Der 20. Juni 2011 ist ein schwarzer Tag im Kalender der „Jackass"-Fangemeinde, an diesem Datum starb Ryan Dunn bei einem Autounfall in der Nähe seines Wohnortes in West Chester, Pennsylvania. Den Unkenrufen vieler Kritiker zum Trotz ist dieser Verlust nicht einem der vielen waghalsigen Stunts während der „Jackass"-Dreharbeiten zuzuschreiben, sondern allein Dunns unvernünftigem Verhalten. Mit überhöhter Geschwindigkeit kollidierte sein Wagen mit einer Leitplanke, schlug im Wald auf und brannte anschließend aus. Wie es nun um die Zukunft des „Jackass"-Franchises bestellt ist, steht noch in den Sternen. Würde allein das Einspielergebnis von „Jackass 3D" ausschlaggebend sein, wäre ein vierter Teil gewiss, schließlich spielte der Ausflug in die dritte Dimension bei einem Budget von 20 Millionen Dollar 170 Millionen ein. Freilich ist auch bei den Dreharbeiten zu „Jackass 3D" wieder Material entstanden, das es nicht auf die große Leinwand geschafft hat. „Jackass 3.5" kommt wie schon „Jackass 2.5" als Direct-to-DVD-Veröffentlichung in die Regale und enthält neben den nicht verwerteten Stunt-Szenen auch kurze Statements des „Jackass"-Ensembles und des Regisseurs Jeff Tremaine („Jackass: The Movie") zu den „Jackass 3D"-Dreharbeiten. Mit dabei ist auch Sympathieträger Ryan Dunn, den wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge ein letztes Mal bei seiner Lieblingsbeschäftigung beobachten: mächtig auf den Sack bekommen!
Was kann nach Bungee-Dixiekloschleudern, Elektroschock-Spießroutenläufen und Exkrement-Vulkanausbrüchen eigentlich noch kommen? Ganz einfach: Dildo-Raketenwerfer, Elektroschock-Limbo und Schleifmaschinen-Skateboard. Dem kreativen Selbstzerstörungsdrang scheinen hier wahrlich keine Grenzen gesetzt, und so werden immer neue Wege gefunden, sich selbst und die Leidensgenossen nach bester „Jackass"-Manier ordentlich zu malträtieren. Mit dabei sind die üblichen Verdächtigen um Johnny Knoxville („Men in Black II"): Bam Margera, Ryan Dunn, Steve-O, Jason Wee-Man Acuña, Chris Pontius, Preston Lacy, Dave England, Brandon Dicamillo und Ehren McGhehey. Und wieder einmal gilt es, das Publikum ohne Rücksicht auf Verluste zu unterhalten...
Man kann dem „Jackass"-Franchise vieles vorwerfen, aber eines ganz sicher nicht: mangelnde Kreativität. Immer wieder findet Noxvilles Stunt-Crew neue Wege, sich selbst und ihrer Umwelt erheblichen Schaden zuzufügen. Wenn Ryan Dunn eine Dildo-Rakete im Namen der Wissenschaft zündet, um diese mit Volldampf in Bam Mageras Hinterteil, aka „Ur-Anus", zu schießen, sind die Jackasses und ihre Fans in ihrem Element. Nicht minder absurd ist die „Jackass"-Variante des Laufband-Musikvideos der amerikanischen Indie-Rockband „Ok Go", in der eine wahre Schmerz-Choreographie inszeniert werden muss, während in einem anderen Clip die fatale Wirkung von Mentos-Drops und Cola in einem kleinen Raum demonstriert wird. Natürlich bekommt auch Chris Pontius' Gemächt wieder seinen großen Auftritt: Eingegipst dient es einem Specht als Ast-Imitat und wird vom Vogel auch prompt bearbeitet – da tut alleine schon das Zuschauen weh!
Zwei Dinge stachen bei „Jackass 3D" besonders heraus; zum einen die Superzeitlupenaufnahmen, mit denen die Auswirkungen der fiesen Spielchen auf die Körper in ihrer vollen Wirkung dargestellt werden konnten und zum anderen die musikalische Untermalung, die den einzelnen Szenen eine weitere komödiantische Komponente hinzufügte. Wenn sich in „Jackass 3D" die gesammelte Mannschaft in Sträflingskostümen zu Eddy Grants „Electric Avenue" durch einen engen, mit Elektroschockern gespickten Gang drängt, dann ist das schlichtweg genial. Während die Superzeitlupe in „Jackass 3.5" nur selten zum Einsatz kommt, ist der Soundtrack wieder punktgenau auf die Bilder abgestimmt. Wenn Noxvilles wilde Bande mit schweren Koffern beladen quer durch London düst, könnte einen kein Lied besser auf die 81 Minuten unterhaltsamer Selbstzerstörung vorbereiten, als „Ca plane pour moi" von Plastic Bertrand. Ähnlich passend musikalisch unterlegt sind Bam Mageras und Ryan Dunns Snowboard-Stunts – in Fat-Suits gesteckt fliegen sie über die Eispiste und werden dabei von Roger Akan Wades Lied „Too fat to fly" begleitet.
In „Jackass 3.5" ist alles beim Alten: Es wird gerülpst, gefurzt, gekotzt und gekackt, Schläge werden ausgeteilt und Schmerzen weggesteckt – das ist nicht besonders anspruchsvoll, aber auf eine sonderbare Weise äußerst unterhaltsam. Was für eine psychische und physische Belastung derartige Dreharbeiten sein müssen, das ist ansatzweise aus den kurzen Interviews heraushörbar: Nirgends sei man vor einem Streich sicher, nirgends fände man einen Platz, um wirklich in Frieden zu schlafen. So scheint Ehren McGhehey in einer Szene tatsächlich am Ende seiner Kräfte und den Tränen nahe, als er durch den Einsatz eines Defibrillators unsanft und scheinbar nicht zum ersten Mal aus dem Schlaf gerissen wird. Doch all der Ärger hat sich gelohnt! Zwar sind die besten Szenen bereits in „Jackass 3D" zu sehen, doch das, was hier als kreativer Überschuss angeboten wird, wäre für die große Zahl von Nachahmer-Serien noch immer pures Comedy-Gold!