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    Eiskalte Engel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Eiskalte Engel
    Von Andreas R. Becker

    Die eiskalten Engel und ihre grausamen Absichten sorgten 1999 für einen großen Kinoerfolg, obwohl es sich bei den im Original mit dem Titel „Cruel Intentions“ versehenen Machenschaften nur um eine von zahlreichen Verfilmungen des berühmten Briefromans Gefährliche Liebschaften von Pierre Choderlos de Laclos aus dem Jahr 1782 handelt. Die bis heute wahrscheinlich bekannteste Filmversion ist die den Titel des Romans tragende, mit drei Oscars ausgezeichnete Adaption von 1988 mit Glenn Close („Eine verhängnisvolle Affäre“) und John Malkovich (Burn After Reading). Während deren Regisseur Stephen Frears (High Fidelity, Die Queen) und sein Drehbuchautor Christopher Hampton (Abbitte) sich noch recht eng an die Vorlage hielten, verlegte Roger Kumble sein zynisches Sittengemälde vom 18. Jahrhundert in die Gegenwart. Ob er mit seiner Erzählung um zwei versnobte Stiefgeschwister einen jungen Kultfilm oder doch nur einen gewöhnlichen Sex-and-Seduction-Streifen hinterlassen hat, mag vor allem eine Generationenfrage sein. Jedenfalls wirkt „Eiskalte Engel“ eine Dekade nach seiner Veröffentlichung hier und da doch schon etwas angestaubt. Dennoch: Ein smarter Ryan Phillippe und eine gar nicht buffy-blondierte, sondern moralbefreit-brünette Sarah Michelle Gellar überzeugen auch aus heutiger Sicht. Mit ihrer Hilfe verschafft uns Kumble einige kompromisslose Einblicke in die Verstrickungen menschlichen Begehrens und zeigt die immer noch ungleiche Behandlung von Männern und Frauen beim Thema Sex auf. Mit dem Hit von The Verve wird es am Ende des Films treffend auf den Punkt gebracht: „Eiskalte Engel“ ist eine sehens- und hörenswerte „Bitter Sweet Symphony“ – offen, ehrlich und bis zum Schluss konsequent.

    Kathryn Merteuil (Sarah Michelle Gellar, „Buffy“, Der Fluch) und Sebastian Valmont (Ryan Phillippe, L.A. Crash, Flags Of Our Fathers) sind Stiefgeschwister und führen ein dekadentes Leben in New York, das ihre reichen und abwesenden Eltern finanzieren. Während Sebastian am Elite-College ein zweifelhafter Ruf als Womanizer vorauseilt, weiß Kathryn sich an der Oberfläche als tadellose Schülersprecherin zu verkleiden. Darunter tun sich jedoch noch tiefere menschliche Abgründe aus Berechnung und verletzter Eitelkeit auf als bei ihrem Bruder. So bietet sie ihm eine perfide Wette an, um sich über Umwege an einem Ex-Lover zu rächen. Sebastian lässt sich auf den Deal ein und setzt seinen 1956er Jaguar XK 120 gegen die Aussicht auf Sex mit der Stiefschwester. Die Aufgabe des Herzensbrechers ist die Verführung der züchtigen Musterschülerin Annette Hargrove (Reese Witherspoon, Natürlich blond, Walk The Line), die dem Credo „Kein Sex vor der Ehe“ folgt. Recht bald kommt ein ungeplantes Element mit ins Spiel: Liebe. Die Beteiligten verstricken sich in ein immer dichteres Netz aus Intrigen, Kathryn und Sebastian nehmen Kollateralschäden billigend in Kauf – bis zum bitter-süßen Ende.

    Das intrigante Treiben offenbart in seiner befreienden Ehrlichkeit gleichermaßen komische wie erschreckende Gefühlswelten. Hier wird sich nicht um sprachliche Political Correctness geschert, sondern Dinge werden auf den Punkt gebracht – zuweilen auch mit unzweifelhaft sexuellen Metaphern. Dabei ist „Eiskalte Engel“ erstaunlich stark auf der auditiven Ebene geprägt. Zwar stechen beispielsweise die charakteristischen Hubschrauberaufnahmen im Intro oder eine gefühlvoll inszenierte Sexszene auch visuell hervor, es sind es aber vor allem die bissigen zweideutigen Wortgefechte und der grandios kompilierte, epische Soundtrack, die in Erinnerung bleiben.

    Der Look des Films ist sehr den Neunzigern verhaftet, was zuweilen heute schon einen distanzierenden Retro-Effekt besitzt. Die Arbeit der Ausstatter und Kostümbildner ist in diesem Rahmen glaubwürdig und unaufdringlich, nur punktuell werden über das Design Akzente gesetzt. So erinnert das Kostüm von Sarah Michelle Gellar in ihrer nicht nur aufgrund diverser Persiflagen denkwürdigen Kuss-Szene mit Selma Blair (Hellboy – Die goldene Armee) im Park sicher nicht zufällig an den klassischen Stil der Modeikone Audrey Hepburn (Frühstück bei Tiffany).

    „Eat me, Sebastian! It's okay for guys like you and Court to fuck everyone. But when I do it, I get dumped for innocent little twits like Cecile. God forbid, I exude confidence and enjoy sex.“ (Sarah Michelle Gellar als Kathryn Merteuil)

    Gellars, die mit ihrer Glanzleistung als eiskalte Desillusionierte aus dem insgesamt überzeugenden Ensemble hervorsticht, vollführt einen gekonnten Spagat zwischen damenhafter Fassade und Koks-konsumierender Femme Fatale. Das doppelte Spiel ist einer doppelten Geschlechtermoral geschuldet: Während es für Sebastian als heldenhaft und im positiven Sinne männlich gilt, ein promiskuitives Leben zu führen, riskiert Kathryn als Frau für dieselbe Einstellung den „Schlampenstempel“ und läuft Gefahr gegen ein jüngeres, „unbeflecktes“ Exemplar ausgetauscht zu werden. Solche geschickt anklingenden feministischen und gesellschaftskritischen Gedanken unterscheiden „Eiskalte Engel” von gewöhnlichen intrigengespickten Sex-Thrillern, gerade in diesen Bezügen ist er auch heute noch aktuell.

    Fazit: Mit den großartigen Hauptdarstellern, bissigen und kompromisslosen Dialogen, bei denen das Lachen auch mal im Halse stecken bleiben kann und einem famosen Soundtrack ist „Eiskalte Engel“ das (erneute) Sehen immer noch wert.

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