Die dumpfen Trommeln einer unheilvollen, vergangenen Tat tönen zu laut, als dass Kleinstadtpolizist Walter sie aus seinen Gedanken verbannen könnte. Von mit sich selbst hadernden Gesetzeshütern wurde schon oft erzählt – von der katholischen Strenge eines Abel Ferrara („Bad Lieutenant") über die psychologische Differenzierung eines Christopher Nolan („Insomnia - Schlaflos") bis zum Gewalttäter-Porträt eines Oren Moverman („Rampart"). Regisseur Ed Gass-Donnelly („This Beautiful City") weiß dem bekannten Sujet in „Small Town Murder Songs" dann aber tatsächlich doch noch neue Aspekte abzugewinnen. Das von einem treibenden Folk-Soundtrack dominierte Drama erweist sich als geerdete Charakterstudie eines gebrochenen Mannes im tiefreligiösen Ontario.
In einer ländlichen Mennonitengemeinde in der kanadischen Provinz Ontario wird die entblößte Leiche einer jungen Frau gefunden. Für den Kleinstadtpolizisten Walter (Peter Stormare) ist es der erste Mordfall. Die Ermittlungen führen bald zu seiner Ex-Freundin Rita (Jill Hennessy) und ihrem neuen Freund Steve (Stephen Eric McIntyre). Dabei versucht Walter doch seit Monaten, gerade diese beiden Menschen zu vergessen. Denn vor gut einem halben Jahr kam es zwischen ihm und dem streitsüchtigen Paar zu einem unentschuldbaren Zwischenfall, der Walter sein Ansehen in der Gemeinde und seinen inneren Frieden kostete. So geht es für den Polizisten nicht nur um die Aufklärung eines Kriminalfalls, sondern gleich um sein Seelenheil...
Ed Gass-Donnelly gelingen stimmungsvolle 87 Minuten, die trotz der bedächtigen Erzählweise und auch ohne echte Krimi-Spannung fesseln. Ihm geht es um die vorsichtige Annäherung an emotionale Abgründe und nicht um die Mörderhatz. Schrittweise werden immer weitere Facetten des Innenlebens des gegen seine Gefühle und Begierden ankämpfenden Kleinstadtpolizisten aufgedeckt, der von Peter Stormare („Fargo", „Dancer in the Dark") nuanciert und zurückgenommen verkörpert wird. Im Zentrum des viergeteilten Dramas, dessen Kapitel jeweils mit Bibelzitaten eingeleitet werden, steht dabei die durchdringende Folkmusik der kanadischen Indie-Band Bruce Peninsula, welche die Seelenpein des Protagonisten in aufbäumende Trommelwirbel und archaische Choräle taucht, die gelegentlich von einer rauchigen Rockstimme durchbrochen werden.
Die von den kraftvollen Folk-Gospel-Songs durchtränkten Momente, etwa wenn das Geschehen in Zeitlupenaufnahmen geradezu einfriert und die ausdrucksstarken Gesichter von verborgenen Emotionen künden, erzeugen eine dichte Atmosphäre, die langsam aber sicher gefangennimmt. „You can't have what you want" - so tönen wutentbrannte Frauenstimmen untermalt von markerschütternden Trommelschlägen im Song „As Long As I Live" und beschreiben damit Walters Rastlosigkeit. Die Dämonen einer im Zorn verübten Tat, die nicht in sein eigenes Verhaltens- und Werteschema passt, sowie der Verlust seiner großen Liebe Rita, machen ihm schwer zu schaffen.
Der damit verknüpfte Kriminalfall bleibt derweil bloßes Konstrukt und dient schlichtweg als erzählerischer Vorwand für Walters erneute Konfrontation mit seiner Ex-Freundin und das damit einhergehenden Aufleben unterdrückter Begierde und heruntergeschluckter Wut. Das Zusammentreffen mit der schroffen Rita und ihrem zwielichtigen Lebensgefährten Steve wirft Walter immer wieder zurück auf jenes Ereignis, nach dem alles anders war. Seither vermeidet selbst sein Vater, ihm noch in die Augen zu blicken. Wie weit Walter in Sachen Vergangenheitsbewältigung mit seinem neugefundenen Glauben und der frischen Beziehung zur liebenswert-bemühten Kellnerin Sam kommt, steht so jeden Tag aufs Neue in Frage.
Fazit: „Small Town Murder Songs" ist eine sehenswerte Charakter- und Milieustudie über Glauben, Vergebung und den Kampf mit den eigenen Dämonen. Mit einer tollen Besetzung, starken Bildern des ländlichen Ontario und einem durch Mark und Bein gehenden Soundtrack baut Ed Gass-Donnelly eine zum Schneiden dichte Atmosphäre auf, die locker für die fehlende Krimispannung entschädigt.