Jeder ist mal wütend – und in diesen Situationen, Hand aufs Herz, hat auch jeder mal die ein oder andere fiese Phantasie gehegt. Im Idealfall hält der zivilisatorische Damm und die Aggression bleibt unter Verschluss. Was aber, wenn der gefühlte Druck zu hoch wird? Diesen Gedankenspielen geht Autor und Regisseur Bobcat Goldthwait mit seinem tiefschwarzhumorigen Buddy-Movie „God Bless America" nach. Sein Film soll eine Abrechnung mit dem Voyeurismus und der Gewaltgeilheit der US-amerikanischen Fernsehlandschaft sein – ein Thema, das im Kino in verschiedensten Variationen von Sidney Lumets „Network" bis - um eine Ecke herum gedacht - zu Paul Verhoevens „Starship Troopers" bereits ausgesprochen differenziert und bissig bearbeitet wurde. Nicht so hier: Viel zu oft bedient Goldthwait in seinem betont respektlosen und dabei nicht selten auch geschmacklosen Film genau das, was er kritisieren will.
Franks (Joel Murray) Leben ist eine Katastrophe. Seine asozialen Nachbarn rauben ihm den letzten Nerv, seine Ex-Frau und die von ihr verzogene Tochter hassen ihn, eine missverstandene Geste der Nettigkeit kostet ihn seinen Job und zu allem Überfluss hat er einen inoperablen Tumor im Kopf. Doch anstatt die Welt still und leise zu verlassen, beschließt der traurige Einzelgänger, schwerbewaffnet gegen all jene ins Feld zu ziehen, die in seinen Augen Schuld tragen am moralischen Niedergang einer zunehmend verdummenden USA. Dabei erhält Frank überraschende Unterstützung von der frühreifen Teenagerin Roxy (Tara Lynne Barr), die ebenfalls nach Auswegen aus ihrem Außenseiterdasein sucht. Und so begibt sich das Duo auf einen Roadtrip durch die Vereinigten Staaten, um archaische Gerechtigkeit walten zu lassen und diejenigen zu töten, die in seinen Augen verantwortlich sind für den desolaten Zustand des Landes...
Wie entscheidet man, wer den Tod verdient hat? Welche Eigenschaften verdammen ihre Träger zum Sterben? Frank und Roxy diskutieren zwar mehrfach über die diesbezüglichen Kriterien, letztendlich aber bleibt Franks Agenda ziemlich vage. „Verurteilt" werden etwa verzogene Teenies, fremdenfeindlich-fundamentalistische Christen, Falschparker – und die fiese Jury der Casting-Show „American Superstar". Nicht einmal ein geistig behinderter Teilnehmer eben dieser Show wird hier verschont, immerhin hat er sich ja am Niedergang der Nation beteiligt. Irgendwie zumindest. Ja, auch kaltblütige Serienmörder taugen als Protagonisten – dafür bedarf es allerdings außergewöhnlich sensibler Filmemacher. Vom Format etwa eines Oliver Stone („Natural Born Killers") ist bei Regisseur Goldthwait allerdings nichts zu spüren. Einzig Joel Murrays („Mad Men", „The Artist") intensives Spiel sorgt dafür, dass sich die tragische Dimension des eigentlich rundherum abstoßenden Frank noch ein Stück weit erschließt.
Was Goldthwait mit seiner Geschichte eigentlich zum Ausdruck bringen will, bleibt undeutlich. Um die Grenzen des guten Geschmacks zumindest hat er sich nicht geschert. Da kann das dauerschreiende Nachbarsbaby noch so nervtötend sein – die widerliche Traumszene, in der das Kleinkind von einer Shotgunsalve pulverisiert wird, lädt ganz sicher nicht zur Auseinandersetzung mit der Psyche des Protagonisten und erst recht nicht mit einem etwaigen Subtext ein. An satirischem Pep mangelt es der krude schwarzhumorigen Gewaltorgie ohnehin, die oberflächliche Zivilisationskritik wird über billige Phrasen abgehandelt. Umso erstaunlicher, dass dann doch noch einige wenige gelungene Szenen folgen, beispielsweise eine witzige Hommage an Glamrock-Urgroßvater Alice Cooper. Im Kontext der kaum ergründeten Gewaltorgie sind jedoch auch diese seltenen Lichtblicke nur schwer genießbar.
Fazit: „God Bless America" ist ein blutrünstiges Buddy-Movie, dessen gesellschaftskritischer Aspekt bloße Behauptung bleibt – ein vom Leben gepeinigter Protagonist, der alles und jeden abknallen will, reicht einfach nicht für eine diskussionswürdige Satire.