Captain America hat es gerade in Europa nicht leicht: Der Comic-Held wird häufig schon allein durch sein Stars’n’Stripes-Kostüm mit einem konservativ gefärbten Hurra-Patriotismus in Verbindung gebracht, den man diesseits des Atlantiks mehrheitlich sehr kritisch sieht. So ist die Figur hierzulande auch nie allzu populär gewesen und unter diesen Voraussetzungen verwundert es nicht, dass Marvels Kino-Fortsetzung von „Captain America: The First Avenger“ in Deutschland nun ganz ohne den Namen des Protagonisten im Titel auskommen muss. Dabei wird in „The Return Of The First Avenger“ nahtlos an die Comic-Historie des Helden angeknüpft und die ist keineswegs so einseitig wie die genannten Vorurteile nahelegen. Captain America war nämlich schon immer ein system- und machtskeptischer Kämpfer für Gerechtigkeit. In den Hochzeiten des Rassenkonflikts nahm er sich mit dem Falken den ersten afroamerikanischen Superhelden als Partner, während des Watergate-Skandals legte er sein Kostüm ab, weil er sich für Nixons Amerika schämte, und als in Mark Millars Comic-Klassiker „Civil War“ der Staat ein Gesetz beschließt, das Menschen mit Superkräften zwingt, sich zur besseren Kontrolle registrieren zu lassen, stellte er sich gegen regierungstreue Unterstützer wie Iron Man an die Spitze einer Widerstandsbewegung. Dieser Tradition folgen die Regisseure Joe und Anthony Russo nun mit vielen Verweisen auf das Politkino der 70er und 80er Jahre – und liefern damit den bisher ernstesten Marvel-Film ab, wobei sie ihren reizvollen Themen inhaltlich nicht immer gerecht werden. Dazu zelebrieren sie allerdings Action-Bombast auf hohem Niveau und profitieren von einer sehr guten Besetzung.
Nachdem er fast 70 Jahre lang eingefroren war, gewöhnt sich der Supersoldat Steve Rogers alias Captain America (Chris Evans) langsam an das Leben im Hier und Jetzt, während er gemeinsam mit seiner Partnerin Black Widow (Scarlett Johansson) Aufträge für die Geheimorganisation S.H.I.E.L.D. erledigt. Doch dann erschüttert ein Anschlag auf seinen Boss Nick Fury (Samuel L. Jackson) alles, wofür der Captain zu kämpfen glaubte. Er selbst wird plötzlich als Verräter gebrandmarkt und von S.H.I.E.L.D. gejagt, das nun unter dem Kommando des einflussreichen Strippenziehers Alexander Pierce (Robert Redford) steht. Der Captain findet Anzeichen für eine weitreichende Verschwörung, die Amerika in seinen Grundfesten erschüttern könnte. Gemeinsam mit Black Widow und seinem neuen Freund Sam Wilson alias Falcon (Anthony Mackie) versucht er, dem Komplott auf den Grund zu gehen. Dabei sieht er sich bald mit einem gefährlichen Gegner konfrontiert: dem eiskalten Killer Winter Soldier (Sebastian Stan).
Christopher Nolan wurde von vielen gefeiert, als er in seine „Dark Knight“-Trilogie ernste Töne und immer deutlichere Bezüge zur politischen Realität einfließen ließ und das vermeintlich so bunte und abgehobene Genre der Comic-Verfilmungen damit unabhängig von der längst nicht immer überzeugenden Ausgestaltung dieser Verweise nachhaltig prägte. Die „The Return Of The First Avenger“-Regisseure Joe und Anthony Russo und ihre Autoren Christopher Markus und Stephen McFeely knüpfen an diese neue Ernsthaftigkeit an: Im „Captain America“-Sequel werden Reden über eine zunehmende Kontrolle der Bürger zum Schutz der Allgemeinheit geschwungen, an anderer Stelle wird von einer Ordnung schwadroniert, die ins Chaos gestürzt werden müsse, um eine neue Ordnung zu errichten. Das Ganze gipfelt in einem selbstgerechten Auftritt von Scarlett Johanssons Black Widow vor einem Untersuchungsausschuss, bei dem sie konstatiert, dass die Gesellschaft nicht ohne Superhelden wie sie und den Captain auskomme. Hier wird nicht nur ein total korrumpiertes Gemeinwesen unterstellt (was durchaus plausibel erscheint), sondern vor allem eine äußerst fragwürdige „Lösung“ propagiert: Die „Guten“ stehen gleichsam über dem Gesetz und man soll sich ihnen in blindem Vertrauen ausliefern. In einem Film, der so deutlich in der politischen Gegenwart verankert ist (von NSA-Überwachung über Drohnen-Krieg bis zu Militär-Lobbyismus kommt hier alles zumindest unterschwellig vor), hinterlässt ein solcher Appell einen schalen Beigeschmack.
