Wenn ehrenwerte Helden in Zeitlupe meterlange Hechtsprünge absolvieren und dabei ganze Schurkenheere mit Kugeln aus zwei großkalibrigen Kanonen vollpumpen, wird im filmischen Walhall auf John Woo angestoßen. Der oft kopierte Chinese hat Action-Archetypen geschaffen – mit seinem Superhit „A Better Tomorrow" von 1986 hat er damit begonnen und seine zuvor eher unspektakuläre Karriere als Auftragsregisseur für Martial-Arts-Heuler und hysterische Komödien vergessen gemacht. Die westliche Presse rief ihn sogar als Nachfolger Sam Peckinpahs aus, dessen Slow-Motion-Gewalt-Ästhetisierung er aufgriff und verfeinerte. Dabei brachte Woo auch das große Melodram ins Actionkino der Achtziger zurück: Hier durften Helden endlich wieder Gefühle zeigen, sogar bitterlich weinen. Mit seiner offenen Bereitschaft zum verschmusten Männlichkeits-Kitsch prägte Woo das „Heroic Bloodshed"-Genre; auf „A Better Tomorrow" folgten „The Killer", „Bullet in the Head" und „Hard Boiled". Dann gab er dem Ruf Hollywoods nach und demontierte seinen Legendenstatus mit uninspirierter Auftragsware wie „Windtalkers" und „Paycheck". Mit dem staatstragenden Schlachtenepos „Red Cliff" ist er zuletzt zu seinen Hong-Kong-Wurzeln zurückgekehrt, seine alten Glanztaten jedoch bleiben unerreicht. Nun gibt Woo den Kurator seines eigenen Hauptwerkes und fungiert als „Executive Producer" (sprich: er gab seinen Segen) bei Song Hae-sungs „A Better Tomorrow 2K12", dem südkoreanischen Remake seines Durchbruchfilms.
Bei seiner Flucht aus der Diktatur Nordkorea musste der junge Kim Hyeok (Jin-mo Ju) einst seinen Bruder Kim Cheol (Kim Kang-woo) und seine Mutter zurücklassen, seitdem leidet er unter Albträumen und Selbstzweifeln. Im demokratischen Süden ist er derweil schnell zu einer einflussreichen Figur in der Unterwelt Pusans aufgestiegen. Zusammen mit seiner rechten Hand Young-choon (Seung-Heon Song) betreibt er mit selbstmörderischer Arroganz ein lukratives Waffengeschäft, bis es eines Tages auch seinen Bruder in den Süden verschlägt. Kim Cheol gibt seinem Bruder die Schuld für den kummervollen Tod der Mutter. Kim Hyeok schwört Besserung, wird jedoch bei einem letzten Coup in Thailand von seinem Handlanger Tae-min (Han Sun Jo) verraten. Zwar entgeht er bei einem Hinterhalt knapp dem Tod, wandert jedoch für Jahre hinter thailändische Gitter. Während seiner Abwesenheit hat sich viel verändert: Der linkische Tae-min ist zum Boss des Syndikats aufgestiegen und sein Bruder zu einem verhärmten Polizisten geworden, der ihm nicht vergeben kann. Kim Hyeok gerät ein weiteres Mal zwischen alle Fronten...
Im Verlauf der Nullerjahre hat sich das koreanische Actionkino als legitimer Thronfolger der einstigen Action-Hochburg Hong Kong empfohlen. Wo anderswo mehr schlecht als recht bloß Trademarks kopiert wurden, hat man in der geteilten Nation am gelben Meer Tempo, Dynamik und Dramatik tradiert und dabei eine gleichermaßen zitatreiche und doch eigene, wuchtige Filmsprache entwickelt. Gute Vorzeichen also für eine kreative Modernisierung, für eine neue Perspektive auf John Woos Klassiker – und doch hat sich Song Hae-sung mit „A Better Tomorrow 2K12" verhoben, ganz gleich, wie handwerklich grandios er Woos Stoff auf Hochglanz poliert. Die theatralischen Zeitlupen-Balletts wurden auf den neuesten südkoreanischen Stand gebracht; dementsprechend rabiat und ungleich handfester scheppert es nun im Gebälk. Atmosphärische Lichtsetzung, agile Kamera, prächtige Interieurs – "A Better Tomorrow 2K12" sieht fantastisch aus. Auch inhaltlich ist der Transfer geglückt: Song Hae-sung hat Woos Stoff nicht nur konsequent ins Hier und Jetzt verlegt, sondern mit dem Nordkorea-Hintergrund der Protagonisten sogar kongenial an die Geschichte seiner Heimat angepasst.
Nebenbei hat er dabei auch ein paar alte Mängel ausgebügelt. Wo Woo im Jahre 1986 zwar bereits ein großartiger Action-Choreograph, weniger aber ein taktvoller Geschichtenerzähler war, umschifft Song Hae-sung gekonnt jede noch so kleine Skript-Unzulänglichkeit des Originals – seien es die debilen, deplatzierten Klamauk-Anflüge oder die zähe Handlungsentwicklung. „A Better Tomorrow 2K12" ist schneller, fokussierter und stromlinienförmiger. Sogar die homoerotischen Tendenzen in Woos Oeuvre werden angetippt, wenn die einzige halbwegs relevante Frauenrolle, die bereits im Original eher wie ein Alibi wirkte, ersatzlos gestrichen wird – beim Wallen im Bruderschaftspathos würden Frauen wohl sowieso nur stören. All das ist schön und gut, bloß: Handwerkliche hochwertige Filme wie „A Better Tomorrow 2K12" schwappen im Monats-, wenn nicht gar im Wochentakt über koreanische Leinwände und deutsche DVD-Märkte.
Song Hae-sungs Film ist schön anzuschauen und verweist die allermeisten US-Genreproduktion auf die Plätze, der flirrende Wahnwitz der Achtziger jedoch ist Geschichte. Wo sich damals mit Shaw-Brothers-Veteran Ti Lung und dem kantonesischen James Dean Leslie Cheung echte Hong-Kong-Hochkaräter die Seele aus dem Leib spielten, stellen nunmehr begabte und doch austauschbare Beaus Posen nach, ohne dabei auch nur ansatzweise die ikonische Kraft ihrer Vorgänger auszustrahlen. Besonders der arme Song Seung-heon, Rollenerbe des großen Chow Yun-Fat, scheitert kläglich bei seinem Versuch, dem laut L.A. Times „coolsten Schauspieler der Welt" das Wasser zu reichen. Wo „A Better Tomorrow" exzentrisch war, ist das Remake bloß gelackt. In jeder Peinlichkeit des Originals scheinen mehr Liebe und Mut als in diesem Reißbrett-Radau zu stecken. Song Hae-sung macht vieles richtig und einiges besser, arbeitet dabei jedoch so gefällig und überkorrekt, als würde er auf ein Fleißsternchen hoffen. Wo 1986 noch die Leidenschaft aus dem Celluloid quoll und Woo Einstellung für Einstellung brodelnde, ungestüme Energie verströmte, ist das südkoreanische Remake leider nie mehr als nur die Summe seiner durchaus anschauenswerten Bestandteile.