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    90 Minuten - Das Berlin Projekt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    90 Minuten - Das Berlin Projekt
    Von Franziska Felber

    Ein Mann hat 90 Minuten, sein Ziel zu erreichen – und sein Weg führt ihn quer durch Berlin. Die Schauplätze heißen Bahnhof Zoo, Potsdamer Platz, Regierungsviertel. 14 Jahre nach Tom Tykwers Meilenstein „Lola rennt" kommt mit „90 Minuten – Das Berlin Projekt" wieder ein Film in die deutschen Kinos, dessen Regisseur seinen Protagonisten durch die Hauptstadt jagt – und auch der aus Mazedonien stammende Ivo Trajkov hat sich mit seinem jüngsten Werk viel vorgenommen: Aus Psychothriller wird im Handlungsverlauf unerwartet ein Experimentalfilm. Es ist ein mutiger Versuch, doch ebenso wie der wenig aussagekräftige Untertitel des Films lässt auch Trajkov sein Publikum viel zu lange im Ungewissen darüber, worauf er mit „90 Minuten" eigentlich hinauswill.

    Schauspieler Sebastian (Blerim Destani) hat vor kurzem seine Freundin Hannah (Nicolette Krebitz) verloren. Für ihren Tod macht er Sektenführer Guru (Udo Kier) verantwortlich und will Rache an ihm nehmen. Während der Premiere seines neuen Films „90 Minutes" hat Sebastian genau anderthalb Stunden Zeit, Guru aufzuspüren, denn der wird just an diesem Tag in der Stadt erwartet. Sebastian verlässt das Kino und läuft durch Berlin, er fährt mit der S-Bahn, mit dem Fahrrad, er entert ein Boot und klaut ein Auto, um rechtzeitig da zu sein und Guru zu erschießen. Dabei heften sich einige Menschen an seine Fersen und es wird immer ungewisser, wer auf Sebastians Seite steht und wer welche Ziele verfolgt...

    Parallel zur Handlung laufen immer wieder Minifilme ab, auf herumliegenden Smartphones, in S-Bahnscheiben, auf Überwachungsbildschirmen. So beginnt auch der Film mit einer innigen Liebesszene zwischen Sebastian und Hannah, doch es ist nur Sebastian, der sich die Sequenz auf seinem Smartphone ansieht. Hannah ist längst tot. Mit den Filmen im Film werden durchaus geschickt Andeutungen zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einestreut, sie nähren schnell die Hoffnung auf ein stringent durchkomponiertes Thriller-Mosaik. Doch das Ganze zerfällt nach und nach. Es häufen sich logische Brüche, bis zum Ende hin nur noch wild assoziative Szenen aneinandergereiht werden. Erst ganz spät wird klar, dass Regisseur Trajkov einen anderen Plan hat: „90 Minuten" ist eine Reise in Sebastians Innerstes, das von Hannahs Tod heftig durcheinandergewirbelt wurde.

    Sebastian stellt sich seinem Verlust, seiner Schuld, seiner Verzweiflung. Er begegnet dabei auf zunehmend unübersichtlichen Wegen immer wieder Hannah – ganz wie es schon Leonardo DiCaprio und Marion Cotillard in Christopher Nolans allerdings wesentlich klarer strukturiertem Sci-Fi-Thrillerdrama „Inception" erging. Dann läuft er durch labyrinthische Gänge, durch Katakomben, er probiert Türen, findet sie offen, verschlossen, findet neue Türen dahinter, er kriecht wie in „Alice im Wunderland" durch Minitüren, für die er zuvor auf verschlungenen Pfaden den Schlüssel erhalten hat. Stets vermutet man einen geheimnisvollen Plan hinter all dem, der mal in Sebastians Sinne und dann wieder gegen ihn zu laufen scheint. Und mit der wachsenden Verwirrung wird auch die Kameraführung unruhiger – Form und Inhalt fallen gewissermaßen zusammen, die Orientierung wird für den Betrachter dadurch aber auch immer schwieriger.

    Regisseur Ivo Trajkov schürt bestimmte Erwartungen, nur um am Ende doch eine ganz andere im Rückblick aber durchaus plausible Richtung einzuschlagen – damit erfüllt „90 Minuten" die Definition dessen, was in ähnlichen Fällen gerne als Mindfuck bezeichnet wird. Allerdings fällt dieser hier wenig befriedigend aus, dazu fehlen das Tempo und die Zielstrebigkeit. Und das obwohl Sebastians 90 Minuten ziemlich genau auch die 90 Minuten des Films sind. Doch der Reiz einer solchen Echtzeithandlung - ein erzählerischer Kniff, der ja geradezu für atemlose Spannung (siehe z.B. bei der TV-Serie „24") prädestiniert ist – wird hier nicht zur Geltung gebracht. Mit dem zunehmenden Realitätsverlust verliert die tickende Uhr an Bedeutung, denn was heißt schon Zeit bei einer Reise ins Ich? Abgesehen von den konventionellen Qualitäten des Films – etwa den eindrucksvoll fotografierten Berliner Schauplätzen oder den witzigen Gastauftritten wie etwa dem von Verona Pooth, früher Feldbusch, als Polizistin – gibt es also einige ungenutzte Chancen und Potenziale. Trajkov zeigt sowohl in formeller, als auch in thematischer Hinsicht einigen Mut, nur zu einem klar artikulierten Ganzen hat er seine vielen Ideen nicht zusammengefügt.

    Fazit: „90 Minuten – Das Berlin Projekt" ist ein Film für ein Publikum, das Spaß an sehr freien Assoziationsspiralen und an erzählerischen Experimenten hat. Für diese Zuschauer gibt es hier haufenweise interessante Ansätze, aber sie werden nur selten auch einladend genug präsentiert.

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