Episode V – Das Erwachen von Ghostface
Von Christoph Petersen1. Kein Sex! 2. Kein Alkohol und keine Drogen! 3. Sage niemals „Hallo?“, „Wer ist da?“ oder „Ich bin gleich zurück“. Seit „Scream – Schrei!“ 1996 mit seinen selbstreferenziellen Anspielungen das Horror-Kino revolutioniert hat, weiß jeder Fan, dass man die Regeln des Slasher-Genres besser in- und auswendig kennen sollte, wenn man als Charakter auch noch den Abspann erleben möchte. So war es zumindest in den ersten vier Teilen, die allesamt von Wes Craven („Nightmare – Mörderische Träume“) inszeniert und mit Ausnahme des schwächsten Teils „Scream 3“ von „Dawson’s Creek“-Schöpfer Kevin Williamson geschrieben wurden.
Aber nach dem Tod des Horror-Papstes im Jahr 2015 hat nun das Regieduo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett („Ready Or Not - Auf die Plätze, fertig, tot“) das Ruder übernommen – und den Figuren ihres einfach nur „Scream“ betitelten Requels möchte man unbedingt noch einen weiteren Film zur Verbesserung ihrer Überlebenschancen ans Herz legen: Der fünfte „Scream“ ist nämlich der „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ der Slasher-Serie – und aus dieser Selbsterkenntnis heraus entwickeln die Autoren James Vanderbilt („Zodiac“) und Guy Busick („Castle Rock“) ein erneut saucleveres Meta-Feuerwerk, das ebenso spannend wie spaßig und zudem dieses Mal besonders brutal geraten ist.
Wer steckt dieses Mal unter der Ghostface-Maske?
Vor fünf Jahren ist Sam Carpenter (Melissa Barrera) aus ihrer Heimatstadt abgehauen. Aber nun, da ihre jüngere Schwester Tara (Jenna Ortega) von einem Angreifer im Ghostface-Kostüm schwer verletzt wurde, kehrt sie in Begleitung ihres Freundes Richie Kirsch (Jack Quaid) doch ins verhasste Woodsboro zurück. Natürlich bleibt es aber nicht bei dem einen Mord(versuch). Schon bald gibt es weitere Attacken und auch erste Tote.
Der inzwischen in einem Wohnwagen hausende Ex-Sheriff Dewey Riley (David Arquette) will den in Lebensgefahr schwebenden Teenager*innen mit seinem Insider-Wissen über die bisherigen Mordserien helfen. Auch die News-Moderatorin und Bestseller-Autorin Gale Weathers (Courteney Cox) kehrt schnell mit einer Kameracrew im Schlepptau zurück – und schließlich sieht sich auch die inzwischen mehrfache Mutter Sidney Prescott (Neve Campbell) gezwungen, Ghostface noch ein weiteres (und dann wohl endgültig letztes) Mal entgegenzustellen…
Über die Quizaufgaben, die Ghostface seinem ersten Opfer zu der inzwischen auf acht Teile angewachsenen Film-im-Film-Reihe „Stab“ stellt, können echte „Scream“-Fans wahrscheinlich nur müde lächeln. Aber Teenagerin Tara stößt selbst bei simplen Fragen schnell an ihre Grenzen – denn als Generation-Z-Horrorfan schaut sie nur „gehobenen Grusel“ mit einer sozialkritischen Message, also Filme wie „It Follows“, „Hereditary“ oder ihren persönlichen Favoriten „Der Babadook“. Aber keine Sorge: „Scream“ nimmt sich nicht diesen (für eine Slasher-Reihe ohnehin viel zu elitären) Horror-Hype als Vorlage für seine Meta-Spielereien. Stattdessen dreht sich diesmal alles um den anhaltenden Trend zu sogenannten Legacy Sequels oder auch Requels (zusammengesetzt aus „Reboot“ und „Sequel“).
