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    Archipelago
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Archipelago
    Von Ulf Lepelmeier

    Ein Archipel bezeichnet eine Gruppe von Inseln, die so eng beieinander liegen, dass sie als geographische Einheit gelten. Als metaphorisches Naturbild für die Schicksalsgemeinschaft der Familie wählte die britische Regisseurin Joanna Hogg („Unrelated") den Begriff als Titel für ihren zweiten Kinofilm. In ihrem in Braun- und Grautöne getauchten, auffällig distanziert und weitestgehend ermüdend schwerfällig erzählten Familiendrama schildert sie eine Situation des kommunikativen Stillstands in einer Mittelstandsfamilie auf. Zwar ist mit „Marvel's The Avengers"-Bösewicht Tom Hiddleston einer der vielversprechendsten Hollywood-Newcomer dieser Tage mit an Bord, aber der naturalistisch-sachliche Stil der Regisseurin schränkt den Loki-Darsteller und seine starken Kolleginnen jedoch so stark ein, dass man sich seinen Zugang zu den Figuren geduldig selbst erarbeiten muss.

    Edward (Tom Hiddleston) will für elf Monate nach Afrika gehen, um dort humanitäre Arbeit zu leisten. Auch wenn Mutter Patricia (Kate Fahy) nicht glücklich über den Entschluss ihres Sohnes ist, traut sie sich nicht, ihm das Vorhaben auszureden und organisiert zum Abschied lieber einen Familienurlaub auf der kleinen Insel Tresco. Als der Mittzwanziger auf dem im äußersten Südwesten von Großbritannien gelegenen Eiland eintrifft, wird er schon von seiner Mutter und Schwester Cynthia (Lydia Leonard) erwartet, während der Vater mit Abwesenheit glänzt. Nur unwillig sind Edward und Cynthia der Einladung ihrer bemühten Mutter gefolgt. Während Rose (Amy Lloyd), die Haushälterin des Ferienhauses, kulinarische Köstlichkeiten auftischt, Künstler Christopher (Christopher Baker) Malunterricht erteilt und kleinere Ausflüge unternommen werden, brechen verschwiegene Zwistigkeiten hinter der bürgerlichen Fassade hervor...

    Ähnlich wie das in der Eröffnungssequenz entstehende impressionistische Gemälde, das mit seinem imposanten Farbenspiel weit mehr Emotionen vermittelt als der unspektakulär-karge Strandabschnitt, der dem Maler als Motiv dient, entfaltet sich das handlungsarme Drama von „Archipelago" nur in allerkleinsten, interpretationsbedürftigen Mosaikstücken. Von Beginn an etabliert Joanna Hogg mit minimalistischem Regie-Gestus eine Atmosphäre der unterdrückten Emotionen und gescheiterten Kommunikation. Sowohl die Mutter, die immer mehr daran verzweifelt, dass ihr Ehemann es anscheinend nicht für nötig erachtet, am Familienurlaub und an der Verabschiedung des Sohnes teilzunehmen, als auch die beiden erwachsenen Kinder vermeiden es konsequent, problematische Themen anzuschneiden.

    Die tief wurzelnden Konflikte brechen nur kurz durch, um dann schnell wieder unterdrückt zu werden. Die Familienmitglieder sind stets auf die Wahrung der Etikette bedacht, so bleiben beständig bestenfalls halb ausgesprochene Vorwürfe im Raum stehen, die aber dennoch einen wirklich erholsamen Urlaub unmöglich machen. Entsprechend lassen die drei Protagonisten das Erholungsprogramm bloß über sich ergehen. Ähnlich schwerfällig wie die verhaltene Familienkommunikation schleppt sich auch das nicht mit Metaphern geizende Drama selbst voran. Die distanzierte Kameraführung und der Verzicht auf jegliche musikalische Untermalung machen das ohnehin auf kleine emotionale Zwischentöne ausgerichtete Geschehen noch schwerer zugänglich und führen dazu, dass sich das Publikum selbständig zu den Figuren vorkämpfen muss – wenn es denn überhaupt die Bereitschaft dafür mitbringt.

    Während Hauptdarsteller Tom Hiddleston („Gefährten", „Thor") den unsicheren Edward betont hölzern verkörpert, füllen Kate Fahy („Unbeugsam") und insbesondere die ausdrucksstark-zurückhaltend spielende Lydia Leonard minimal lebendigere Rollen aus. Auch Schauspieldebütant und Inselkünstler Christopher Baker, der die Regisseurin schon vorher an der Staffelei unterrichtete, leistet gute Arbeit als philosophierender Kunstlehrer, der sich mit seinen Weisheiten und Ratschlägen zu einer Art Ruhepol für die innerlich aufgewühlten Familienmitglieder entwickelt. Die Einfachheit und Unaufgeregtheit, mit der Hogg ihr Drama inszeniert, sorgen immerhin dafür, dass die vereinzelten emotionalen Ausbrüche der drei Protagonisten umso lauter nachhallen. Aber bezeichnenderweise beinhaltet der von Lydia Leonard alias Cynthia vorgetragene Abspann-Song die gefühlvollsten Worte an den Bruder im gesamten Film.

    Fazit: Ein psychologisch-analytisch interessiertes Publikum wird Gefallen an der Interpretation der Familiensituation finden, die Joanna Hogg in „Archipelago" unterkühlt und aus weiter Ferne schildert. Freunde mitreißend inszenierter Familiendramen sollten derweil einen weiten Bogen um den Film schlagen.

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