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    A World Beyond
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    A World Beyond
    Von Andreas Staben

    Kriege, Krisen, Katastrophen: Wer heutzutage eine Nachrichtensendung einschaltet, der muss fast zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass es ziemlich schlecht um unseren Planeten bestellt ist – und dass die Zukunft düster aussieht. Vom unausweichlichen Weltuntergang ist auch der grantige Frank (gespielt von einem bärtig-unglamourösen George Clooney) überzeugt, der sich zu Beginn von Brad Birds Mystery-Science-Fiction-Abenteuer „A World Beyond“ direkt an die Kinozuschauer wendet. Aber dann widerspricht plötzlich eine jüngere weibliche Stimme dem Pessimisten und plädiert für einen deutlich positiveren Blick in die Zukunft. Damit ist der ambitionierte zentrale Konflikt dieser kolportiert 190 Millionen Dollar teuren Produktion aus dem Hause Disney schon nach wenigen Minuten in aller Deutlichkeit etabliert und genauso schnell ist klar, welcher Sichtweise sich die Filmemacher anschließen. Doch der im Grunde sympathische Optimismus, den Regisseur Bird und sein Co-Drehbuchautor Damon Lindelof („Lost“) hier an den Tag legen, wirkt vom ungelenken Heimvideo-Anfang bis zum politisch überkorrekten utopischen Finale immer wieder allzu bemüht - so erweist sich ihr Blockbuster als vor allem visuell oft beeindruckende Achterbahnfahrt durch verschiedene Zeiten, Genres und Dimensionen, die nur selten wirklich berührt oder zum Staunen bringt.

    1964: Frank Walker (Thomas Robinson) will mit seinem selbstgebastelten Raketenrucksack am Erfinderwettstreit der New Yorker Weltausstellung teilnehmen, aber der strenge Regelhüter David Nix (Hugh Laurie) schickt den Schüler weg, weil der aufgemotzte Staubsauger noch nicht ganz funktionstüchtig ist. Zumindest hat das etwa gleichaltrige Mädchen Athena (Raffey Cassidy) ein paar nette Worte für den enttäuschten Junior-Tüftler übrig und steckt ihm einen mysteriösen Pin zu. Der verschafft ihm Zugang zu der futuristischen Parallelwelt Tomorrowland, wo der kleine Träumer sich sofort zu Hause fühlt. 50 Jahre später findet die rebellische junge Frau Casey Newton (Britt Robertson) einen ebensolchen Tomorrowland-Pin, auch dafür hat die in all den Jahren nicht gealterte Athena gesorgt, die Casey braucht, um den drohenden Weltuntergang zu verhindern: Sie bringt sie zu Frank (jetzt: George Clooney), der vor langer Zeit aus Tomorrowland verstoßen wurde und sich in einem abgelegenen Haus verschanzt hat…

    Muss ich alles erklären? Kannst du nicht einfach nur staunen?“, fragt George Clooneys Frank die neugierige NASA-Enthusiastin Casey und damit richtet er sich natürlich zugleich an das Kinopublikum. Die Zeile lässt sich nämlich auch als ironische Aufforderung verstehen, nicht allzu viele Fragen nach Zusammenhängen, Hintergründen und Motivationen zu stellen, sondern sich schlicht vom Spektakel beeindrucken zu lassen – schließlich basiert „A World Beyond“ wie schon die „Fluch der Karibik“-Reihe auf einer naturgemäß erzählerisch nicht gerade komplexen Disney-Themenparkattraktion. Die recht oberflächlich gezeichneten Figuren (insbesondere Clooneys Part ist kaum mehr als die aufs funktionale Minimum beschränkte Verkörperung des desillusionierten Bedenkenträgers) und einige lose Enden besonders bei der Darstellung der futuristischen Parallelwelt (etwa bei der Rolle der Androiden) legen eine solche Sichtweise nahe. Andererseits ist „A World Beyond“ nicht nur wegen der trotz allem recht ausführlichen erklärenden Dialoge mindestens so sehr ein Film der Ideen wie der Schauwerte. Bird bietet nicht wenige faszinierende Denkanstöße und immer wieder ist sein Film auch ein pures sinnliches Vergnügen. Nur finden die beiden Ebenen in dem dramaturgisch wenig ausgewogenen Werk kaum einmal zusammen.

