Am 30. September 1955 kam der 24-jährige James Dean bei einem Autounfall ums Leben. Vier Wochen später lief sein erst zweiter großer Film in den amerikanischen Kinos an: Deans Darstellung des aufbegehrenden Teenagers Jim Stark in Nicholas Rays Jugenddrama „...denn sie wissen nicht, was sie tun“ erhielt durch den frühen Tod eine zusätzliche tragische Note und wurde zum entscheidenden Teil seines Vermächtnisses. Schnell entwickelte sich ein Kult um den verstorbenen Star, Dean wurde zum Inbegriff unverstandener Jugend und zur niemals alternden Ikone. Bis heute ist er ein beliebter Posterboy, dessen lässig-grüblerische Posen aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken sind. Bei genauerer Betrachtung ist der Schauspieler Dean jedoch weitaus faszinierender als das Symbol. Der melodramatische „...denn sie wissen nicht, was sie tun“ zeigt das ganze Ausmaß seines Talents, das mit den richtigen Mitstreitern und vor allem unter der Führung eines meisterlichen Regisseurs zur vollen Entfaltung kommt.
Der 16-jährige Jim Stark (James Dean) ist neu in der Stadt. Bereits mehrfach ist die Familie umgezogen, weil es Probleme mit dem Jungen gab. Auch in der neuen Umgebung gerät er schnell in Schwierigkeiten und innerhalb von 24 Stunden spitzt sich die Lage zu. Einem Messerzweikampf mit Gangleader Buzz Gunderson (Corey Allen) folgt ein fatales Autorennen. Bei den Eltern findet Jim kein Verständnis, ähnlich geht es seinen einzigen Freunden Judy (Natalie Wood) und Plato (Sal Mineo). Die drei finden auf einem verlassenen Anwesen ein vorübergehendes Idyll, ehe die schicksalsträchtige Nacht tragisch zu Ende geht.
Buzz: „Weißt Du was? - Du gefällst mir.“
Jim: „Warum machen wir das dann?“
Buzz: „Irgendwas muss man doch machen.“
Dieser Dialog der beiden Kontrahenten, die wenig später in gestohlenen Autos beim „chickie-run“ (wer als erster aussteigt, verliert und gilt als Feigling) dem Abgrund entgegenrasen, bringt ein zentrales Motiv des Films auf den Punkt. Fernab wohlfeiler soziologischer Analysen (einer solchen ist der Originaltitel „Rebel Without A Cause“ entliehen) kommt hier in zeittypischem Gewand, aber zugleich universell verständlich das Lebensgefühl von Heranwachsenden zum Ausdruck. Die Empfindung von Sinn- und Orientierungslosigkeit, die Entfremdung von den Eltern, Konfusion und ziellose Rebellion – das alles wird aus der Perspektive der jungen Leute und mit einem eigentümlichen Furor gezeigt. Der Abgrund zwischen den Generationen ist hier nicht überwindbar, sondern hat etwas Grundsätzliches, geradezu Kosmisches. Deshalb haben die Erwachsenen, die das als nicht weiter schlimm und vorübergehend abtun (Jims Vater: „In zehn Jahren lachst Du darüber!“), auch etwas von Karikaturen.
„...werden wir in die Dunkelheit des Raumes verschwinden, aus dem wir kamen, vernichtet in einer Apokalypse von Feuer und Gas...“
Der Schulausflug ins Planetarium ist eine Kernsequenz von Rays existenzialistischem Melodram. Die absurd-sensationsgeile Weltuntergangsshow hat den sensiblen Plato verängstigt und dennoch stellt er den Durchblick des Vortragenden in Frage: „What does he know about man alone?“ Ray stellt die echte Empfindung von Einsamkeit, Nichtigkeit und Isolation ihrer bloßen Idee entgegen. Das unterstreicht der Regisseur von Anfang an durch seine Inszenierung und findet adäquate Bilder für diese Gefühle. Sorgfältige Choreographien verdeutlichen Situationen und Beziehungen, wenn die Figuren zu Beginn auf dem Polizeirevier durch Türen und Fenster getrennt sind oder wenn Jim bei seinem großen Streit mit den Eltern auf der Treppe zwischen der dominierenden Mutter oben und dem schwachen Vater unten wie ein Gefangener erscheint. Und die Cinemascope-Bilder des Sternenhimmels und der Endzeitsimulation erzielen im Zusammenspiel mit den Aufnahmen der Zuschauer im Planetarium erst ihre ganze Wirkung.
