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    Flatliners
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Flatliners
    Von Andreas Staben

    Joel Schumachers „Flatliners“ von 1990 ist auch heute noch sehr spannend und besticht vor allem mit seiner charismatischen Starbesetzung um Julia Roberts, Kevin Bacon und Kiefer Sutherland. Trotzdem ist der Nahtod-Thriller kein unumstrittener Klassiker wie etwa „Ghostbusters“ oder „RoboCop“, bei denen ein Remake oder Reboot von vornherein auf verlorenem Posten zu stehen scheint. Die an der Schwelle von Leben und Tod angesiedelte Prämisse bietet vielmehr jede Menge Möglichkeiten für eine Neuauflage: Die Weiterentwicklung der Tricktechnik hat weiteren Spielraum für eine spektakulär-visionäre Bebilderung der künstlich herbeigeführten Herzstillstandausflüge in die Zwischenwelt eröffnet und auch die im Original nur gestreiften metaphysischen Aspekte ließen sich erzählerisch gewinnbringend vertiefen. Theoretisch jedenfalls. Aber was der schwedische Regisseur Niels Arden Oplev („Verblendung“, „Dead Man Down“) mit seinem 2017er „Flatliners“ nun vorlegt, ist von einer echten Neubelebung des Stoffes weit entfernt. Sein allzu schicker Thriller driftet alsbald in Horrorklischees ab, ohne jemals in die filmischen oder psychologischen Grenzbereiche vorzustoßen, die das Thema nahelegt. So ist „Flatliners“ ironischerweise ein extrem braver und zunehmend öder Film über Extreme. Vom Original bleibt die etwas einfache Moral, aber es fehlen die Spannung und der Stil.

    Dr. Barry Wolfson (Kiefer Sutherland) hat seine Studenten noch gewarnt, doch Courtney Holmes (Ellen Page) lässt sich nicht aufhalten. Die angehende Ärztin will unbedingt wissen, was an der Schwelle zum Jenseits im Gehirn vorgeht. Deshalb versetzt sie sich selbst in einen klinischen Todeszustand, nach 60 Sekunden sollen ihre Mitstudenten Jamie (James Norton), Marlo (Nina Dobrev) und Sophia (Kiersey Clemons) sie wiederbeleben. Doch es gibt Komplikationen. Erst als der erfahrenere Ray (Diego Luna) hinzukommt, gelingt es Courtney zurückzuholen. Wenig später zeigen sich allerdings erstaunliche Nebenwirkungen: Das Experiment scheint zu wirken wie eine Droge, denn Courtney hat plötzlich ein phänomenales Gedächtnis und glänzt mit meisterlichen medizinischen Diagnosen. Dieser Aussicht können die anderen aus der Gruppe nicht lange widerstehen. Als nächster wagt Jamie den gefährlichen Herzstillstand. Bald haben die mutwillig herbeigeführten Nahtoderfahrungen allerdings noch ganz andere, zunehmend beunruhigende Folgen…

    Im Vorfeld war es lange unklar, ob der neue „Flatliners“ nun ein Remake sein würde oder vielleicht sogar eine Fortsetzung. Letzteres erschien durchaus wahrscheinlich, nachdem die Mitwirkung von Original-Star Kiefer Sutherland („Designated Survivor“) angekündigt wurde und der Schauspieler selbst in einem Interview andeutete, dass er dieselbe Rolle spielen würde wie 1990. Nun ist er tatsächlich im 2017er Film zu sehen, aber die Verbindung zum alten Film ist nicht mehr zu erkennen. Sutherland ist nun Dr. Wolfson und erinnert mit seiner Gehhilfe viel eher an Dr. House als an den jugendlichen Heißsporn Nelson Wright von vor 27 Jahren. Angeblich gibt es eine geschnittene Szene mit Sutherland, die suggeriert, dass Wolfson und Wright ein und dieselbe Person sind, aber das ist letztlich ganz egal, denn so oder so ist Niels Arden Oplevs Film mehr Remake als ihm gut tut. Zwar sind dieses Mal die Frauen in der überdies nun auch ethnisch diversen Studentengruppe in der Mehrheit, während Julia Roberts einst in einer recht einseitigen „Pretty Woman“-Rolle vier Männern gegenüberstand, doch abgesehen von solchen äußerlichen Modernisierungen werden die Struktur und die Schwerpunkte des Originals eins zu eins übernommen.

