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    Deepwater Horizon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Deepwater Horizon
    Von Carsten Baumgardt

    Das amerikanische Kinovolk liebt Helden! Das ist kein Geheimnis. Dementsprechend wird Peter Bergs Katastrophenfilm „Deepwater Horizon“ im Marketing auch als große Heldengeschichte verkauft - die immensen Produktionskosten von 110 Millionen Dollar müssen schließlich irgendwie wieder eingespielt werden. Angesichts des gern patriotisch auftretenden Hauptdarstellers Mark Wahlberg („Lone Survivor“, „Transformers - Ära des Untergangs“) und einiger störrisch wehender US-Flaggen sowie entsprechend markiger Taglines konnten Befürchtungen aufkommen, dass dieser Film über die Entstehung einer der größten Umweltkatastrophen der Historie zum pathostriefenden Ölbohrer-Reißer ausartet. Aber diese Sorgen bestätigen sich nicht. Regisseur Berg („Operation: Kingdom“, „Hancock“) kreiert vielmehr ein visuell bombastisches und inhaltlich realistisches Action-Drama: Das Publikum ist gleichsam mittendrin in der Katastrophe, in einigen besonders intensiven Szenen kann man kaum noch hinsehen.

    2010: Die mobile Ölbohrplattform Deepwater Horizon ist 41 Meilen vor der Küste Louisianas im Golf von Mexiko verankert, um im Maconda-Ölfeld für den Multikonzern BP das „schwarze Gold“ aus dem Untergrund zu ziehen. Doch die Produktion ist mit ihren Zielen ganze 43 Tage im Rückstand, was die BP-Vertreter um den hochrangigen Manager Donald Vidrine (John Malkovich) noch nervöser macht als die ausführenden Betreiber der Firma Transocean. Projektleiter Jimmy Harrell (Kurt Russell) versucht den Druck der Auftraggeber von seiner mehr als 120 Menschen starken Truppe fernzuhalten, während Cheftechniker Mike Williams (Mark Wahlberg) an kleineren und größeren Problemen arbeitet. Seit Tagen schon gibt es unerklärliche Probleme mit dem Bohrdruck, über die Gefährlichkeit streiten sich die Experten. BP drängt jedoch auf die Weiterführung der Förderung, was in einem gigantischen Blowout endet, der die Bohrinsel letztendlich lichterloh in Flammen setzt.

    Die verheerende Explosion am 20. April 2010 und die durch sie ausgelösten Großbrände forderten elf Menschenleben. Zwei Tage später ging die Deepwater Horizon endgültig unter und das Drama weitete sich zu einer gigantischen Umweltkatastrophe aus: Das leckende Bohrloch konnte erst nach 87 quälend langen weiteren Tagen am 16. Juli geschlossen werden, bis dahin waren alle 24 Stunden 50.000 Barrel Öl in den Golf von Mexiko geflossen. Regisseur Peter Berg, der auch einen kleinen Cameoauftritt als Schauspieler hat, konzentriert sich in seinem Öl-Actioner auf das Geschehen bis zum Untergang der Plattform, bemüht sich dabei um größtmögliche Authentizität und stützt sich dafür auf den New-York-Times-Artikel „Deepwater Horizon’s Final Hours“ von David Barstow, David Rohde und Stephanie Saul. Er stellt die Katastrophe aus der Perspektive der aufrechten US-Arbeiter der Schweizer Betreiberfirma Transocean nach, die sich von allen Beteiligten moralisch am korrektesten verhalten haben. Souverän lösen Berg und seine Drehbuchautoren Matthew Michael Carnahan („World War Z“, „State Of Play“) und Matthew Sand („Ninja Assassin“) dabei die Herausforderung, das Unfallgeschehen dramaturgisch sinnvoll in einen größeren Handlungsrahmen einzufassen.

