Nachdem ihr 15-minütiger Kurzfilm „Alice or Life in Black and White" vor einigen Jahren auf der Berlinale lief und anschließend im Festivalzirkus die Runde machte, legt die belgische Regisseurin und Drehbuchautorin Sophie Schoukens mit dem psychologischen Drama „Marieke und die Männer" nun ihren ersten langen Kinofilm vor. Die Geschichte um die emotionale Verwirrung einer jungen Frau, die mit älteren Männern schläft und die Umstände des Selbstmords ihres Vaters ergründen will, ist niemals langweilig, aber zugleich etwas zu einfach gestrickt, um auf ganzer Linie zu überzeugen oder tiefer zu berühren. Dafür beruht das Schicksal der von Hande Kodja („Mörderinnen") einnehmend verkörperten Protagonistin auf einer etwas zu einfach angelegten Relation von Ursache und Wirkung.
Mariekes (Hande Kodja) Vater, ein Schriftsteller, beging Selbstmord, als die Tochter acht Jahre alt war. Heute lebt die 20-jährige mit ihrer Mutter Jeanne (Barbara Sarafian) zusammen und arbeitet mit der besten Freundin Anna (Caroline Berliner) in einer Brüsseler Schokoladenfabrik. Zwischen Mutter und Tochter ist der Tod des Vaters ein Tabuthema – die Umstände des väterlichen Suizids liegen für Marieke im Verborgenen und beschäftigen die heranwachsende Frau. Während Jeanne seit dem Verlust des Ehemanns keinerlei emotionale oder sexuelle Nähe zulässt, sucht Marieke Trost in den Armen deutlich älterer Männer. Als Jacobi (Jan Decleir), der ehemalige Verleger und Freund des Vaters, gleichzeitig auch der vormalige Liebhaber der Mutter, in der Stadt auftaucht, bringt er das festgefahrene Gefüge zwischen Marieke und Jeanne durcheinander...
Im Zentrum des Dramas – der Titel verrät es schon – steht die junge Marieke. Mit lange gehaltenen Kameraeinstellungen, einer langsamen, ruhigen Erzählweise und einer hohen Sensibilität für emotionale Zwischentöne inszeniert Sophie Schoukens ihr Spielfilmdebüt. Besonders gelungen ist die Visualisierung der Verunsicherung und Orientierungslosigkeit ihrer Protagonistin. Die graue Stadtkulisse Brüssels und der monotone Arbeitsplatz in der Schokoladenfabrik bringen die Gefühlslage Mariekes sinnbildlich zum Ausdruck – nur in den intimen Liebesmomenten Mariekes mit ihren älteren Geliebten, die Sophie Schoukens ohne große Aufregung in Nahaufnahmen einfängt, scheint ein wenig Geborgenheit durch.
Ein Leitmotiv von „Marieke und die Männer" sind die kunstvollen Fotografien, die Marieke nach dem Sex von den Männern macht: Die Großaufnahmen von Händen, Füßen und anderen Teilen der gealterten Körper fügt die junge Frau später zu einem Mosaik zusammen und baut sich so neue Varianten ihrer Liebhaber zusammen – ganz so, wie sie aus den Einzelteilen ihrer eigenen Vergangenheit, die sie nach und nach aufdeckt, ihre Persönlichkeit ausbildet. Diesem ganzen Handlungskonstrukt liegt überdeutlich der Gedanke zugrunde, dass Marieke über den sexuellen Umweg schlichtweg Ersatzväter sucht. Das bleibt jedoch reine Behauptung und Schoukens gelingt es nicht, sie wirklich plausibel erscheinen zu lassen. Und so will der Funke trotz guter schauspielerischer Leistungen und stilvoller Aufnahmen auch nicht recht überspringen.
Fazit: „Marieke und die Männer" ist ein respektabler Kinoeinstand für Sophie Schoukens: Das gut gespielte Drama ist zwar psychologisch recht oberflächlich, aber dennoch eine interessante Charakterstudie.