrealismus. Auch in der Gesellschaft so großer Namen wie Luis Buñuel („Ein andalusischer Hund") oder Jacques Tati („Die Ferien des Monsieur Hulot") macht Dupieux eine gute Figur.

    Das liegt nicht zuletzt an der begnadeten Kameraarbeit von Regisseur Dupieux selbst, der seine verschrobene erzählerische Verweigerungshaltung mit Bildern veredelt, die gleichermaßen transparent und atmosphärisch dicht sind. Immer wieder erinnert das an bewegte Gegenstücke zu den Gemälden Edward Hoppers. Dupiex' Tableaus sind vordergründig übersichtlich und doch hat man stets das Gefühl, dass die sanft artifizielle Lichtsetzung und die eigenwilligen Blickwinkel uns nur an der Oberfläche der Bilder kratzen lassen. Es steckt mehr darin – was genau, das hängt stark vom Publikum ab. „Wrong" sieht fantastisch auf und macht dabei immer deutlich, dass sich Abgründe hinter den weißen Häuserfassaden, den grünen Rasenflächen und wunderschönen Vorstadtidyllen auftun könnten.

    Wo David Lynch in „Blue Velvet" am Grunde dieses Abgrundes jedoch Perversion und Bosheit vermutete, geht Dupieux eher davon aus, dass dort vor allem Dummheit und Sinnlosigkeit wuchern. Bloß an Tempo fehlt es „Wrong" dabei hin und wieder. Statt einem erzählerischen Pfad zu folgen, frönt Dupieux dem Chaos, wobei nie klar ist, ob angedeutete Handlungsbögen wirklich auf etwas hinauslaufen oder doch nur wieder eine Spur ins Nichts führt. Ähnlich wie schon in „Rubber", bei dem ein zum Leben erwachter Reifen nahezu alle menschlichen Darsteller an die Wand spielte, ist auch „Wrong" nicht wirklich ein Schauspielerfilm. Zur Sympathie oder gar zur Identifikation lädt hier kaum eine Rolle ein. Das bedeutet hier jedoch keineswegs ein Defizit. Jack Plotnick („God Bless America") in der Hauptrolle ist herzzerreissend, wenn er sich im Angesicht des nicht ganz alltäglichen Wahnsinns immer wieder auf diffuse Höflichkeitsfloskeln und defensive Körperhaltung versteift.

    Auch Alexis Dziena („Broken Flowers"), Steve Little („30 Rock") oder Éric Judor („Zak") geben wunderbar entrückte Vorstellungen ab. Und insbesondere William Fichtner („Drive Angry", „Prison Break") als New-Age-Guru stiehlt hier so manche Szene und flieht mit ihnen über alle Berge. Wie er sich als leiser, Unsinn schwafelnder Gehirnwäscher durch seine Auftritte geistert, macht Laune und zieht die Blicke auf sich. Die Hauptrolle in diesem Film spielt jedoch die große Verwunderung; das Wissen, das zwischen den Menschen untereinander, zwischen den Menschen und der Welt und der Welt und dem Menschen mit sich selbst einiges falsch läuft; dass es dem Menschen nicht möglich ist, das Chaos in und um ihn selbst zu ordnen und einen stabilen Sinn zu stiften. Mit dem Film selbst jedoch ist keineswegs etwas „wrong". Hier ist alles „all right" und es ist ein großes Vergnügen, den skurrilen Helden bei ihrem Warten auf Godot oder die Wiederkehr verlorener Hunde beizuwohnen.

    Fazit: Mit „Wrong" ist Quentin Dupieux ein weiteres schrill-faszinierendes Kleinod gelungen, das mit seinem Mangel an dramaturgischem Schliff sicher den ein oder anderen Zuschauer verschrecken wird, in seiner irrlichternden Weise aber auch wunderbar verwundert zurücklässt.

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