In Filmen wie „Star Wars 7: Erwachen der Macht“, „Halloween“ oder „Ghostbusters: Legacy“ wird zwar eine neue Gruppe von Protagonist*innen eingeführt – zugleich gibt es aber auch die zurückkehrenden Legacy Charaktere, die trotz des Neuanfangs eine Verbindung zu den Franchise-Wurzeln sicherstellen sollen. Neve Campbell, Courtney Cox und David Arquette sind nun also die Carrie Fisher (Cameo in „Scream 3“!), der Mark Hamill und der Harrison Ford des Ghostface-Universums. Das klingt vielleicht im ersten Moment ein wenig beliebig – aber wie präzise „Scream“ die dramaturgischen und vor allem auch emotionalen Beats von „Das Erwachen der Macht“ imitiert, ist fast schon unheimlich. Dazu kommt natürlich die übliche uneitle Selbstironie, wenn sich etwa eine der Figuren fragt, ob die Macher des einfach nur „Stab“ betitelten „Stab 8“ wirklich glauben, dass sie mit dieser unsinnigen Namensgebung durchkommen werden.
Die Veteran*innen Neve Campbell, Courtney Cox und David Arquette sind diesmal als sogenannte Legacy Charaktere wieder mit dabei.
Nachdem „Scream 4“ mit den Sozialen Medien ein für die Reihe ungewöhnlich breites gesellschaftliches Phänomen aufs Korn genommen hat, dreht sich in „Scream“ nun alles wieder um Filme, ihre Regeln und die dazugehörigen popkulturellen Trends von Fan-Fiction über die bei Marvel und Star Wars eingesetzte De-Aging-Technologie bis hin zu Mary Sues und toxischem Fantum. Aber all diese Meta-Mätzchen sind natürlich maximal die Kirsche auf der Torte. Viel wichtiger sind die Basics: Ist es spannend und macht es Spaß? Zum Glück gibt es in beiden Fällen ein dickes fettes „JA!“ als Antwort. Das beste Beispiel dafür ist eine ausgedehnte Sequenz mit dem blondierten „Tote Mädchen lügen nicht“-Schwarm Dylan Minnette, die nicht nur aufgrund ihrer Geschlechterumkehr besonders gut gelungen ist.
Nach einem Dusch-Einstieg mit reichlich Waschbrettbauch und „Psycho“-Zitat wird die in den „Scream“-Filmen schon oft thematisierte Trope mit der geöffneten Tür, hinter der sich beim Schließen entweder niemand oder nur eine harmlose Figur befindet, dermaßen oft in schneller Abfolge wiederholt, dass man sich fast schon in einer Horror-Parodie à la „Scary Movie“ wähnt. Da weiß man irgendwann wirklich nicht mehr, ob man nun Lachen oder sich Erschrecken soll. Aber gerade das war ja die große Kunst von Wes Craven, die nun auch Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett mit traumwandlerischer Sicherheit meistern: sich über die eigenen inszenatorischen Tricks lustig zu machen – und im selben Moment trotzdem volle Kanne einen Wirkungstreffer zu landen.
Apropos Wirkungstreffer: Mit Ausnahme der Ausgelaufene-Eingeweide-Einstellungen in „Scream – Schrei“ und „Scream 3“ hat sich Wes Craven mit der Gewalt meist mehr zurückgehalten, als man es rückblickend vielleicht in Erinnerung hat (gerade wenn man wie ich den ersten Teil mit 13 Jahren gesehen und anschließend eine Woche lang nicht geschlafen hat). Die neuen Regisseure geben da nun – ganz in der Tradition ihres Versteckspielen-Splatterspaßes „Ready Or Not“ – schon etwas mehr Gas. Gleich das erste Opfer muss ein Vielfaches der Messerstiche von Casey Becker (Drew Barrymore) einstecken – selbst wenn es da schon ein wenig guten Willens bedarf, um zu glauben, dass Tara diese Attacke tatsächlich überlebt hat.
Aber zugleich passt der erhöhte Gewaltgrad inklusive eines sich langsam durch einen Hals schiebenden Jagdmessers auch irgendwie zur Auflösung, die sich diesmal als besonders bittere Abrechnung mit einer der Thematiken des Films erweist…
Fazit: Im Vorfeld durfte man als Franchise-Fan eigentlich nur hoffen, dass die Serien-Neulinge Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett das überlebensgroße Vermächtnis von Wes Craven nicht allzu sehr beschmutzen. Aber Pustekuchen: All die Sorgen erweisen sich als unberechtigt! Der neue „Scream“ ist smart, spannend, blutig und an den richtigen Stellen auch ein bisschen albern – so spielt er wie schon das Original von 1996 in der allerersten Liga der Slasher-Filme mit.