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    Der Fluss war einst ein Mensch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Fluss war einst ein Mensch
    Von Kevin Huber

    Eine restlos globalisierte Welt fördert Kuriositäten zu Tage: Die schwäbische Hausfrau zaubert asiatische Spezialitäten auf den Mittagstisch, der Berliner Hipster packt seinen iPod mit weltmusikalischen Klängen voll, ohne zu wissen, was dabei besungen wird, die gutbetuchte Bildungselite versucht sich an einem Hobby, das man auch als Dritte-Welt-Hopping bezeichnen kann: Innerhalb weniger Tage möglichst zahlreiche fremdartige Kulturen hautnah zu erleben, ist für den Flugreisenden heutzutage kein Problem mehr. Mag solch kultureller Austausch grundsätzlich begrüßenswert sein, so spielt dabei auf Seiten der Industrienationen oft auch eine gewisse Überheblichkeit eine Rolle. Die Einheimischen werden beobachtet, bestaunt und durchgefüttert wie Tiere im Zoo, auf dass sich der Besucher bei seiner Rückkehr in die „zivilisierte" Welt ganz besonders wohltätig, weltoffen und kulturell bereichert fühlen kann. Regisseur Jan Zabeil setzt diesem Irrweg in seinem zu großen Teilen improvisierten Afrika-Drama „Der Fluss war einst ein Mensch" einen unbefangenen und kritischen Blick entgegen, der vor allem auch die unterschiedlichen Beziehungen zu Natur und Spiritualität offenlegt.

    Ein junger Deutscher (Alexander Fehling) reist alleine durch die Wildnis des Okavango-Deltas in Botsuana. Er lässt sein Auto am Wegrand stehen und schließt sich einem einheimischen Fischer (Sariqo Sakaga) an, um mit ihm eine Weile in seinem Kanu durch die Gewässer zu treiben. Später, als es dunkel wird, lassen sich die beiden Männer an einem Lagerfeuer nieder, knüpfen eine zarte Freundschaft und richten sich für die Nacht ein. Als der Deutsche am nächsten Morgen erwacht, ist der Fischer überraschend gestorben. Ganz auf sich gestellt, ohne den Rückweg zu kennen, beginnt für den jungen Mann eine zermürbende Odyssee durch die Gefahren der Wildnis und die fremden Bräuche der Einheimischen.

    Regisseur Jan Zabeil hält die Hintergründe seiner Hauptfigur bewusst vage. Ein namenloser Deutscher, der allein durch die afrikanische Einsamkeit reist - das lässt an einen Sinnsuchenden denken. Der Zuschauer erfährt nur, dass es sich bei Alexander Fehlings („Goethe") Figur um einen Schauspieler handelt – das ist zum einen ein klassischer Erste-Welt-Beruf, zum anderen ein Hinweis darauf, dass Fehling sich im Grunde selbst spielt. Andererseits ist er ein Jedermann ohne plakative Charaktereigenschaften, ihm werden auch keine besonderen Absichten zugeschrieben. Zabeil fängt universelle menschliche Gefühlszustände ein statt sich an der individuellen Geschichte seiner Hauptfigur abzuarbeiten: Die meditative Ruhe auf dem Wasser, die Angst, eine Nacht allein in der gefährlichen Wildnis verbringen zu müssen - in „Der Fluss war einst ein Mensch" steht ganz generell das Verhältnis von Mensch und Natur im Mittelpunkt. Zabeil filmt dies in überwiegend langen, ruhigen Kameraeinstellungen und unterlegt es mit einer lebhaft-authentischen Geräuschkulisse

    Seine kritische Botschaft arbeitet Jan Zabeil in den Szenen heraus, indem er beim Zusammentreffen des Deutschen mit Einheimischen die unterschiedlichen Lebenswelten kollidieren lässt. Während sich etwa der Fischer souverän durch das Delta bewegt, wirkt der Schauspieler völlig hilflos und wird von seinen westlichen „Errungenschaften" wie etwa einem Feuerzeug im Stich gelassen. Wenn er später ein kleines Dorf erreicht, ist er desillusioniert von der Abwesenheit von Telefonen oder Einkaufsmöglichkeiten und befremdet von den Verständnisproblemen sowie den dortigen Ritualen - die Opferung einer Ziege etwa, die Zabeil erfrischend nüchtern einfängt. Alexander Fehlings nuancierte Performance lässt selbst in diesen Momenten höchster Not noch einen subtilen Hauch Ignoranz gegenüber den afrikanischen Weisheiten und Gepflogenheiten durchblicken. Diesmal sind es aber nicht die vermeintlich primitiven Afrikaner, die Hilfe brauchen, sondern der westliche Fremdkörper, der dennoch auf sie herabblickt. Und das obwohl seine Bitte um Beistand und die sich daraus ergebenden Konsequenzen weder erwünscht sind noch toleriert werden müssen.

    Fazit: Mit beeindruckenden, stellenweise meditativen Naturaufnahmen und einer auf das Wesentliche reduzierten Handlung verhandelt Jan Zabeil mit „Der Fluss war einst ein Mensch" so subtil wie einnehmend die widersprüchliche Beziehung der Industrienationen zur Dritten Welt.

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