Waren sie bislang allenfalls einem cinephilen Publikum bekannt, drängen Kinofilme aus Afrika inzwischen regelmäßiger in die europäischen Lichtspielhäuser. So sind beispielsweise in fast allen Sektionen der Berlinale 2012 afrikanische Filme präsent gewesen – worauf Festivalchef Dieter Kosslick auch gleich im zweiten Absatz seines Programmheft-Vorworts hingewiesen hat. Auf der Berlinale 2011 zeigte die Sektion Forum den kongolesischen Thriller „Viva Riva!", das Kino- und Spielfilmdebüt des Dokumentarfilmers Djo Tunda Wa Munga. Der flott und farbenfroh inszenierte Film lief außerdem auf zahlreichen weiteren Festivals, wo sowohl die Kritik als auch das Publikum wohlwollend reagierten. Nun sollte man bei aller Freude über diese kleine Blüte des afrikanischen Kinos aber nicht die Schwächen übersehen: „Viva Riva!" ist zwar durchweg unterhaltsam und besticht als Genrefilm durch einen frischen Blick auf alte Traditionen, leidet aber an seiner erzählerischen Unausgereiftheit.
Nach einem Jahrzehnt in Angola kehrt der vergleichsweise reich gewordene Riva (Patsha Bay) in seine Heimatstadt Kinshasa zurück, wo der Draufgänger sein ganzes Geld im wilden Nachtleben der Metropole verprasst. Doch das ist beileibe nicht sein einziges Problem: Riva verguckt sich in die Nachtclubtänzerin Nora (Manie Malone), die aber ausgerechnet die Geliebte des Gangsterbosses Azor (Diplome Amekindra) ist. Und der bläst so auch postwendend zur Jagd auf seinen Nebenbuhler. Ebenfalls auf der Abschussliste steht Riva bei seinem früheren Chef César (Hoji Fortuna), weil er ihm vor einigen Jahren das im Kongo so überaus wertvolle Benzin klaute, mit dem er dann in Angola reich wurde. Fortan dreht sich alles um Geldgier und Schmuggel, Luxuskarossen und Benzinmangel, Liebe, Verrat und Blut...
Vor dem Hintergrund dieser leicht überdrehten Thriller-Handlung inszeniert Djo Tunda Wa Munga einen pulsierenden Genrefilm und bringt explizite Gewalt, unanständigen Sex sowie den Beat der kongolesischen Hauptstadt stilsicher auf die Leinwand. Wie im vergleichbar angelegten „City Of God" wirbelt die digitale Kamera von Antoine Roch („Vergissmichnicht") durch wuselige Straßenszenen, fängt den großstädtischen Rhythmus ein und sorgt für visuelle Abwechslung. Spannend ist dabei vor allem die Reibung zwischen der künstlichen Form und dem dokumentarischen Gehalt der Bilder: Überzeichnete Figuren und Situationen treffen hier auf ein realistisches Szenario, zu dem Bemühen um Alltagsnähe und atmosphärische Glaubwürdigkeit gehört auch, dass „Viva Riva!" als erster kongolesischer Film seit den frühen Achtzigern in der Nationalsprache Lingála gedreht wurde: „Kinshasa is Calling" lautet der passende Werbespruch aus dem Trailer.
Doch das erzählerische Konzept des Regisseurs offenbart auch Schattenseiten. So sind alle Figuren – vom chauvinistischen Antihelden Riva über den im weißen Anzug auflaufenden Gangsterboss bis zu einer lesbischen Kommandantin – letztlich nur arg grobe Skizzen. Das wäre weiter nicht schlimm, würde Djo Tunda Wa Munga diese Linie konsequent durchhalten und nicht immer wieder versuchen, die Figuren doch noch mit charakterlichen Zügen zu versehen, die dann im Kontext der Genre-Handlung schlichtweg aufgesetzt wirken. Den alltäglichen Stromausfällen in Kinshasa nicht unähnlich verliert „Viva Riva!" immer dann an filmischer Sprengkraft, wenn der Filmemacher einen emotionalen Unterbau aus dem Boden stampfen will, für den es gar kein Fundament gibt – in Bezug auf die Hauptfigur Riva funktioniert das schon deshalb nicht, weil das leichtfertige Verhalten des jungenhaften Lebemanns im Angesicht der Gefahr kaum nachvollziehbar ist: Wenn es Riva selbst so schnuppe ist, ob er draufgeht, warum soll ihm der Betrachter dann die Daumen drücken?
Fazit: Mit „Viva Riva!" präsentiert sich das junge kongolesische Kino einem internationalen Publikum. Die überdrehte Action quer über Straßen und durch die Betten ist ausgesprochen unterhaltsam – eigensinnige Handlung und hintersinnige Figurenzeichnung fallen dabei jedoch flach.