    Nach einem Beginn, der trotz der bedeutungsschwangeren Erzählweise – schon bei dem eröffnenden tragischen Autounfall ahnt man als Betrachter sofort, worauf das hinausläuft – durchaus neugierig macht, verfolgt Regisseur Oplev nicht das Thema der wissenschaftlichen Hybris weiter und auch nicht den durch die im Remake neu hinzugefügten Nebeneffekte der Todestrips verstärkten Gotteskomplex („Ich bin Jesus!“, ruft Jamie einmal, nachdem er wundersame heilende Kräfte an sich entdeckt hat). Stattdessen werden die zu Superhelden mit perfektem Klavierspiel hochgedopten Protagonisten wie 1990 mit den Fehlern und traumatischen Erfahrungen aus ihrer Vergangenheit konfrontiert, die sie auf den üblichen Horrorfilmwegen heimsuchen. Gruselige Geräusche, ominöse Musik und plötzlich auftauchende Geistererscheinungen sorgen für ein paar halbwegs effektive Jump Scares, doch eine unheimliche Atmosphäre und wirkliche Beunruhigung (eine nächtliche Motorradfahrt zwischen Geschwindigkeitsrausch und unterschwelligem Unbehagen ist eine seltene Ausnahme) sind kaum zu spüren, was auch daran liegt, dass die blassen Figuren größtenteils kaum zum Mitfiebern anregen.

    Die keimfreie Welt des Krankenhauses korrespondiert mit dem Perfektionsdrang der unter Leistungs- und Konkurrenzdruck stehenden Protagonisten. Die Stadt (angeblich Boston, gedreht in Toronto), das Hospital, die Wohnungen, eine Yacht – alles ist gediegen und schick, auch die Menschen. Das wird in diesem Film der perfekten Oberflächen als ganz normal präsentiert und wenn sich die scheinbar Makellosen schließlich doch ihrer echten oder eingebildeten Schuld stellen müssen (das Spektrum reicht vom Arme-Freundin-Schwängern über Online-Stalking bis zu fahrlässiger Tötung), dann scheint das eher einem dramaturgischen Zwang zu entspringen als einem echten moralischen Dilemma. Die vermeintlichen emotionalen Verwerfungen macht dabei einzig Ellen Page („Juno“, „Inception“) in Ansätzen sichtbar, die in der am besten ausgearbeiteten Rolle des Films trotzdem noch stark unterfordert wirkt. Während „Rogue One“-Star Diego Luna immerhin noch persönlichen Charme aufblitzen lässt, ist James Norton („Happy Valley“) als oberarroganter Reichensprössling genauso wenig überzeugend wie Nina Dobrev („Vampire Diaries“) und Kiersey Clemons („Justice League“) in ihren grob skizzierten Parts. Wenn hier in diversen Club- und Sexszenen das Gefühl von Selbstvergessenheit und Ekstase beschworen werden soll, gibt es bloß hübsch-keusche, garantiert jugendfreie Bilderbögen ohne jede expressive Kraft und Leidenschaft. Dass dem ganzen Film die Emotionen fehlen, wird durch gezwungene Wendungen und das fragwürdige Ende noch unterstrichen.

    Fazit: Ähnlich wie die Nahtod-Experimente der Protagonisten erweist sich auch der filmische Wiederbelebungsversuch von „Flatliners“ als schlechte Idee. Dieses Remake ist auch ganz unabhängig vom Original ein misslungener Film.

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