Wo üben sich Mäusekinder im „Bienenzielwurf"? Wo tragen fleißige Ameisen den Hunden noch die dicksten Knochen weg? Warten Mama und Papa Raupe ungeduldig an der Bushaltestelle? Und fangen kleine Bären und Tiger die dicksten Fische? Richtig: In der filmischen Panorama- und Schlaraffenland-Version der Phantasiewelt des berühmten Zeichners und Autors Janosch, mit bürgerlichem Namen Horst Eckert, dessen schwarz-gelb gestreifte Tigerente das am meisten nachgebastelte Haustier von Kinderhand sein könnte. Mit „Komm, wir finden einen Schatz" hat Regisseurin und Produzentin Irina Probost nach „Oh, wie schön ist Panama" (2006) und „Die Tigerentenbande" (2011) in enger Zusammenarbeit mit Janosch eine knuddelige und trotzdem lebensnahe Zeichentrick-Trilogie abgeschlossen. Auch das neue Werk schwebt luftig-abenteuerlich über den Vorlagen und ist doch keine Sekunde bloße Zerstreuung. Was ist Freundschaft? Wem kann ich vertrauen? Warum ist es wichtig, wahrhaftig zu sein? Es sind zeitlose und unentbehrliche Fragen für Publikum jeden Alters, die diese Geschichte einer Schatzsuche antreiben.
Erzählt wird, wie zusammen findet, was zusammen gehört. Janoschs kleine große Helden, Tiger (Malte Arkona) und Bär (Michael Schanze) haben beim Fischen plötzlich eine Truhe an der Angel, die ein Schiffsmodell und darin die Karte zu einem Piratenschatz bereit hält. Weil sich die der Hund Kurt der knurrt (Elton) unter den Pfotennagel reißen will, haben die beiden davon bald nur noch die eine Hälfte, die andere segelt zum Fenster hinaus. Der gaunerhafte angebliche Meisterdetektiv Gokatz (Gregor Höppner) will diese Hälfte zu Geld machen, als der Hase Jochen Gummibär (Tobias Diakow) mit einem ungewöhnlichen Wunsch an ihn herantritt: Er soll ihm helfen, Freunde zu finden! Gokatz weiß noch nicht, wie recht er behält, als er für viele Goldtaler Jochen Gummibär die halbe Schatzkarte aufschwatzt – denn der wahre Schatz seien doch schließlich Freunde, oder? Und mit einer Schatzkarte finde man sie. Jochen ergänzt sich mit seiner Hälfte des Pergaments wunderbar mit Tiger und Bär. Gemeinsam brechen sie zu haarsträubender Jagd auf versunkene Seeräuberdublonen auf, eifersüchtig verfolgt von Gokatz und Kurt der knurrt...
Wer Janosch einigermaßen kennt, wird sofort merken, dass das Buch „Komm, wir finden einen Schatz" und diese Filmversion zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sind. Aber das macht nichts. Das eine ist eine ziemlich bittere Moritat und ein Anti-Märchen über allzu naive Glückssuche und den trügerischen Glanz des Materiellen. Fürs Kino ist aus dem Stoff ein sommerliches Aquarell mit unerschütterlich heiterem Himmel und kleinen kuscheligen Wolken geworden, das zum Start in der letzten Maiwoche Lust auf Sonne, Wasser und Abenteuer macht. Das Team um Irina Probst schwelgt in den ästhetischen und technischen Finessen nicht nur des animierten Films. Was der „Experte" als „unsichtbaren Schnitt" kennt, fühlt der unbedarfte Zuschauer als herrliches Gleiten mit der Kamera durch Räume und Elemente auf dem Rücken von Vögeln und fliegenden Schatzkarten. Dabei verrät der elegante Aktionsrhythmus ein wunderbares Empfinden für das richtige Tempo. Nirgendwo eine Sekunde zu viel oder zu wenig. Turbulenz ohne Hektik. Kurze Abblenden teilen die Handlungsabschnitte, geben kurz Zeit, mental zu verschnaufen, sich auf neue Eindrücke einzustellen. Ein Film, der die Gemüter nicht mit visueller Virtuosität erschlagen, sondern für seine Geschichte gewinnen will.
Die allein ist schon ein Schatz für sich. Wer kommt schon auf die hübsche und anrührende Idee, dass ein Hase einen zwielichtigen Kater von Detektiv dafür engagieren will, Freunde zu finden? Und ihn auf die Frage des Detektivs, wie denn ihre Namen seien, traurig verneinen lässt, die wüsste er – noch – nicht? Wahrscheinlich stecken die kreativen Köpfe von Probost und Janosch dahinter, aber wohl auch die erfahrene Drehbuchautorin Nana Meyer. Janosch mag zur Marke geworden sein, dem spielerisch Lehrhaften seiner Texte und Zeichnungen bleibt die Leinwand-Version aber treu. Die Begebnisse um räuberische Füchse am Wegesrand, hungrige Krokodile im pupsenden Tintensumpf, Irrwege im heißen Steppensand und gefährlichen Kanonendonner aus einem alten Piratenschiff im Eismeer halten für die Abenteurer genug Prüfungen bereit, um einander beizustehen, sich nach Streit und Missverständnissen zu versöhnen und zu lernen, einander zu vertrauen. Und Freunde zu werden.
Spannung kommt dabei auf, ohne dass der Gewaltpegel über das Niveau der Augsburger Puppenkiste und ihrer „Wilden Dreizehn" steigen würde. Das obligatorisch gewordene Piratengenre wird bedient, aber Säbel und Hüte fallen den Figuren nur durch die Schräglage des Piratenschiffes im Eis auf den Kopf respektive in die Hand, und zerschnitten werden nicht Kehlen, sondern Hängematten. Bei soviel Einfallsreichtum und Zauberkraft bleibt nur ein Wunsch offen, dass nämlich auch eine Mädchenfigur eine tragende Rolle haben sollte. Dem liebenswerten Nashorn Rosa (Frauke Poolmann) wird dies verwehrt. Vielleicht sehen wir von ihr das nächste Mal mehr – denn von dieser Art Zeichentrickabenteuer bekommt man nie genug.
Fazit: Um es mit den Hasen-Worten von Jochen Gummibär auf den Punkt zu bringen: „Spitzophänal!". „Janosch - Komm, wir finden einen Schatz" ist spaßig, spannend und schlau – eine echte Rarität unter Kinderfilmen. Das einzige Manko findet sich in der gezeichneten Besetzung: Es fehlen ein paar kluge und entdeckungslustige Mädchen.