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    Elizabeth
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Elizabeth
    Von Jürgen Armbruster

    Die englischen Monarchen sind längst zu Maskottchen ihres eigenen Volkes verkommen. Vorbei sind die Zeiten, in denen dem britischen Königshaus mehr als nur eine repräsentative Bedeutung zukam. So wird man sich an die amtierende Regentin Elisabeth II später einmal vor allem als eine putzige alte Dame erinnern, deren Familie ihr viel Kummer bereitet hat. Bewertet man allerdings die Bedeutung ihrer Regentschaft für das Vereinigte Königreich, so wird Elisabeth II nicht über einen Platz im hinteren Mittelfeld hinaus kommen. Die wohl bedeutsamste britische Monarchin ist unbestritten Elizabeth I, mit deren Herrschaft als Königin von England und Irland von 1558 bis 1603 das Goldene Zeitalter und der endgültig Aufstieg des Vereinigten Königreichs zur Weltmacht verbunden wird. Shekhar Kapurs preisgekröntes Historien-Drama „Elizabeth“ beleuchtet die frühen Jahre der auch als „die jungfräuliche Königin“ bekannten Monarchin.

    England, Mitte des 16. Jahrhunderts: Die gläubige Katholikin Maria Tudor (Kathy Burke) herrscht über das Land, doch ihre Zeit neigt sich dem Ende entgegen. Nummer eins in der Thronfolge ist Elizabeth (Cate Blanchett), die Tochter des verstorbenen Königs Heinrich VIII und dessen zweiter Frau Anne Boleyn. Für Maria Tudor ist Elizabeth ein Bastard und sie ist – was noch weit schlimmer ist – Protestantin. Die Berater von Maria Tudor wirken darauf hin, dass Elizabeth im Sinne Englands und des katholischen Glaubens hingerichtet werden müsse. Doch Maria Tudor kann sich nicht zum Todesurteil gegen ihre Halbschwester durchringen. Als sie 1558 stirbt, wird Elizabeth mit gerade 25 Jahren Königin von England und Irland und findet sich prompt im Mittelpunkt zahlreicher Intrigen wieder. Der Klerus möchte, angeführt vom Herzog von Norfolk (Christopher Eccleston), die Regentschaft der unliebsamen Königin möglichst schnell beenden und schmiedet mit Unterstützung des Vatikans ein Mordkomplott. Unterdessen versucht ihr Berater Sir William Cecil (Richard Attenborough) eine politische Ehe zu arrangieren und hat hierfür Mitglieder der sich konkurrierenden Königshäuser von Frankreich und Spanien auserkoren. Doch Elizabeth denkt nicht daran, sich zu vermählen und vergnügt sich stattdessen mit ihrem Liebhaber Robert Dudley (Joseph Fiennes). Zu allem Überfluss sind ihre Berater vor allem auf ihren persönlichen Vorteil bedacht. Mit Ausnahme des aus dem Exil zurück gekehrten Sir Francis Walsingham (Geoffrey Rush)…

    „Elizabeth“ gehörte mit sieben Oscar-Nominierungen (gewonnen: Bestes Makeup) und drei Nominierungen für den Golden Globe (gewonnen: Cate Blanchette als beste Schauspielerin in einem Drama) zu den positiven Erscheinungen in der Award Season 1999. Ein derartiger Erfolg konnte im Vorfeld der Produktion jedoch nicht unbedingt erwartet werden. Weder Regisseur Shekhar Kapur noch Drehbuchautor Michael Hirst konnten vor „Elizabeth“ nennenswerte Erfolge verbuchen und waren weit entfernt von einer großen Karriere. Der gebürtige Pakistani Kapur, ein ehemaliger Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater, dümpelte zuvor in der Unbedeutsamkeit des Bollywood-Kinos dahin und die wenigen Drehbücher, die Hirst zuvor an den Mann bringen konnte, waren allesamt weit von einem Hit entfernt. Dass beiden nun die Verantwortung über einen ordentlich budgetierten Kostümfilm (immerhin 25 Mio. Dollar standen zur Verfügung) übertragen wurde – nicht gerade ein Genre, bei denen das Publikum den Kinos die Türen einrennt – darf durchaus als Mut zum Risiko bezeichnet werden. Doch die Rechnung ging auf. Und damit ist keineswegs nur das weltweite Einspiel von rund 82 Mio. Dollar gemeint. Der Imagegewinn ob des Erfolges für die produzierenden Studios Channel Four Films, Polygram Filmed Entertainment und Working Title Films wog wohl ebenfalls genau so schwer.

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    Doch was hat es mit „Elizabeth“ genau auf sich? Zunächst einmal handelt es sich um ein exzellent ausgestattetes Historien-Drama. Kapurs England ist düster und dreckig. Gleich in der ersten Szene werden drei mutmaßliche Ketzer auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Das Land ist von religiösen und politischen Unruhen gespalten. Gemeinsam mit Kameramann Remi Adefarasin (About A Boy, Match Point) und Komponist David Hirschfelder gelingt es Kapur, die Atmosphäre und Stimmung des sich am Wendepunkt befindenden Englands ganz hervorragend einzufangen und wiederzugeben. Dass nur bedingt an Originalschauplätzen gedreht werden konnte, wurde adäquat aufgefangen. Als Drehorte dienten unter anderem Bolton Castle in den Yorkshire Dales, York Minster in York, Leeds Castle in Maidstone, Alnwick Castle in Northumberland und Durham Cathedral in Durham. Die sonstige Ausstattung wie die Kostüme von Alexandra Byrne (Das Phantom der Oper, Finding Neverland) sind makellos. Keine Frage: Atmosphärisch und optisch ist „Elizabeth“ auch in den letzten 10 Jahren nichts von seinem Reiz verloren gegangen und der Film muss sich auch vor aktuelleren Genrebeiträgen wie Stolz und Vorurteil oder Vanity Fair keinesfalls verstecken. Ganz im Gegenteil. In der einen oder anderen Szene ist „Elizabeth“ sogar ein echter Augenöffner.

