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    Nach der Stille
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Nach der Stille
    Von Asokan Nirmalarajah

    Wenn ein emotionalisierendes Drama in Form einer Dokumentation sich der schwierigen Thematik des Nahostkonfliktes annimmt, ist es klar, dass es nicht nur auf Gegenliebe stoßen wird. Nicht wenige Vertreter der Filmkritiker-Zunft werden das Unterfangen als kitschig und im Zweifelsfall als kontraproduktiv abtun. Im Falle von „Nach der Stille" brach die Empörung jedoch schon innerhalb des Produktionsstabes aus. Die als Fremdenführerin angeworbene und als Co-Regisseurin von „Nach der Stille" gelistete Palästinenserin Manal Abdallah ist außer sich und distanziert sich von ihren Kolleginnen - den deutschen Regiedebütantinnen Stephanie Bürger und Jule Ott. Wie kämen diese nur auf die Idee, wettert die engagierte Studentin, an dem sicherlich bewegenden, aber unterkomplexen Beispiel eines außergewöhnlichen Einzelschicksals den gesamten israelisch-palästinensischen Konflikt sinnbildlich erklären zu wollen? Schlimmer noch: Ihre Sentimentalisierung und Domestizierung des langen, komplizierten Völkerkriegs sei womöglich sogar gefährlich. Die tragische Geschichte ihrer Heimatstadt Jenin wird sicherlich kein Ende mit einer großen tränenreichen Versöhnungsszene finden, wie es in ihrem Doku-Drama geschieht. Diese Kritik mussten sich bereits die Regisseure Marcus Vetter und Leon Geller für ihre Dokumentation „Das Herz von Jenin" gefallen lassen, deren Erfolg erst den politisch nicht weniger naiven, aber mindestens ebenso bewegenden Film „Nach der Stille" ermöglicht hat. Bei allem verständlichen Unbehagen von Seiten Abdallah, ist die erste deutsch-palästinensische Co-Produktion aus der Initiative „Cinema Jenin" aber eine feinfühlig und bedächtig erzählte Geschichte geworden.

    Die in Israel lebende Französin Yaël Armanet-Chernobroda, so erfährt man von ihr selbst aus dem Off zu Beginn des Films, war so beeindruckt von „Das Herz von Jenin", dass sie Regisseur Vetter mit ihrer eigenen Geschichte kontaktierte. Ihr Mann Dov Chernobroda, ein israelischer Architekt und engagierter Friedensaktivist in den Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern, starb am 31. März 2002, zusammen mit 14 weiteren Menschen, in einem Restaurant in Haifa durch ein Bombenattentat. Der Täter, der die Bombe am Körper trug, war der 24-jährige Palästinenser Shadi Tobassi, dessen Familie im westjordanischen Jenin lebt. Acht Jahre nach dem Attentat sucht Yaël Versöhnung mit der Familie des Attentäters, die, so vermutet Yaël, nicht weniger um ihr Familienmitglied trauert, als sie selbst.

    Im Auftrag des Universitätsdozenten Vetter machten sich Stephanie Bürger und Jule Ott auf, die bangen Wochen vor der kontroversen Begegnung festzuhalten, und hierfür auch die Verwandten von Shadi Tobassi, vor allem dessen tiefgläubigen Vater Zakaria Tobassi, zu besuchen und dazu zu bringen, über den tief sitzenden Schmerz über ihren Verlust zu sprechen. Wenn Familienoberhaupt Zakaria über die, für ihn nicht nachvollziehbaren, Handlungen seines Sohnes sinniert, schließlich vor Tränen zusammenbricht und sich für einen Moment aus dem Bild entschuldigt, um sich zu sammeln, dann ist das zum einen sehr ergreifend. Zum anderen wird dabei die manipulative Agenda und Botschaft des Films überdeutlich: Alle Überlebenden, die ihre Angehörigen während des Konflikts verloren haben, sind Opfer, alle trauern sie für sich und sehen die Schuld bei den anderen. Die Trauer kann sie aber auch vereinen – so zumindest die hoffnungsvolle Botschaft des stimmungsvoll bebilderten Werks. Nicht gerade subtil, aber wirksam.

    Damit fungiert „Nach der Stille" auch als effektives Aushängeschild für das Projekt „Cinema Jenin", das unter dem Motto „Ein Kino für den Frieden" in Jenin nicht nur das einzige Kino der Stadt wiedereröffnet hat, sondern auch durch das interkulturelle Medium Film zu einem besseren Verhältnis zwischen den Völkergruppen Israels beitragen will. Ob die Macht des Films tatsächlich so weit reichen wird, sei dahingestellt. Nicht zu leugnen aber ist die emotionale Zugkraft der sorgfältigen, meist dezenten Präsentation der langsamen Annäherung zweier Familien, die ungewollt in einen Konflikt gezogen wurden, den sie nicht einmal mehr verstehen.

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