Die Afghanin Saba Sahar ist eine Ausnahmeerscheinung in ihrem stark männerdominierten Heimatland: Als Polizistin, Schauspielerin und erste Filmemacherin mit einer staatlichen Lizenz setzt sie sich öffentlich für das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung ein. Mit Aufklärungsfilmen, die die prekäre Lage der Frauen in Afghanistan thematisieren und zum gemeinsamen Widerstand ermutigen, macht sich die emanzipierte Sahar indes nicht überall im Land Freunde. Der Regisseur Sebastian Heidinger begleitet seine kämpferische Protagonistin bei ihrer Mission und gewährt mit dem Dokumentarfilm „Traumfabrik Kabul" nicht nur Einblicke in die Arbeit von Saba Sahar, sondern zeichnet gleichsam nebenbei ein Porträt der Alltagsrealität in Kabul und in den afghanischen Provinzen.
Heidinger dokumentiert die Arbeit seiner Protagonistin auf sehr zurückhaltende Weise und tritt als Filmemacher kaum in den Vordergrund, vielmehr begleitet er Sahar und ihren Kameramann als eine Art unsichtbarer Schatten. Im Vordergrund stehen die schwierige Finanzierung der Aufklärungskampagne, die wiederholte Behördengänge und Gespräche mit Hilfsorganisationen nach sich zieht, sowie die praktische Umsetzung ihrer pointierten Filme, die sie mit ihrem „Mobile Cinema" in den verschiedenen Provinzen Afghanistans vor einem weiblichen Publikum aufführt. Zwischendurch zeigt Heidinger markante Ausschnitte aus diesen Filmen und lockert die ansonsten eher trockene Dokumentation so erheblich auf.
Regisseurin und Produzentin Saba Sahar übernimmt die Hauptrolle in ihren Filmen meistens selbst. Ihr Spektrum reicht von knalligen Actionszenen, in denen die Afghanin als Superheldin gegen Männer kämpft oder als Polizistin einen terroristischen Anschlag auf einen Bus vereitelt, wofür sie auch von den männlichen Kollegen Respekt erhält, bis hin zur kammerspielartigen Thematisierung von häuslicher Gewalt und der Flucht von Frauen aus prekären Lebensverhältnissen. Ihren Ausgangspunkt haben die Werke in aller Regel im alltäglichen Erleben und Sahar klärt dabei ganz praktische Fragen wie jene, ob Frauen einen so männlich geprägten Beruf wie Polizistin ergreifen dürfen oder ob dies gegen Sitte und Anstand verstößt.
Im Anschluss an die Vorführung der Infofilme findet jeweils ein Erfahrungsaustausch mit den Besucherinnen des mobilen Kinos statt, in dessen Rahmen sie ihre eigenen Erlebnisse schildern können. Dass die Aufklärungsarbeit von Saba Sahar nicht überall auf Gegenliebe stößt (so sind manche der afghanischen Provinzen von vornherein eine No-Go-Area für das „Mobile Cinema"), thematisiert Heidinger ebenso wie die immer wiederkehrende Verzweiflung der Frauenrechtlerin, deren Arbeit ständig unter mangelnder finanzieller Rückendeckung leidet – dabei geht es vor allem um Fragen der öffentlichen Sicherheit, wohingegen die weitverbreitete Unterdrückung der Frauen im Fördersystem in den Hintergrund rückt.
Eine spannende Facette der Protagonistin bleibt in „Traumfabrik Kabul" jedoch außen vor: Saba Sahar wurde als 17-jährige selbst zwangsverheiratet, will über die damit verbundenen Erlebnisse jedoch nicht vor der Kamera sprechen. Wohl bringt Heidinger in Erfahrung, dass Sahar eine kleine, heimlich geborene Tochter hat, die sie alleine aufzieht – damit sind die Grenzen ihrer Privatsphäre allerdings endgültig erreicht. Interessant bleibt Heidingers und Saba Sahars gemeinsames Wegstück dennoch: Für einen Ausflug in ein Einkaufzentrum trägt sie extra eine traditionelle Burka, damit die Händler ihr bessere Preise beim Einkauf von Schuhen oder Parfum machen. Ebenfalls im Gedächtnis bleibt eine nächtliche Autofahrt durch staubige Seitenstraßen Kabuls, über die vereinzelt Männer schlendern, auf denen aber keine einzige Frau zu sehen ist.
Fazit: Fernab der üblichen Berichterstattung untersucht Regisseur Sebastian Heidinger in seinem mit einfachen Mitteln realisierten Dokumentarfilm „Traumfabrik Kabul" die Lage der Frauen in Afghanistan und kann dabei ganz auf seine engagierte Protagonistin Saba Sahar bauen.