Regisseur Nicholas Ray war ein Spezialist für die Darstellung der Suchenden, der am Leben Verzweifelnden, der unglücklich Liebenden. Er überhöhte seine Außenseiterdramen durch den schwer beschreibbaren Lyrismus seiner Inszenierung und machte sie „Bigger Than Life“ (so heißt passenderweise einer seiner besten und zugleich extravagantesten Filme im Original, auf Deutsch: „Eine Handvoll Hoffnung“). Vom Hollywood-Drama „Ein einsamer Ort“ über den Western „Johnny Guitar“ bis hin zum Bibelfilm „König der Könige“, in dem Jeffrey Hunter als Jesus fast wie ein moderner jugendlicher Delinquent daherkommt, ist stets auch Rays starke Identifikation mit den Figuren und Konflikten zu spüren. „...denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist in diesem Sinne ein typisches Werk des Filmemachers, dem mit einer rein dem Realismus verpflichteten Betrachtungsweise nicht beizukommen ist. In Rays Gefühls- und Instinktkino ist Platz für die bewegte, zuweilen hypertrophe Musik von Leonard Rosenman und für die große Geste. Der Regisseur zeigt Sinn für die Intensität von Warnercolor (Jims rote Jacke leuchtet wie ein Fanal von der Leinwand) und hereinbrechenden Nächten. Und er ermöglicht seinen Darstellern, das Beste aus sich herauszuholen.
James Dean ist anzusehen, dass er für die Rolle eines Teenagers eigentlich zu alt ist. Aber letztlich gewinnt seine Darstellung dadurch sogar, denn die leichte Note des nicht Passenden und des Andersseins ist der Figur auf allen Ebenen eingeschrieben. Dean verzichtet auf die Herausarbeitung von Erklärendem, eine Entwicklung findet auf dieser Ebene nicht statt. Das kann der Schauspieler mit dieser anti-psychologischen Darstellung auch nicht leisten, weil er jede Distanz aufgibt und sich vollkommen in die Rolle versenkt. Er folgt seinem Instinkt und erhält von Ray den benötigten Freiraum für Improvisationen: So ist die Titelsequenz mit dem auf der Straße liegenden Jim, der mit einem Aufzieh-Äffchen spielt und es dann liebevoll mit Zeitungspapier zudeckt, nicht nur eine meisterliche darstellerische Miniatur, sondern die Szene, die nicht im Drehbuch stand und allein Dean zugeschrieben wird, bringt zugleich die Sehnsüchte des Protagonisten auf den Punkt.
Ein anderes berühmtes Melodram trägt den Titel „Imitation Of Life“, was auch im Falle von „...denn sie wissen nicht, was sie tun“ mehr als passend wäre. Wenn Dean die Polizeisirenen imitiert oder die berühmt gewordenen Worte „You're tearing me apart“ aus ihm herausbrechen, dann sind diese Momente so sehr die seinen, dass Rolle und Schauspieler nicht mehr auseinanderzuhalten sind. Nicht zufällig sind es heute noch die Bilder aus diesem Film, die immer wieder reproduziert werden, um den James-Dean-Mythos zu befeuern. In Jeans, T-Shirt und roter Jacke war er seinem Gegenwartspublikum natürlich näher als in den beiden anderen großen, historisch entrückten Rollen in „Jenseits von Eden“ und Giganten. Deshalb erscheint alles, was dort manieristisch wirken kann, in Rays Film bei aller Eigenwilligkeit vollkommen natürlich. Trotz der vor allem nachträglichen Überhöhung ist hier aber ganz einfach das enorme Talent Deans zu bewundern, das sich insbesondere im Zusammenspiel mit seinen ebenfalls hochveranlagten Co-Stars Natalie Wood („Fieber im Blut“, „West Side Story“) und Sal Mineo („Exodus“) äußert. Wenn die drei für wenige rührende Momente die heile Familie spielen und eine eigene Einheit bilden, zeigen sich die eigentlich bescheidenen Wünsche und Hoffnungen der ach so rebellischen Jugend sowie das Geschick des Regisseurs im Umgang mit Schauspielern. Vor allem geht von diesen kleinen Szenen aber eine unendliche Traurigkeit aus, die durch die Schicksale aller drei beteiligten Schauspieler noch verstärkt wirkt, denn auch Mineo (er wurde im Alter von 37 Jahren erstochen) und Wood (sie ertrank mit 43 bei einem Segelausflug) kamen viel zu früh ums Leben.
„...denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist zu gleichen Teilen ein faszinierendes Zeitgeist-Dokument der 50er Jahre, das Testament eines begnadet talentierten Hauptdarstellers und ein berührendes Außenseiterdrama eines zuweilen unterschätzten Regisseurs. In der Verbindung wird daraus großes melodramatisches Kino der Gefühle und Stimmungen.