    Nach dem ausführlichen in 60er-Jahre-Nostalgie getauchten Prolog mit seinem spektakulären Weltausstellungsset ist der erste Ausflug nach Tomorrowland eine kleine Enttäuschung, denn die hauptsächlich in der Stadt der Künste und der Wissenschaften im spanischen Valencia gedrehte Szene ist zu knapp bemessen, um die sicher beabsichtigte überwältigende Wirkung zu entfalten. Außerdem kann die Kulisse mit ihren gläsernen Wolkenkratzern, der chromglänzenden Einschienenbahn und den schick gewandeten Leuten auf den ebenso geräumigen wie sauberen Brücken und Wegen mit der visionären Symbolik, die ihr hier zugewiesen wird, nicht mithalten. Caseys spätere blitzartige Visionen von Tomorrowland sind da weitaus effektvoller: Das Konzept der Parallelwelt ist in „A World Beyond“ eindeutig wichtiger als der konkrete Schauplatz Tomorrowland. Erst nach einem actiongeladenen Ausflug in einen Spielzeugladen (auch hier hätte man sich mehr Zeit zum Schwelgen in den „Star Wars“-Devotionalien und anderen Nerd-Schätzen gewünscht) und einer langen Road-Movie-Passage folgen zwei Sequenzen, in denen originelles Design, inszenatorische Dynamik und Inhaltliches wirklich überzeugend Hand in Hand gehen: bei der Belagerung von Franks mit allerlei Fallen zur Festung aufgerüstetem Haus und bei einem mitreißenden Abstecher nach Paris, wo der Eiffelturm auf verblüffende Weise zweckentfremdet wird (samt eines amüsanten Gastauftritts des Quartetts Gustave Eiffel, Jules Verne, Thomas Edison und Nikola Tesla).

    Solche Bravourstücke machen „A World Beyond“ zu einem allemal sehenswerten Film, aber es muss klar gesagt werden, dass der zweifache Oscargewinner Brad Bird die besten Actionszenen aus „Mission: Impossible – Phantom Protokoll“ diesmal genauso wenig erreicht wie den Einfallsreichtum seiner Pixar-Hits „Die Unglaublichen“ und „Ratatouille“ oder die Gefühlstiefe seines Debüts „Der Gigant aus dem All“. Dazu bleiben zu viele der gleichsam im Vorbeigehen angeschnittenen Themen im Ansatz stecken. So hat man etwa der Frage nach dem Menschlichen in Künstlicher Intelligenz in Werken von „A.I.“ über „Her“ bis zu „Ex Machina“ deutlich mehr Nuancen abgewonnen, dazu fehlt hier trotz der hervorragenden Leistung von Newcomerin Raffey Cassidy („Dark Shadows“, „Mr. Selfridge“) auch der letzte emotionale Punch. Und wenn am Ende suggeriert wird, dass es vor allem auch die vielen dystopischen Geschichten in Film und Fernsehen sind und nicht so sehr die realen Gefahren, die uns verzagt in die Zukunft blicken lassen, und wenn dem wie in einem Firmenimagefilm das Ideal einer multikulturellen Problemlöser-Elite aus dem Musterkatalog entgegengestellt wird, dann wird das Hauptthema zu einem etwas fragwürdigen Schluss gebracht. Da ist es auch nicht mehr allzu weit bis zur (Disney)-Selbstbeweihräucherung.

    Fazit: Leider bringt uns Brad Bird in seinem zweiten Realfilm nicht mehr so sehr zum Staunen wie in seinen früheren Filmen wie „Der Gigant aus dem All“, „Die Unglaublichen“ oder „Mission: Impossible – Phantom Protokoll“ – und dabei geht es bei „A World Beyond“ doch genau darum.

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