Dass die gelegentliche politische Grobschlächtigkeit überhaupt so deutlich aufstößt, liegt allerdings auch an der für sich genommen sehr guten Inszenierung, denn vor allem im Mittelteil erinnert „The Return Of The First Avenger“ weniger an eine klassische Comic-Verfilmung als an das Spannungskino der Vergangenheit. Schon die überraschende Besetzung von Robert Redford (der sichtlich Spaß an seiner Rolle hat), ist auch als Verweis auf das Polit-Kino der Siebziger und Achtziger, auf Filme wie „Die Unbestechlichen“ und „Die drei Tage des Condor“ zu verstehen, der thematisch deutlich näher liegt, als man auf den ersten Blick glauben würde: Die von der eigenen Regierung gejagten Helden versuchen auf einer atemberaubenden Flucht, die Hintergründe einer Verschwörung aufzudecken, sie müssen untertauchen und unter Hochdruck ein kompliziertes Polit-Puzzle zusammensetzen. Bei dieser Hatz sorgen die Russo-Brüder durchweg für Hochspannung, nutzen geschickt ihren Schauplatz Washington, wo das politische Herz der USA schlägt (so statten sie dem berühmten Watergate-Hotel einen Besuch ab und damit dem Symbol für einen der größten Politskandale der Geschichte). Auch in der nervös-vorwärtstreibenden Musik von Henry Jackman („Captain Phillips“, „Kick-Ass“) klingt immer wieder die Tradition klassischer Paranoia-Thriller an. Der Komponist versteht sich aber auch auf martialische Helden-Symphonik, denn trotz allem ist „The Return Of The First Avenger“ immer noch eine Comic-Adaption im bewährt großen Stil und mit viel Krachwumm.
Die Russo-Brüder hatten bisher nur TV-Serien wie „Community“ (zu der es übrigens einen Verweis durch einen Cameo-Auftritt gibt) und Komödien wie „Safecrackers“ oder „Ich, Du und der Andere“ in der Vita stehen, aber sie zeigen sich hier auch einem großen Action-Blockbuster gewachsen. In „The Return Of The First Avenger“ wird Bombast mal wieder groß geschrieben: Schon der Auftakt gibt die Richtung vor, wenn sich Captain America und Black Widow unterstützt von S.H.I.E.L.D.-Agent Brock Rumlow (Frank Grillo) über ein Schiff und durch einen ganzen Piratentrupp prügeln. Während Joe Johnston die Action-Szenen beim Vorgänger passend zum Zweiter-Weltkriegs-Thema sehr klassisch inszenierte und auf Übersichtlichkeit setzte, geht es hier mit der Handkamera mitten rein ins Getümmel. Dazu kommen schnelle Schnitte und es werden Erinnerungen an die „Bourne“-Trilogie wach. Doch die Nahkampf-Orgie ist nur der Auftakt. Eine rasante Verfolgungsjagd beim Attentat auf Nick Fury liefert weitere beeindruckende Actionkost und den Höhepunkt hat man sich natürlich für das große Finale aufgehoben. In dem kommt dann nicht nur ein S.H.I.E.L.D.-Helicarrier zum Einsatz, sondern gleich drei Exemplare der nächsten, größeren Ausgabe des legendären fliegenden Flugzeugträgers: Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt.
Chris Evans („Snowpiercer“) gibt inmitten der rasanten Thriller-Hatz und der furiosen Action-Einlagen den moralisch integren Helden, dessen Verlorenheit in der Gegenwart sich in kleinen Ruhepausen immer wieder zeigt. Gleich zu Beginn gibt es eine wunderschöne Szene, in der er einen Notizblock zückt und einen Musiktipp vermerkt: Er will alle wichtigen Dinge nachholen, die er verpasst hat, während er jahrzehntelang in Eis lag. Auch wenn er im Museum inkognito die Zeugnisse seiner vergangenen Heldentaten betrachtet oder seiner alten Liebe Peggy Carter (Hayley Atwell) begegnet, gehört das zu den emotionalsten Momenten des Films. Scarlett Johansson („Don Jon“) wiederum ist als Black Widow die gleichberechtigte Partnerin des Protagonisten. Sie teilt nicht nur in den Actionszenen mächtig aus, sondern gibt ihrem Kollegen auch gerne mal die Richtung vor. Die Entdeckung ist allerdings Anthony Mackie („Der Plan“, „The Hurt Locker“), der als Kriegsveteran Sam Wilson zur Stimme der Vernunft wird (großartig: sein „Shut Up“ als Entgegnung auf all das Chaos-Kontrolle-Geschwafel) und eine großartige Leistung zeigt. Luft nach oben gibt es dagegen noch für Sebastian Stans „Winter Soldier“, denn der bleibt lange Zeit im wahrsten Sinne des Wortes ein gesichtsloser Bösewicht. Obwohl sich früh zeigt, wie interessant und vielschichtig diese Figur ist, bleibt für das Häuten der Zwiebel eher wenig Platz. Die Schlüsselszene des Killers ist dafür umso intensiver und gehört zu den stärksten Momenten einer sehr abwechslungsreichen Comicadaption.
Fazit: „The Return Of The First Avenger“ ist Marvels bisher ernstester und düsterster Film, dabei bleibt die gewohnte Leichtigkeit allerdings zu einem erheblichen Teil auf der Strecke.