Basierend auf der Kurzgeschichte „Expensive Trips Nowhere" von Tom Bissell sowie nach persönlichen Erfahrungen inszeniert Julia Loktev („Day Night Day Night") in „The Loneliest Planet" eine Geschichte über Liebe und Vergebung sowie über die Grenzen der Emanzipation. Die Regisseurin und Videokünstlerin legt dabei weit größeres Augenmerk auf die visuelle Gestaltung als auf die Dialoge oder die Geschichte im engeren Sinne. Ausufernde Naturaufnahmen und eine fast stoisch anmutende Ruhe dominieren das fast experimentelle Drama und verlangen höchste Aufmerksamkeit, während die unter der Oberfläche brodelnden Themen nicht zuletzt wegen der distanzierten Inszenierung kaum einmal genauer in den Fokus geraten und nicht vertieft werden.
Nica (Hani Furstenberg) und Alex (Gael García Bernal) reisen gerne fernab des Massentourismus. Diesmal hat es sie nach Georgien verschlagen, wo sie sich mit einigen Brocken der Landessprache leidlich durchschlagen. Bis über beide Ohren verliebt turteln sie sich durch ihren Urlaub – nichts scheint ihrem Glück etwas anhaben zu können. Um einige georgische Berge zu erkunden, engagieren sie den ortskundigen Fremdenführer Dato (Bidzina Gujabidze), zu dem sie im Laufe der Wanderung durch menschenleere Gefilde ein freundschaftliches Verhältnis entwickeln - bis ein unerwartetes Ereignis die Harmonie der kleinen Reisegesellschaft zu zerstören droht. Plötzlich ist nichts wie es einmal war, Nica und Alex lernen sich von einer vollkommen neuen Seite kennen, was ihre Liebe auf eine harte Probe stellt. Und auch Dato ist bald mehr als nur der unbeteiligte Beobachter...
Diese nur auf den ersten Blick einfache Geschichte setzt Julia Loktev mit auffällig sparsamen Dialogen in Szene. Vor allem durch ihre Interaktion, durch kleine Gesten der Zuneigung lernt man Nica und Alex kennen. Wirkt diese Wortkargheit zu Beginn noch wie ein rein ästhetisches Stilmittel, entwickelt sich die Sprachlosigkeit der Protagonisten zunehmend zu einem entscheidenden Merkmal ihrer Beziehung. Der fehlende Austausch zwischen Nica und Alex über das Ereignis, das alles verändert hat (und das hier nicht verraten werden soll), droht auch die Heilung der entstandenen Wunden zu verhindern. Allerdings geht Loktev dieser mangelnden Kommunikation nicht auf den Grund, sie gibt dem Thema keine erzählerische Richtung. Die Handlung verläuft entsprechend gleichförmig, fast monoton. Nur die wenigen Momente, in denen sie laute, dramatische Musik zu statischen Halbtotalen des Trios einsetzt, wirken in dem ansonsten auf der Tonebene von Naturgeräuschen bestimmten Film wie Kapitelunterteilungen. Aber die so vermeintlich entstehende Struktur bleibt brüchig, von einer Handlung im herkömmlichen Sinn kann nur bedingt die Rede sein.
„The Loneliest Planet" zerfällt in einzelne Momente, in kleine Dialoge zwischen den Figuren, Augenblicke der Annäherung zwischen Touristen und Einheimischen. Mit dem zentralen Zwischenfall kommt die Geschichte an einen Wendepunkt, doch danach ändert sich weniger als man denken würde. Der offen ausgetragene Konflikt, den man erwartet, bleibt aus, die Handlung läuft im selben Tempo weiter wie zuvor. Auch Inti Briones‘ („Huacho – Ein Tag im Leben") Kameraarbeit fügt sich in dieses Konzept, er beschränkt sich meist auf eine einzige Perspektive, verzichtet auf Nahaufnahmen und Gegenschüsse. Die Filmemacher behalten den Gestus neutraler Beobachter des Geschehens bei und wahren jederzeit die Distanz zu den Figuren.
Die erwähnte Distanz, die hier ganz fraglos zum Konzept gehört, hat auch ihre problematischen Seiten. Auch wenn der Verlauf der Ereignisse wie er hier gleichsam protokolliert wird durchaus überzeugend und glaubwürdig ist: Zugang zu den Figuren und ihrer Gedankenwelt findet man kaum. Der betont undramatisch erzählten Geschichte fehlt eine nachfühlbare emotionale Ebene und so wirken auch die Protagonisten seltsam entrückt und distanziert. Dabei bietet „The Loneliest Planet" unter seiner spröden Oberfläche immer wieder spannende Denkansätze. So wirft das Verhalten der selbstbewussten Nica die Frage nach den Grenzen von Emanzipation auf: Wie gleichberechtigt wollen wir sein? Welche Rollen wollen wir beibehalten, welche wollen wir ablegen? Julia Loktev macht mit ihrem Film deutlich, dass Fragen dieser Art heutzutage in jeder Beziehung neu verhandelt werden müssen und die Abwesenheit klarer Normen auch großes Konfliktpotential birgt. Doch diese Aspekte, ebenso wie geradezu archaische Fragen nach Schuld und Vergebung, die hier zumindest unterschwellig auch verhandelt werden, bleiben in dieser allzu distanziert inszenierten Versuchsanordnung allzu abstrakt.
Fazit: Bei diesem Drama geht Form über Inhalt: Regisseurin Julia Loktev setzt ganz auf eine betont distanzierte, spröde Inszenierung, der thematische Reichtum des Stoffes wird auf abstrakte Gedankenspiele reduziert.