Mit welchen Qualitäten muss ein Film aufwarten, um im Berlinale-Wettbewerb zu landen? Nach Rodrigo Morenos „Rätselhafte Welt" liegt die Antwort auf der Hand: Qualität ist kein Kriterium. Wohl aber hat der argentinische Filmemacher bereits 2006 für sein Regie-Debüt „El Custodio - Der Leibwächter" einen Preis in Berlin gewonnen und hatte so bereits einen Fuß in der Tür. Schön für Moreno, Pech für das Publikum. Auf dem Papier mag „Rätselhafte Welt" als Parabel über Einsamkeit und Isolation entworfen sein. Auf der Leinwand ist davon jedoch nichts zu finden. Morenos verquaster Film nervt mit Plattitüden, einem fürchterlich unsympathischen Protagonisten und unverschämten Meta-Dialogen: „Es ist gut, wenn nichts passiert. Warum sollte auch etwas passieren?" Ja, Herr Moreno, warum dann überhaupt ins Kino gehen?
Ana (Cecilia Rainero) trennt sich von Boris (Esteban Bigliardi), weil sie über die Beziehung nachdenken möchte und dafür Zeit braucht. Boris weiß mit dieser Aussage wenig anzufangen und ist zum ersten Mal in seinem Leben auf sich allein gestellt. Wie soll er nun seinen Alltag gestalten, alles Notwendige organisieren? Als erste Single-Amtshandlung kauft sich Boris ein Auto, einen gebrauchten R6-Nachbau aus rumänischer Produktion. Dann beginnt er, sich mit Freunden zu treffen, die ihn irritieren und fährt zu einer Silvesterparty nach Uruguay, zu der jedoch sonst niemand kommt. Am Telefon meldet sich nur ein Anrufbeantworter. Boris beginnt, die Welt um sich herum immer seltsamer zu finden...
Rätselhaft ist hier nicht, was Rodrigo Moreno sich bei all dem gedacht hat. Die symbolische Rolle etwa des Autos, um das so viel Aufhebens gemacht wird, ist in dieser Form schon unzählige Male da gewesen. Bei Boris' erstem Streifzug bleibt das Vehikel auf einer Landstraße hängen, es beginnt zu stürmen, niemand hält an, um zu helfen. Damit ist Boris' Existenz kompakt auf den Punkt gebracht, mehr kommt nicht. Abgesehen von den Binsenweisheiten, mit denen der Schwerenöter von Freunden und Bekannten versorgt wird. Manchen fällt es leicht, Frauen aufzureißen, anderen eben nicht. Kleider machen Leute. Autos machen Männer. Oder auch nicht.
Seine alte Flamme kann Boris mit dem klapprigen R6-Imitat zumindest nicht beeindrucken. Warum auch? Ana tritt als Stellvertreterin des Publikums auf; man möchte jubeln über ihre Entscheidung, diesem Totalversager nicht länger beim Totalversagen zuzuschauen. Mitleid und Anteilnahme für Boris bleiben spätestens dann auf der Strecke, wenn er Frauen nachstellt, um passende Momente für ungelenke Anmachen abzupassen. Und dann passiert doch noch etwas: Eine davon ist auf der Suche nach einem Hotelzimmer und lässt sich tatsächlich abschleppen. Wie sie sich am Morgen danach beschämt aus dem Staub macht, ließe sich ohne weiteres als Fingerzeig gen Kinosaal-Ausgang übersetzen.
„Rätselhafte Welt" ist eine Verliererballade, der alles Balladeske abhanden gekommen ist. Immerhin, die Kraftlosigkeit und Irritation des Protagonisten überträgt Moreno verlustfrei auf sein Publikum. Im Rahmen einer Einsamkeitsstudie und Zustandsbeschreibung ist der Verzicht auf Plotstrukturen ja durchaus legitim. Mit „Rätselhafte Welt" ergründet Moreno jedoch keine Befindlichkeit, er vergeudet bloß hundert Minuten Leinwandzeit mit dieser unfreiwilligen Feststellung: Es gibt Versager, die ihr Schicksal verdienen. Eine Welt, in der das für einen Platz im Berlinale-Wettbewerb reicht - die ist in der Tat rätselhaft.