    Sie tauchen ein in die Welt der Plattformarbeiter, schildern auf der einen Seite deren von amerikanischen Familienwerten geprägten Alltag und ihre Rituale auf der Bohrinsel, auf der zweiten Ebene lassen sie das Geschehen durch die Konflikte zwischen Transocean und BP unausweichlich auf die Katastrophe zusteuern. Den moralisch schwarzen Peter schiebt der Filmemacher den BP-Managern zu und geht damit konform mit der offiziellen Version des US-Justizministeriums: Der Konzern musste im Nachgang die Rekordstrafe von 4,5 Milliarden Dollar für das fahrlässige Auslösen der Ölpest bezahlen. Das umweltpolitisch umstrittene Milliardengeschäft mit dem „schwarzen Gold“ wird im Film allerdings nicht in Frage gestellt, auch die desaströsen Folgen für die Umwelt werden nicht explizit thematisiert – hier darf Mark Wahlbergs Figur vielmehr ganz ohne schlechtes Gewissen eine wahre Benzinschleuder fahren, weiterführende Überlegungen zum bewussten Umgang mit den natürlichen Ressourcen haben hier schlicht keinen Platz.

    Peter Berg verdichtet das Geschehen stattdessen immer stärker und steigert unerbittlich die Spannung, bis das Biest dann tatsächlich entfesselt ist. In diesem Schlussdrittel wird „Deepwater Horizon“ zum ganz großen Blockbuster-Spektakel, nun ist auch ganz klar zu erkennen, wo das monströse Budget geblieben ist: Optisch und vor allem akustisch ist das Action-Drama während und nach der Explosion eine schaurig-atemberaubende Offenbarung – begleitet werden die oscarwürdigen Bild-und Toneffekte von einer hypnotischen Musik von Steve Jablonsky („Transformers 3“). Die zerstörerische Wucht und die Urgewalt dieses Infernos werden bis in die letzten Kinositzreihen physisch spürbar. Der Film ist so nah dran am Geschehen und dabei so realistisch, dass es gelegentlich schwer erträglich ist. Es zahlt sich aus, dass der Regisseur darauf bestanden hat, große Teile der Bohrinsel fast eins zu eins nachzubauen: Die Mischung aus realen und zahlreichen computeranimierten Elementen Bilder ist hervorragend gelungen und fühlt sich absolut echt an.

    Der von Mark Wahlberg routiniert gespielte Cheftechniker Mike Williams steht zwar im Zentrum der Handlung und kommt dem Status eines Helden am nächsten, wenn er für seine Kollegin Andrea Freytas (Gina Rodriguez) sein Leben aufs Spiel setzt, aber seine Tat wird in keiner Weise hochstilisiert: Er tut einfach nur, was er für richtig hält. Der Film hat sowieso eine sehr sachliche, fast dokumentarische Seite mit seinen knappen, von für Laien nicht immer verständlichem Fachchinesisch dominierten Dialogen, die Filmemacher geben dem Publikum gerade so viele Hintergrundinfos wie nötig, helfen dem Publikum aber zusätzlich mit erklärenden Texttafeln, die Zusammenhänge und Verständnis herstellen. Eine willkommene Prise Menschlichkeit mischt Veteran Kurt Russell („The Hateful Eight“, „Die Klapperschlange“) bei, der sich als etwas knorriger, jedoch schwer sympathischer Crewchef und Schnauzbartträger Jimmy Harrell bemüht, alle Parteien unter einen Hut zu bekommen. Als sein Gegenpol bewahrt Charakterkopf John Malkovich („Gefährliche Liebschaften“) den schurkischen BP-Manager, der entgegen alle Warnungen die monetären Interessen des mächtigen Ölmultis durchdrückt, vor dem Absturz in die Klischeefalle.

    Fazit: Peter Bergs adrenalingetränktes Action-Drama „Deepwater Horizon“ ist eine hochspannende, ungeheuer packende, wenn auch etwas einseitige Chronik einer gigantischen Katastrophe.

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