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    James Bond 007 jagt Dr. No
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    James Bond 007 jagt Dr. No
    Von Martin Soyka

    Die Geschichte zu „James Bond 007 jagt Dr. No“ ist schnell erzählt: Auf Jamaika wird der britische Geheimdienst-Verbindungsmann Strangways ermordet. Der MI 6 schickt einen seiner besten Agenten, James Bond (Sean Connery), nach Jamaika, um das Verschwinden des Mitarbeiters aufzuklären. Kaum auf der paradiesischen Insel angekommen, muss sich Bond erster Anschläge auf sein Leben erwehren, kommt aber dennoch dem Treiben des mysteriösen Dr. No (Joseph Wiseman) auf die Spur, der auf dem nahe gelegenen Crab Key seine Festung hat. Doch statt des Drachens, der dort umgehen soll, entdeckt 007 dort zunächst ein Mädchen im Bikini (Ursula Andress) und dann noch etwas ganz anderes…

    Die Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Salzman taten sich Anfang der 1960er Jahre zusammen, um mit den von ihnen erworbenen Rechten der Romanreihe von Ian Fleming Geld zu verdienen. Wie viel Geld sie damit verdienen sollten, war ihnen wahrscheinlich nicht mal ansatzweise klar. Andererseits waren sie von Anfang an Willens, eine Filmserie zu realisieren. Aus diesem Grund sagten auch viele bekannte Schauspieler, denen die Hauptrolle angeboten worden waren, ab, weil sie sich nicht in einer Serie verheizen lassen wollten, unter anderem der vom Autoren favorisierte David Niven (!). Statt dessen veranstaltete man ein langwieriges Casting. Besonders beeindruckend fanden die Produzenten - sehr zum Missfallen des Autors Ian Fleming - den etwas ungehobelt daherkommenden Schotten Sean Connery. Der war mal bei einer Mr.-Universum-Wahl auf einen der vorderen Plätze gekommen und fiel bis dahin lediglich in einem kleinen Märchenfilm angenehm auf. Aber etwas hatte dieser Hühne, darin waren sich Salzman und Broccoli einig. Man nahm ihn unter Vertrag, der so gar nicht wie ein Eton-Absolvent aussah, der James Bond doch sein sollte.

    Man staffierte den für legere Kleidung schwärmenden Connery mit feinstem Tuch aus und drückte ihm die richtigen Requisiten und Mädchen in die Hand. Sehr viel mehr brauchte es nicht, um das erfolgreichste Franchise der Filmgeschichte zu starten, denn mit einer brauchbaren Handlung wartet der Erstling nicht auf. Tatsächlich sollte zunächst „Feuerball“ realisiert werden, aber Rechtsstreitigkeiten führten zu einer Umdisposition. Auch konnte man aus rechtlichen Gründen nicht auf den Roman-Erstling „Casino Royale“ zurückgreifen, denn aus dem war einige Jahre zuvor ein Fernsehspiel mit Peter Lorre als Schurken gemacht worden, ohne dass jemand davon groß Notiz genommen hatte. Also griff man zu „Dr. No“, der eine angenehme Location versprach. Man änderte einiges und filmte drauflos, wobei das Budget bei ca. einer Million Dollar gelegen haben soll. Der Film sieht allerdings deutlich teuerer aus, was vor allem an den schon damals großartigen Kulissen von Ken Adam liegt. Trotzdem mussten einige Dinge dem filmmäßig Machbaren angeglichen werden. Hatte Dr. No im Buch noch Haken und wirkte er fast insektenhaft in der Fortbewegung, bekam er nun elegante Metallhandschuhe und ein aristokratisch wirkendes Äußeres. Auch die Flucht von 007 aus dem unterirdischen Verlies von Dr. No liest sich im Buch um einiges spektakulärer als es im Film anzusehen ist. Macht aber nichts, denn der Film kann mit anderen Dingen punkten.

    Vor allem mit dem Hauptdarsteller, der in Sachen Coolness eine Klasse für sich ist. Connerys Bond ist ein Professional durch und durch. Fast ungerührt verfolgt er sein Ziel und nimmt sich zwischendurch höchstens für einen Drink oder eine Dame Zeit. Moralische Bedenken sind ihm fremd. Da wird ein wehrloser Gegner einfach so erschossen, weil es eben einfacher so ist. Als Bond auf der Insel des Bösewichts hinterrücks einen Wachmann massakriert und seine Begleiterin entsetzt nach dem Warum fragt, antwortet er lapidar: „Weil es sein musste.“ Ein Weltenretter als Pragmatiker, das war mal was Neues.

