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    Bis zum Horizont, dann links!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Bis zum Horizont, dann links!
    Von Lars-Christian Daniels

    Darf man über das Älterwerden, die kleinen Zipperlein und die gelegentlichen geistigen Aussetzer von Senioren lachen? Oh ja, man darf. Dass das möglich ist, ohne die älteren Semester dabei der Lächerlichkeit preiszugeben, bewies zuletzt der französische Filmemacher Stéphane Robelin mit seiner kurzweiligen Rentnerkomödie „Und wenn wir alle zusammenziehen?", in der ein halbes Dutzend Rentner spontan eine gemeinsame WG gründet. Wenige Monate nach dem Kinostart des Films schlägt der bisher vor allem für seine TV-Produktionen bekannte Regisseur Bernd Böhlich („Du bist nicht allein") nun in die gleiche Kerbe: In seiner sympathischen Altersheimkomödie „Bis zum Horizont, dann links!" kapern zwei Dutzend Senioren ein Flugzeug und setzen sich damit kurzerhand gen Mittelmeer ab. Wenngleich nicht jede Pointe zündet und die waghalsige Odyssee eher überraschungsarm ausfällt, muss man Böhlichs prominent besetzten Film einfach ins Herz schließen: Die liebenswerte Ü-70-Truppe und ein herausragender Otto Sander in der Hauptrolle sorgen für gute Unterhaltung und machen die kleinen Schwächen des stellenweise auffällig konstruiert wirkenden Drehbuchs wieder wett.

    Nachdem Großmutter Annegret Simon (Angelica Domröse) nachts mal wieder eine Matratze mit Urinflecken ruiniert hat, ist das Maß voll: Ihre Familie steckt sie ins Altersheim. Das passt der geistig keineswegs eingerosteten Dame gar nicht, bietet sich ihr im Heim doch ein Bild gähnender Langeweile. Ein karges Zimmer, in das kaum mehr persönliche Gegenstände passen als in eine Reisetasche, Bewegungstherapie bei der strengen Pflegerin Amelie (Anna-Maria Mühe) und zu allem Überfluss auch noch gaffende alte Männer wie der aufgeweckte Tiedgen (Otto Sander) und Willy Stronz (Ralf Wolter), der über alles und jeden lacht. Doch Annegret ist mit ihrem Frust nicht allein. Auch Tiedgen ist es leid, ständig die gleiche Routine zu durchlaufen und auf den Tod zu warten. Als eines Tages ein Rundflug auf dem Programm steht, fasst der Rentner einen gewagten Entschluss: Er dringt ins Cockpit von Pilot Schlepper (Tilo Prückner) und Co-Pilot Mittwoch (Robert Stadlober) ein und kapert die Maschine...

    „So fickst du auch!" resümiert Altenpflegerin Amelie frustriert, als ihr Liebhaber, ein tollpatschiger Polizist, sie am Morgen nach einer gemeinsamen Nacht darauf hinweist, dass der Verlust seiner Dienstwaffe eine Katastrophe sei – er sei schließlich Beamter. Diese köstliche Sequenz im Garten des Seniorenheims ist gleich aus zweierlei Gründen bemerkenswert: Zum einen, weil Amelies verbittertes Fazit nach einer knappen halben Stunde der erste Gag ist, der wirklich einschlägt. Zum anderen steht sie exemplarisch dafür, mit was für einer Holzhammer-Dramaturgie hier phasenweise gearbeitet wird. Welcher halbwegs pflichtbewusste Polizeibeamte würde wohl seine Dienstwaffe unbeaufsichtigt über einen Kleiderhaken im Flur hängen und sich dann in aller Seelenruhe auf ein Schäferstündchen im Zimmer der Nachtwache begeben? Die Künstlichkeit derartiger Situationen fällt aber nicht allzu schwer ins Gewicht, erweisen sie sich doch als weitaus unterhaltsamer als die gelegentlichen ausgelutschten Pointen.

    Verwechselte Gebisse am frühen Morgen, die ehelichen Gebärden des peniblen Dauermeckerers Herbert Miesbach (Herbert Feuerstein) und seiner genervten Frau Evelyn (Monika Lennartz), vor allem aber die vielzitierte Inkontinenz, die der Filmemacher vergeblich als Running Gag zu installieren versucht: Nach dem müden Auftakt im Altersheim wird es erst im Flugzeug, in dem die Rentner natürlich streng demokratisch darüber abstimmen, ob man den Mittelmeertrip wagen soll, richtig witzig. Zwar fällt dabei nicht jede Figur so köstlich aus wie der giftige Miesbach (Feuerstein hat sichtlich seinen Spaß), doch sie alle haben letztlich ihren Reiz: Ein Kriegsveteran, der sich wie ein Schneekönig auf den Besuch eines griechischen Soldatenfriedhofs freut, eine gealterte Schauspielerin, die die letzte Gelegenheit für einen Moment im Rampenlicht beim Schopf ergreift, und auch die an den Rollstuhl gefesselte Margarete (rührend: Barbara Morawiecz), die das Mittelmeer zwar nicht mehr sehen, dafür aber noch riechen und schmecken kann.

    Der Star in „Bis zum Horizont, dann links!" ist aber ohne Zweifel ein anderer: Otto Sander („Der Himmel über Berlin", „Das Boot"), der im Rahmen der Filmaufführung beim Festival in Ludwigshafen mit dem Preis für Schauspielkunst ausgezeichnet wurde, verkörpert mit Tiedgen nicht nur den sympathischen Publikumsliebling, sondern verleiht dem störrischen Rentner und Süßholzraspler darüber hinaus auch einen herrlich unterkühlten, trockenen Charme, dem man sich kaum entziehen kann. Da können auch Robert Stadlober („Sonnenallee", „Krabat") und Anna-Maria Mühe („Novemberkind"), die angesichts der übrigen Besetzung glatt noch als Jungdarsteller durchgehen, nur staunen. Dass Böhlich unbedingt noch eine Romanze zwischen ihren beiden Figuren in den Film quetschen muss, macht seine Rentnerkomödie nicht besser, stört aber auch nicht nennenswert.

    Fazit: „Bis zum Horizont, dann links!" punktet mit einer blendend aufgelegten, mit vielen deutschen Leinwandgrößen gespickten Besetzung, die aus Bernd Böhlichs Film ein gutgelauntes Vergnügen für ältere, aber auch für jüngere Zuschauer macht.

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