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    Auge um Auge
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Auge um Auge
    Von Christoph Petersen

    Jeff Bridges hat in seiner Karriere schon mit Regie-Legenden wie Francis Ford Coppola, Terry Gilliam und Ridley Scott zusammengearbeitet. Aber seinen lange überfälligen Oscar nahm er erst 2010 ausgerechnet für den Film eines Regiedebütanten in Empfang: Scott Coopers Alkoholiker-Ballade „Crazy Heart“. Da verwundert es nicht, dass Hollywoods Hochkaräter für den zweiten Film des Regisseurs Schlange standen – und Cooper hat sich auch großzügig bedient: Christian Bale, Casey Affleck und Woody Harrelson sind nur die Speerspitze eines bis in kleine Nebenrollen namhaften Casts, der jeden Filmfan mit der Zunge schnalzen lässt. Trotzdem ist das Rache-Drama „Auge um Auge“ nur ein guter, aber kein herausragender Film geworden. Denn während Cooper jedem einzelnen seiner Stars genügend Raum zum Glänzen gibt, tritt er beim Erzählen seines geradlinigen Plots immer wieder allzu beherzt auf die Bremse. Und leider wird der Zuschauer dabei das Gefühl nicht los, dass der Regisseur und Co-Drehbuchautor damit vor allem seinen eigenen hochzielenden Anspruch unterstreichen will.

    Russell Baze (Christian Bale) schiebt nicht nur Doppelschichten im Stahlwerk, um seiner Freundin Lena (Zoe Saldana) endlich etwas bieten zu können, er kümmert sich auch fürsorglich um seinen kleinen Soldaten-Bruder Rodney (Casey Affleck), der seinen Sold regelmäßig beim Pferdewetten verzockt und beim ansässigen Buchmacher John Petty (Willem Dafoe) in der Kreide steht. Als Russell dann wegen eines im Suff verursachten Unfalls hinter Gitter muss, lässt sich Rodney auf den cholerisch-brutalen Gangster Harlan DeGroat (Woody Harrelson) ein, für den er bei einem illegalen Straßenkampf antritt. Eigentlich soll Rodney den Kampf absichtlich verlieren, doch dann gehen die Gäule mit ihm durch. Als Russell wieder aus dem Knast kommt, ist sein Bruder verschwunden. Und weil er zudem das Gefühl hat, dass der örtliche Sheriff Wesley Barnes (Forest Whitaker) nicht offensiv genug ermittelt, nimmt er die Sache selbst in die Hand…

    Erst kam der Ort, dann der Plot: Nach dem Besuch der unter dem Zusammenbruch der Stahlindustrie leidenden Kleinstadt Braddock in Pennsylvania wollte Scott Cooper die 2.500-Seelen-Gemeinde unbedingt als Hintergrund für seinen nächsten Film. Erst danach ist der Regisseur auf das hochgehandelte Skript zum Thriller „The Low Dweller“ (sollte mal von Ridley Scott mit Leonardo DiCaprio verfilmt werden) gestoßen, dessen Handlung er kurzerhand nach Braddock verlegte. Und diese Interessenlage spiegelt sich auch im fertigen Film wider: Denn selbst wenn der eigentliche Rache-Plot nichts mit der Stadt oder der Stahlindustrie zu tun hat, ist der brutal zerschellte Amerikanische Traum, den niedergegangene Industrieorte wie Braddock perfekt symbolisieren, doch allgegenwärtig: Alle Figuren sind desillusioniert, Hoffnung keimt in ihnen immer nur für kurze Augenblicke auf und ihre Handlungen sprechen dafür, dass sie sich und ihre Zukunft ohnehin längst aufgegeben haben.

    Aber „Auge um Auge“ ist eben nicht nur das raue Porträt einer im Zerfallen befindlichen Stadt, er hat zumindest auf dem Papier auch alle Elemente, die man für einen anständigen Rache-Reißer benötigt. Nur: Scott Cooper hat offensichtlich kein Interesse daran, seine Genre-Elemente auf die herkömmliche Art auszuspielen. Stattdessen nimmt er sich mehr als die Hälfte der Spielzeit für eine ausführliche Exposition, bevor der eigentliche Plot überhaupt einsetzt. Aber so gerne man diesen eigenwilligen Ansatz auch begrüßen möchte, dafür erscheinen die sich einschleichenden Längen zu sehr wie ein bewusstes Stilmittel, mit dem der Regisseur vor allem deutlich machen will, wie ernst ihm das alles ist. So bleibt am Ende festzuhalten: Das bewusste Unterlaufen der Publikumserwartungen ist Scott Cooper in diesem Fall sogar zu gut gelungen.

    Aber es gibt ja auch noch die großartigen Darsteller und die machen „Auge um Auge“ selbst dann sehenswert, wenn die Erzählung mal wieder ins  Stocken gerät: Denn wenn selbst ein gut aufgelegter Casey Affleck („Gone Baby Gone“) als sehniger Streetfighter und ein herrlich schäbiger Willem Dafoe („Spider-Man“) als Kleinstadt-Drogenbaron nicht zu den eingängigsten Performances eines Films zählen, dann will das schon was heißen. Stattdessen drängt sich der zweifach Oscarnominierte Woody Harrelson („Now You See Me – Die Unfassbaren“) mit einer Psychopathen-Show auf „Natural Born Killers“-Niveau in den Vordergrund, dass es dem Publikum bei jedem seiner Auftritte eiskalt den Rücken runterläuft.

    Im Mittelpunkt steht aber Christian Bale. Der beweist nach seiner Batman/Terminator-Blockbuster-Phase mit dem Volltreffer-Tripple „The Fighter“, „American Hustle“ und nun „Auge um Auge“ endgültig, dass er nicht nur zu den größten, sondern auch zu den schauspielerisch stärksten Stars seiner Generation zählt. Als sich inmitten des Verfalls noch an den letzten Strohhalm klammernder Stahlarbeiter verleiht er dem pflichtbewussten Russell eine so mitreißende Menschlichkeit, dass es einem den Boden unter den Füßen wegreißt, wenn auch noch der letzte Funke Hoffnung in seinen Augen erlöscht. Und das Treffen mit seiner Ex-Freundin auf einer Brücke, wo sie ihm eröffnet, dass sie ihn zwar immer noch liebt, aber ein Kind von einem anderen Mann erwartet, ist schlicht grandios herzzerreißend.

    Fazit: Christian Bale liefert eine der stärksten Performances seiner Karriere, aber der unnötig behäbig erzählte Plot kann mit den durchweg fantastischen Darstellerlern leider nicht mithalten.

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