    Mit der Romanfigur hat Connerys Bond allerdings nicht viel gemein. Der wirkt deutlich lädierter, hat schon seine besten Zeiten hinter sich und diverse Narben auf der Haut. Kettenraucher soll er sein und Trinker ebenfalls. Wenn es drauf ankommt, muss er zuweilen auch erst mal trainieren und das Rauchen einschränken. Und die Frauen rennen ihm auch nicht so nach wie dem Kerl aus den Filmen. Irgendwie Mike Hammer light, was an dem ähnlich ungelenken Schreibstil Flemings liegen mag. Da ist der Film-Bond ein ganz anderes Kaliber. Hinzu kommt als optisches Schmankerl die Schweizerin Ursula Andress, deren Bikini-Auftritt Geschichte geschrieben hat und im bislang letzten Teil „Stirb an einem anderen Tag“ von Halle Berry überaus ansehnlich zitiert wird. Die Figur der Honey Ryder bringt dabei die Handlung nicht wirklich weiter, dient sie ersichtlich nur dazu, Bond einen persönlichen Grund zu geben, dem Bösen den Garaus zu machen. Folgerichtig muss der Dritte Fremde auf der Insel des Bösewichts, Quarrel, auch bald daran glauben. Drei sind einer zu viel. Dass Quarrel in mehr als einem Buch von Fleming auftaucht, wurde offenbar in Kauf genommen.

    Zugegeben, was den Reiz des Films ausmacht, erschließt sich mit heutigen Augen nicht sofort. Viele Dinge, die das Franchise so berühmt gemacht haben, fehlen. Dazu gehören die legendäre „Gunbarrel“-Eröffnung, der „Shaken Not Stirred“-Einzeiler, wenn der Drink auch erwähnt wird, der zündende Titelsong und der inflationäre Einsatz von Gadgets. Allerdings wird schon jetzt Bonds promiskuitiver Lebensstil vorgeführt. Mehr noch: Die Frauen laufen ihm nach. Er muss sie nicht aufreißen, mit ihnen im Smoking Karten spielen reicht schon. Wenn er nach Hause kommt (wir werden seine Wohnung nur noch einmal von innen sehen), warten sie schon auf ihn, vorzugsweise bereits entkleidet, was für einen Mann im Zeitdruck äußerst praktisch ist. „Dafür ist immer Zeit“ murmelt er, weiß er doch Prioritäten zu setzen. Damit wird klar, dass - bewusst oder unbewusst - ein neuer Archetyp eines Helden seinen ersten Auftritt hat: der des maskulinen, omnipotenten Profis, dem die Frauen nachrennen und der ein Leben auf der Überholspur lebt. Schwächen zeigt 007 in seinem ersten echten Auftritt keine. Genau genommen hat er an seinem Auftrag auch keinerlei persönliches Interesse. Er geht zur Arbeit genau wie der Zuschauer, nur muss er die auf Jamaika und nicht in Gelsenkirchen erledigen. Beim Geschäftsessen wird Wodka-Martini gereicht und kein Kaffee und als Lohn winkt eine Gratifikation in Form einer willigen Blondine. Danach spricht er wieder bei seinem griesgrämig-väterlichen Chef vor und holt sich den nächsten Auftrag. Er ist ein Arbeiter, allerdings auf anderem Niveau.

    Ein guter Held braucht einen großartigen Gegner, und mit Dr. No hat der Film einen durchaus passablen Gegenspieler im Gepäck. Der wirkt zwar steif und zurückgenommen und auch seine Motive werden nicht wirklich plausibel, aber für damalige Verhältnisse war Joseph Wisemans Interpretation des „mad scientists“ wirklich erstaunlich erwachsen. Alles in allem also ein respektabler Einstand für den Mann mit der Doppel-Null. Die Produzenten selbst haben nicht wirklich an einen Erfolg geglaubt und wurden von dem mehr als zufriedenstellenden Einspiel überrascht. Mit diesem im Rücken konnten sie aus dem vollen schöpfen und wandten sich mit Feuereifer dem nächsten Abenteuer zu.

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