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    Gefühlt Mitte Zwanzig
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Gefühlt Mitte Zwanzig
    Von Katharina Granzin

    Nein, Älterwerden ist kein Spaß. Höchstens beim Zugucken. In seinem neuen Film lotet Noah Baumbach, der mit „Frances Ha“ eine der geistreichsten Independent-Komödien der vergangenen Jahre ablieferte, sehr kurzweilig die Untiefen zwischen den Generationen der Fourty- und der Twentysomethings aus. „Gefühlt Mitte Zwanzig“ ist im New Yorker Künstler- und Intellektuellenmilieu angesiedelt und genau wie bei „Frances Ha“ steht auch im neuen Opus eine Person im Mittelpunkt, die dem leistungs- und erfolgsorientierten Denken ihrer Umwelt einen eigensinnigen, wenngleich wenig zielgerichteten Idealismus entgegensetzt. Ben Stiller, der spätestens seit „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“  als eine Art Schutzpatron orientierungsloser männlicher Stadtneurotiker gelten kann, verkörpert hier (wie auch schon in Baumbachs „Greenberg“) einmal mehr einen Mann in der Midlife-Crisis. Er ist der charismatische Anführer eines tollen Schauspielerensembles und steht im Zentrum einer Komödie mit viel Witz, Hintersinn und doppeltem Boden.

    Josh (Ben Stiller) ist Mitte 40 und von Beruf eigentlich Dokumentarfilmer. Tatsächlich verdient er sein Geld aber als Dozent und sein neuester Film, an dem er bereits seit acht Jahren werkelt, wird einfach nicht fertig. Seine Frau Cornelia (Naomi Watts), ihrerseits Filmproduzentin und Tochter eines berühmten Dokumentarfilmgurus, liebt ihn trotzdem, auch wenn die ihre Beziehung inzwischen deutlich an Schwung verloren hat. Während ein gleichaltriges befreundetes Paar seinem Leben durch ein Kind einen höheren Sinn geben will, sehen Josh und Cornelia ihre Chance auf eine Veränderung gekommen, als sie Jamie (Adam Driver) und Darby (Amanda Seyfried) kennenlernen. Die beiden sind Mitte 20 und scheinen auf eine spontane, verrückte Art so echt und unverdorben zu sein wie Josh es gern (wieder) wäre. Auch Jamie träumt von einer Karriere als Filmemacher, und der Ältere findet sich geschmeichelt in der Rolle des Mentors wieder. Dann entdeckt Josh jedoch, dass Jamies Arbeitsethos sich in wesentlichen Punkten von seinem eigenen unterscheidet…

    Noah Baumbach („Der Tintenfisch und der Wal“) verknüpft sehr geschickt zwei thematische Ebenen miteinander. Die so offensichtlich aufgeworfene Generationenfrage ist dabei im Grunde gar nicht die wirklich entscheidende. Denn letztlich wird, wie Darby am Ende treffend feststellt, jeder auf dieselbe Art alt wie alle anderen auch. Viel tiefer reicht dagegen die andere zentrale Frage des Films, nämlich jene nach der künstlerischen Verantwortung. An ihr reibt Josh sich bis zur Arbeitsunfähigkeit, während Jamie eher leichtfertig mit ihr umgeht. Dabei wird hier bei genauem Hinsehen nicht nur ein professionelles Ethos verhandelt, sondern die Arbeitsmoral spiegelt in Baumbachs Drehbuch auch das Verhalten im Privatleben und seine Aufrichtigkeit: Während Jamie „vor allem verliebt in Jamie“ ist, wie seine Frau bitter feststellt, und damit zu einer bedeutungsvollen Partnerschaft kaum in der Lage, steht die Beziehung von Josh und Cornelia auf einem soliden Fundament und niemals ernsthaft in Frage.

    Die moralischen Rollen (und meist auch die Sympathien) sind hier so klar verteilt, dass es nur einer Verwechslung geschuldet sein kann, wenn Cornelia doch einmal den jungen Jamie küsst (sie hatte ihn selbstverständlich für ihren Mann gehalten). Zwischen Wahrhaftigkeit und idealisierter Spießigkeit verläuft hier zuweilen ein schmaler Grat, auf dem der gewiefte Drehbuchautor Baumbach jedoch recht geschickt balanciert: Als sich das ältere Paar nach diversen Stürmen im Wasserglas wieder versöhnt, fällt ihm tatsächlich nichts Originelleres ein, als ein Kind zu adoptieren, aber diesen zuvor durchaus als erfolgversprechend präsentierten Plan kommentiert der Filmemacher mit einer vielsagenden ironischen Pointe: Jede neue Generation, so zeigt das Schlussbild von einem am Smartphone daddelnden Kleinkind deutlich, ist für die älteren auch eine neue Art von Monster. Da kann man sich noch so sehr etwas anderes vormachen.

    Fazit: Geistreiche Beziehungs- und Künstlerkomödie vor urbaner New York-Kulisse von „Frances Ha“-Regisseur Noah Baumbach.

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