Es ist fast, als wäre es gestern gewesen. Mein älterer Bruder, sein bester Schulfreund und ich sitzen in einem Reihenhaus, der Freund und mein Bruder vor einem C’64 und einem Schwarzweiß-Monitor, ich habe mehrere Kilo Endlospapier auf dem Schoß und einen roten Marker in der Hand. Wir suchen nach einer Zeile Code. Der Freund und mein Bruder scrollen in unzähligen Zeilen Maschinencode auf dem Monitor, ich blättere ein Blatt ums andere um, während der StarSG10 mit schwächer werdender Tinte immer mehr Papier ausspuckt.
Ums kurz zu machen, wir waren in dem Listing des Maschinencodes von Sid Meyers Pirates auf der Suche nach den Jahreszahlen, die gleichzeitig die Passwörter, quasi einen Kopierschutz für das Spiel bildeten.
23 hat mir genau dieses Gefühl wieder aufleben lassen. Als ich den Film das erste Mal gesehen habe, hatte ich größeres Augenmerk auf den Illuminatus-Fokus gelegt. Damals hatte ich mich für die Trilogie sehr interessiert und war über die Bücher auf den Film gestoßen. Dieses Mal habe ich vielmehr den zerbrechlichen Niedergang eines Menschen, mit großen Idealen und einer viel zu großen Paranoia ausgestattet, mit verfolgen können.
23 ist einfühlsam, perfekt getimed, großartig gespielt und wirklich meisterlich gefilmt. Der liebevolle Rückblick auf die Vergangenheit gelingt perfekt, erinnert mich an Gefühle und Gedanken von damals und spiegelt sie in der Handlung aber auch durch Ausschnitte von Nachrichtensendungen wieder, lässt mich daran erinnern, als ich diese selbst gesehen habe. Dabei zeichnet 23 aber auch die zerbrechliche Gefühlswelt von Idealisten, von Spinnern und Weltverbesserern, aber auch von gieriger Risikobereitschaft, gepaart mit Gewaltbereitschaft auf.
Dieser Film ist kein Credo, keine Homage an die Hackerszene, die lediglich einen liebevoll wohlwollenden Seitenblick abbekommt, dieser Film ist ein Credo an die Freundschaft und an den Idealismus, das Glauben und die völlige Hingabe an eine Idee, so seltsam, diese auch sein mag.
23 repräsentiert für mich einen DER deutschen Filme, fernab von talentfreien Til-Schweiger-Produktionen. Der Film ist einer DER deutschen Filme, die diese Marke einst so einzigartig machte und die zur Zeit leider so ausgeramscht wird. Hätte der deutsche Film das Niveau von 23 oder Lola Rennt, Filmen aus dieser Zeit eben, bräuchten wir uns nicht schamvoll vor dem amerikanischen Film verstecken.
Fazit: Großes Kino, Große Schauspieler, meisterliche Inszenierung und Bildkomposition, Musik und Ton sind großartig - einfach alles stimmt an diesem Film. Zusätzlich kommt noch die perfekte Illusion der Nostalgie, dafür gibt’s 5 Punkte – und die vergebe ich nur äußerst selten!