Die kommerzielle Ausschlachtung des Horror-Genres geht weiter – da neue Ideen im Mainstream-Horror fehlen, muss sich das Publikum mit ad infinitum laufenden Franchises wie „Saw" oder „Freitag der 13." abfinden. Egal, ob es ein Sequel, ein Remake oder ein Reboot handelt, das diese Reihen am Leben erhält: Längst hat sich eine schläfrige Routine eingestellt. Nicht einmal Horrorlegende Freddy Krueger oder Michael Myers bannen noch vor die Leinwand wie einst Wes Craven mit seinem Slasher-Klassiker „Nightmare - Mörderische Träume". Bloß, was sich einmal bewährt hat, sollte laut Studiokalkül prinzipiell auch wieder funktionieren. In diesem Kontext wirkt der Rückbezug von Andrew Hulls Direct-to-DVD-Produktion „Siren" auf die Seemänner ins Verderben singenden Schönheiten – eine Monstergattung, die eigentlich wenn überhaupt im Sandalenfilm beheimatet ist – geradezu innovativ. Schade, dass dabei dann doch nur ödes Seemannsgarn herausgekommen ist.
Das Pärchen Ken (Eoin Macken, „Centurion") und Rachel (Anna Skellern, „The Descent 2") will ein Wochenende jenseits des Stadtlebens genießen und plant mit Rachels altem Freund Marco (Anthony Jabre) einen Bootsausflug. Als sie an der Küste einer Insel einen Mann retten wollen, merken die drei Freunde, dass hier etwas gehörig falsch läuft: Wie aus dem Nichts taucht die schöne Silka (Tereza Srbova, „Tödliche Versprechen") auf und gibt vor, sich an nichts mehr erinnern zu können. Unwissend, welches Geheimnis die mysteriöse Fremde verheimlicht, beschließt das Trio, die junge Frau zu retten. Mit grausigen Folgen...
Schon bei Homer musste sich Odysseus mit der tödlichen Verführung der Sirenen herumschlagen. Verführbar war der Irrfahrer dabei in der Tat, doch ebenso clever genug, sich von seinen Kameraden an einen Schiffsmast binden zu lassen, um nicht beseelt ins Verderben zu taumeln. Bei der Umsetzung seines Sirenen-Horrors agiert Regisseur Andrew Hull weit weniger gerissen, sein Film wird nicht nur für die Protagonisten, sondern ebenso für sein Publikum zur Odyssee. Dabei liest sich die Geschichte von „Siren" so schlecht nicht – zumindest in der Theorie gehen vollkommen isolierte Schauplätze, in diesem Fall eine Insel mitten im Ozean, und mythische Kreaturen als tauglicher Genre-Stoff durch. Dumm nur, dass es mit der Praxis gewaltig hakt.
Mit einem kompakten Auftakt führt Hull seine stereotypen Figuren ein, bis er verhältnismäßig schnell zum Mysterium um die abgelegene Insel vordringt. Dann folgt eine ermüdend lange Phase der Andeutungen, die kaum zum Ausbau einer bedrohlichen Atmosphäre beitragen. Weder wird hier eine halbwegs stringente Geschichte erzählt, noch nachvollziehbar handelnden Figuren über die Schulter geschaut. Obwohl die überschaubare Anzahl von vier Protagonisten im mit 76 Minuten bemerkenswert kurzen Film eine Vertiefung der Verhältnisse zwischen den Figuren enorm begünstigt, passiert schlichtweg kaum etwas. Selbst die Ozean- und Inselbilder, die mit abgegriffenen Musik-Crescendos zur Gruselkulisse aufgeladen werden sollen, langweilen nach wenigen Minuten.
Gruselig ist hier eher, wie vorhersehbar und schematisch Hull die obligatorischen Schockmomente abarbeitet. Eoin Macken, Anna Skellern, Schauspieldebütant Anthony Jabre und die Sirene Tereza Srbova bleiben so blass, wie es die Direct-to-DVD-Besetzung von Darstellern aus der dritten Reihe eben vermuten lässt. Mit vereinten Kräften mühen sich Hull und sein Quartett ab, das Handlungs- und Figurenzeichnungs-Vakuum mit lahm inszenierten Erotik-Szenen zu übertünchen. Immerhin kennt der Regisseur seinen Homer und weiß, dass Sirenen ja erst Kraft ihrer ätherischen Weiblichkeit zur Gefahr werden. Um sich dieser Gefahr auszusetzen und dann auch ohne Mast und Tau in Frieden weiter durch die Videothekenregale zu segeln, reicht allerdings ein Blick auf das DVD-Cover. Von wegen Abwechslung: Trotz netter Prämisse bietet „Siren" bloß biederstes und lustlos dargebotenes Genre-Einerlei.