    Auch für Freunde des gepflegten Schauspiel-Kinos hat „Elizabeth“ einiges zu bieten. Allen voran natürlich Cate Blanchett. Auf den schmalen Schultern der bei den Dreharbeiten gerade 28-jährigen Australierin ruht die gesamte Last des Films. Und auch bei der Besetzung seiner Hauptrolle bewies Kapur Mut zum Risiko, das sich auszahlen sollte. Dass Blanchett in ihrer Altersklasse zu den veranlagtesten Darstellerinnen überhaupt gehört, ist heute kein Geheimnis mehr. Vor „Elizabeth“ musste sie jedoch in keiner ihrer Rollen ihr gesamtes schauspielerisches Potential abrufen (nennenswert, wenn auch nicht überragend: „Oscar und Lucinda“ sowie „Paradise Road“). Eine derartige schauspielerische Offenbarung war also nicht unbedingt zu erwarten. Der enorm vielschichtige Charakter der Elizabeth wandelt sich während des Films vom mitunter naiven jungen Ding zur unantastbaren Herrscherin, die ihre eigene Persönlichkeit nahezu gänzlich aufgibt und nur noch in ihrer Rolle lebt (was später in der Fortsetzung Elizabeth: Das goldene Königreich zu einem der Hauptmotive werden sollte). Blanchett geht in der Rolle förmlich auf, überzeugt in sämtlichen Passagen und ist alleine Rechtfertigung genug, warum man diesen Film unbedingt gesehen haben sollte. Bei den übrigen Darstellern verdienen sich vor allem Geoffrey Rush (Fluch der Karibik, München) und Richard Attenborough (Jurassic Park, Der Flug des Phönix (1966)) eine positive Erwähnung. Dabei ist die gesamte Besetzung um weitere große Namen wie Joseph Fiennes, Vincent Cassel und Daniel Craig so gut, dass selbst ein ehemaliger Fußballer wie Eric Cantona in einer nicht ganz kleinen Rolle als französischer Gesandter mit durchgezogen werden kann.

    Das starke Ensemble mit der überragenden Hauptdarstellerin ist wegen des großen Mangels des Films aber auch dringend notwendig: Dramaturgisch liegt bei „Elizabeth“ so einiges im Argen. Am meisten krankt der Film daran, dass dem Hauptcharakter ein echter Widerpart fehlt. Der Herzog von Norfolk könnte dies zwar theoretisch sein, doch in der Praxis haut dies nicht wirklich hin. Somit dreht sich ein Großteil des Films um den Kampf von Elizabeth gegen sich selbst und die Traditionen, was dank Cate Blanchett auch recht gut funktioniert, mitunter aber doch recht monoton wirkt. Erschwerend kommt hinzu, dass dem Film sämtliche Überraschungsmomente vollkommen abgehen. Dass Elizabeth I auch „die jungfräuliche Königin“ genannt wurde, darf als Teil der Allgemeinbildung betrachtet werden. Und wer dies weiß, für den haben der gesamte Handlungsstrang um das Werben der ausländischen Königshäuser um Elizabeth‘ Hand und die Romanze mit Robert Dudley nur wenig zu bieten. Ein etwas anderer Fokus wäre phasenweise wünschenswert gewesen. Diese Mängel mögen zwar durchaus der Historie geschuldet sein, besser wird der Film dadurch aber auch nicht.

    Einen Abzug in der B-Note muss es noch für Kapurs Umgang mit den historischen Fakten gegeben. Die wohl krasseste Abweichung betrifft den Herzog von Norfolk, der im Film als einer der Drahtzieher der katholischen Verschwörung zur Ermordung von Elizabeth dargestellt wird. In Wirklichkeit war dieser jedoch Elizabeth‘ Cousin und Protestant. Und derartige Abweichungen von der Realität gibt es einige. An sich wäre dies nicht weiter tragisch, doch ein Film muss sich an dem messen lassen, was er selbst sein möchte. Und „Elizabeth“ wurde als biografisches Werk konzipiert und beworben. Und wären wir hier nun in der Schule, so müsste das Urteil „Thema verfehlt“ lauten. Der Korrektheit halber müsste „Elizabeth“ eigentlich als Pseudo-Biografie bezeichnet werden.

    Fazit: „Elizabeth“ ist ein opulent ausgestattetes und großartig gespieltes Historien-Drama, dem eigentlich nur die eigene Geschichte im Weg steht, da sich diese im ausgewählten Zeitrahmen dramaturgisch eben nicht immer für eine Verfilmung eignet und sich der Film dadurch in vorhersehbaren Bahnen bewegt.

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